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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0035
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— 221 —

Bewunderung aufgenommen werden. Trotz der Mängel, die
wir angedeutet, müſſen wir geſtehen, daß es immerhin zu dem
Beſten gehört, was er geſchaffen hat, zumal nach ſeiner äußern
Vollendung. Aus dem reinen Quell der Begeiſterung für chriſt-
liche oder ſittliche Jdeen iſt es freilich nicht entſprungen: es iſt
vielmehr ein Rivaliſationswerk, ein Trutz-Piloty. Jndeß Dank
auch dieſem Beweggrund, der ein Zeugniß für das Chriſten-
thum hervorbrachte l (A. Pz.)

fanen Paulusbild hervorzutreten, nachdem Raphael und Dürer
mit divinatoriſcher Genialität den Paulustypus zur höchſten
Befriedigung der chriſtlichen Vorſtellung und Kunſt feſtgeſtellt
haben. Wenn ferner Paulus ſeine linke Hand in die rechte
einer neben ihm ſtehenden ſtattlichen Frauensperſon legt, als
ob ſie gleichſam ſeine Paula oder Pauline wäre, ſo verſtehen
wir zwar wohl, was Kaulbach damit ſagen will, finden es aber
mehr als bedenklich und ſaſt frivol in eine ſolche Verbindung
den hohen Apoſtel zu bringen, der darauf ein ſo großes Ge-
wicht legt, daß er keine ,, Schweſter'' mit ſich herumführe und
der von den Chriſtenmäunern der damaligen Zeit wegen der
bevorſtehenden Trübſal wünſcht, ſie möchten alle ſein wie er,
nämlich unverheirathet. An die apoſtoliſche Brieftaube Phöbe
von Kenchrea, welche nach ſpätern Zeugniſſen den Brief an die
Römer gebracht haben ſoll, hat Kaulbach gewiß nicht gedacht,
ſonſt würde er ihr eine Rolle oder irgend ein Schriftſtück in
die Hand gegeben haben. Wenn Paulus hier zugleich als Ab-
ſchied nehmend betrachtet wird, ſo konnte er nur von einem
,Aelteſten '' von einem Timotheus oder Clemens Abſchied neh-
men, dem er die verwaiſte Gemeinde empfahl. Ein ſolcher
,, Aelteſte'' ſitzt aber ganz ruhig am Boden und weint, wobei
wir aber bemerken, daß dieſe Figur eine der gelungenſten und
beſtcomponirten auf dem ganzen Bilde iſt. Da doch Hr. Kaul-
bach mit Theologen verkehrt, ſo wundern wir uns, daß er ſich
ihres Rathes ſo wenig bedient hat. — Wenn übrigens Herr
Kaulbach, wie es ſcheint, in der Petersgruppe wegen des dort
vorwiegenden Paſſionscharakters und der Verehrung des Apoſtels
die katholiſche Richtung des Chriſtenthums, hier aber wo das
Weib neben dem Apoſtel ſteht und wo zwei oder drei Chriſten
eben ſo energiſch als unnütz gegen die Gefangennahme des
Apoſtels proteſtirten, die proteſtantiſche Richtung bezeichnen wollte,
ſo haben vielleicht die Katholiken mehr als die Proteſtanten
Urſache mit Kaulbach zufrieden zu ſein.
Den übrigen Raum nach rechts füllen klagende Frauen aus,
die ſich in den mannigfaltigſten, immer ſehr graziöſen Poſituren
darüber betrüben, daß eine ehemalige Chriſtin zu den opfernden
Bacchantinen zu apoſtaſiren im Begriffe ſteht. Das natürlichſte
bei dieſem Vorgang wäre freilich geweſen, wenn ſtatt des zier-
lichen Jammers irgend eine der Frauen der beinahe Nackten
eine Tunica zur Bekleidung zugeworfen oder ſie geradezu bei
der Hand genommen und zurückgeführt hätte, was jene gut-
müthig ausſehende Perſon um ſo eher hätte geſchehen laſſen,
da ſie von Niemand fortgeführt wird und ſelbſt in ihrem Ent-
ſchluſſe zu wanken ſcheint.
Sämmtliche Gruppen ſind auf die freieſte Art mit einander
verbunden und beanſpruchen, daß ſie nur durch eine philoſophiſche
Anſchauung der Weltgeſchichte ſo vereinigt werden konnten. Jndeß
ſollte dies doch nicht ſo geiſtig unſichtbar nur gedacht, ſondern
durch irgend etwas dargeſtellt und angedeutet ſein. Denn dieſe
ſtaffelreiche Treppe bildet keinerlei Uebergang, ſondern vielmehr
eine unüberſteigliche Kluft zwiſchen Nero und den Chriſten. Wir
meinen, das Schickſal der alten und die Hoffnung der neuen
Welt ſollte durch irgend ein Symbol, durch irgend einen bild-
lichen Gedanken veranſchaulicht ſein. Solche Dinge werden zwar
jetzt als Allegorien verachtet, indeß ſie gerade beurkunden, ob
ein Meiſter durch einen genialen ſchöpferiſchen Einfall etwas,
wie aus dem Nichts, hervorzurufen vermag.
Jn wenig Wochen wird Kaulbachs Bild'*) durch photo-
graphiſche Vervielfältigung in tauſend und tauſend Exemplaren
den Markt der Welt betreten. Wir wünſchen ihm Glück zur
Reiſe und es wird gewiß überall mit Achtung und häufig mit

Mittheilungen.
* Jn der Zeitſchrift für bildende Kunſt von Lützcow, Jahr-
gang 1868, findet ſich auch ein intereſſanter Aufſatz von Max
Lohde unter dem Titel: ,, Geſpräche mit Cornelius.'' Es dürfte
von Jntereſſe ſein, zu erfahren, was dieſer Meiſter, welchen
Lohde den größten Genius unſerer neudeutſchen Kunſt nennt,
über Kaulbach und ſeine Kunſtrichtung gedacht hat.
Folgende Stelle gibt uns genügenden Aufſchluß: ,,Die Fresco-
technik iſt gerade deshalb die beſte, weil ſie die ſchwierigſte iſt.
Mit ſtets friſchem, immer ſcharfem und kräftigem Geiſte muß
da geſchaffen werden, die ganze Manneskraft wird in Anſpruch
genommen und deshalb wurden darin die größten Kunſtwerke
geſchaffen. Die Jtaliener verdanken dieſer Erkenntniß ihre Größe.
Deshalb ſagte ich's gleich, daß mit der Erfindung der Kaul-
bach'ſchen Manier der Verfall er monumentalen Malerei be-
ginne. Da kann wieder gepinſelt und mit Laſurtönen rc. gearbeitet
werden. — Die Kühnheit und Sicherheit iſt nicht mehr nöthig.
Es iſt bequemer, und das iſt dem Herrn Kaulbach angenehm.
Aber dennoch .... Kaulbach bleibt ein höchſt bedeutendes, großes
Talent. Was hatte ich nicht für Hoffnungen auf ihn geſetzt!
Er hat mich betrogen, aber doch ſtehen die meiſten von denen,
die ihn jetzt mit Koth bewerfen, tief unter ihm. Er hat außer-
ordentlichen Schönheitsſinn, aber er iſt verflacht. Raſiren Sie
ſeine Männer und Sie haben ſeine Weiber. Es hat einmal
Jemand hart aber wahr geſagt: Alle ſeine Köpfe wären aus
dem Narrenhauſe und aus der Hunnenſchlacht. Vor Allem
aber: Erwerbsbetrieb und Sarkasmus gehört nicht in die Kunſt,
am wenigſten in die monumentale.'' Bei einer andern Gelegen-
heit faßt der ergraute, tiefgetäuſchte Meiſter ſein Urtheil uͤber
Kaulbach in die Worte zuſammen: ,,Kaulbach iſt der Heine
unſerer Malerei; verhöhnt Alles, die Welt und.. ſich.''
Ueber ſein Verhältniß zu der von Kaulbach und Seinesgleichen
mit Koth beworfenen Kirche ſagte der 8jährige Kunſtheros:
,,Es gibt keine wahre hohe Kunſt ohne ein gläubiges Gemüth.
Mag der Rationalismus auch noch ſo nöthig ſein auf anderen
Gebieten, für die Wiſſenſchaft, aber für die Kunſt iſt er der
Tod. . .... Jch habe den Katholicismus des Raphael, des
Mozart und Dante. Glauben Sie nicht, daß wir Katholiken
ſo dumm ſind, wie uns die proteſtantiſchen .... zu machen
lieben. Jch ſage es laut und offen: Jch bin ſelig, daß ich in
unſerer alten Kirche geboren und geblieben bin; ihr verdanke
ich meine Ruhe und viel in meiner Kunſt. Doch nicht nur
Glaube, Demuth, Demuth! Nur aus einem demüthigen Herzen
kann Großes hervorgehen.'' So ſprach der Mann, den Manche
für den Jhren hielten und als Rationaliſten benannten, und
Lohde ſetzt dazu: ,,So tief hatte ich den großen Mann noch
nie ergriffen geſehen.''
Mü nchen, 18. Dez. Der Münchener Kunſtverein hat
ſeinen Abonnenten, alſo auch den katholiſchen, als diesjähriges
Vereinsgeſchenk unter dem unverfänglichen Titel ,,Die Current-
ſchüler'' eine Verherrlichung Luthers (in ſeiner Kindheit) in's
Haus geſchickt. Diejenigen Katholiken, welche ſich von dieſer,
gerade in jetziger Zeit der Katholikenbedrückung unglaublichen
Unzartheit verletzt fühlen, werden aufmerkſam gemacht, daß ver-
ſchiedene katholiſche Vereine werthloſe Papierſchnitzel zu guten

*) Hier ſei bemerkt: Kaulbach's Compoſition iſt weder ein Carton
noch ein Gemälde, ſondern eine Art Grau in Grau mit Leinſchwarz
re. in Oel gemalt oder ,,untertuſcht'' zum Behufe der Phothographie.
Anm. d. Einſ.
 
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