DIE BEGRIFFSFORM IM MYTHISCHEN DENKEN
I.
Die Logik ist zum Bewußtsein ihrer eigentlichen philosophischen
Aufgabe und zum Bewußtsein ihrer systematischen Form erst da-
durch gelangt, daß sich ihre eigene Entwicklung gleichzeitig mit
der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens vollzog und sich be-
ständig an dieser letzteren orientierte. An den besonderen Problemen,
die die Methodik der Einzelwissenschaften stellte, erfaßte sie erst ihr
allgemeines und umfassendes Problem. Seit der Grundlegung der wis-
senschaftlichen Philosophie in der Ideenlehre Platons besteht diese
wechselseitige Beziehung. In der Platonischen Dialektik ist das, was
wir heute als „Logik" bezeichnen, als notwendiger und integrierender
Bestandteil enthalten — aber wie es hier noch keinen eigenen
selbständigen Namen trägt, so steht es auch nach seinem sach-
lichen Gehalt mit der Methodenlehre der einzelnen Wissenschaften
noch im engsten Zusammenhang. Die begriffliche „Rechenschafts-
ablegung", das Xotov bibovai, auf das alle Philosophie hinzielt, und
worin sich ihr Begriff erfüllt, betrifft ebensowohl den Inhalt des Wis-
sens wie seine reine Form. Die Form des „hypothetischen", des be-
ziehentlichen Denkens, wie sie von Platon zuerst in aller Schärfe her-
ausgestellt wird, empfängt ihre Bestätigung und ihre volle Aufhellung
erst dadurch, daß sie, im Menon, am konkreten Beispiel des geometri-
schen Denkens zur Darstellung gelangt. Die Entdeckung der analyti-
schen Methode der Geometrie, die sich hier vollzieht, hat der allge-
meinen Analyse des logischen Folgerns und Schließens, wie sie in den
beiden Aristotelischen Analytiken verliegt, erst den Boden bereitet.
Und auch in den späteren Platonischen Dialogen — besonders im So-
phistes und Politikos — tritt die eigentliche dialektische Kunst, die
Kunst des Scheidens und Verknüpfens, nicht als schlechthin losgelöste
logische Technik heraus. Die Lehre vom logischen Begriff, von seinen
Gattungen und Arten, berührt sich vielmehr aufs nächste mit dem
Problem der systematischen Klassifikation, wie es sich in den beschrei-
benden Naturwissenschaften gestaltet. So scharf die logischen Formen
sich von den Naturformen sondern, so ist doch zu ihrer Kenntnis nicht
I.
Die Logik ist zum Bewußtsein ihrer eigentlichen philosophischen
Aufgabe und zum Bewußtsein ihrer systematischen Form erst da-
durch gelangt, daß sich ihre eigene Entwicklung gleichzeitig mit
der Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens vollzog und sich be-
ständig an dieser letzteren orientierte. An den besonderen Problemen,
die die Methodik der Einzelwissenschaften stellte, erfaßte sie erst ihr
allgemeines und umfassendes Problem. Seit der Grundlegung der wis-
senschaftlichen Philosophie in der Ideenlehre Platons besteht diese
wechselseitige Beziehung. In der Platonischen Dialektik ist das, was
wir heute als „Logik" bezeichnen, als notwendiger und integrierender
Bestandteil enthalten — aber wie es hier noch keinen eigenen
selbständigen Namen trägt, so steht es auch nach seinem sach-
lichen Gehalt mit der Methodenlehre der einzelnen Wissenschaften
noch im engsten Zusammenhang. Die begriffliche „Rechenschafts-
ablegung", das Xotov bibovai, auf das alle Philosophie hinzielt, und
worin sich ihr Begriff erfüllt, betrifft ebensowohl den Inhalt des Wis-
sens wie seine reine Form. Die Form des „hypothetischen", des be-
ziehentlichen Denkens, wie sie von Platon zuerst in aller Schärfe her-
ausgestellt wird, empfängt ihre Bestätigung und ihre volle Aufhellung
erst dadurch, daß sie, im Menon, am konkreten Beispiel des geometri-
schen Denkens zur Darstellung gelangt. Die Entdeckung der analyti-
schen Methode der Geometrie, die sich hier vollzieht, hat der allge-
meinen Analyse des logischen Folgerns und Schließens, wie sie in den
beiden Aristotelischen Analytiken verliegt, erst den Boden bereitet.
Und auch in den späteren Platonischen Dialogen — besonders im So-
phistes und Politikos — tritt die eigentliche dialektische Kunst, die
Kunst des Scheidens und Verknüpfens, nicht als schlechthin losgelöste
logische Technik heraus. Die Lehre vom logischen Begriff, von seinen
Gattungen und Arten, berührt sich vielmehr aufs nächste mit dem
Problem der systematischen Klassifikation, wie es sich in den beschrei-
benden Naturwissenschaften gestaltet. So scharf die logischen Formen
sich von den Naturformen sondern, so ist doch zu ihrer Kenntnis nicht