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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0011
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273 —

reicher Fülle oft mitten unter den frömmſten und andächtigſten
Darſtellungen hängen, und wird man ſich erinnern, daß wegen
Placirung dieſer, nur ſinnliche Luſt weckenden Bildern, inmitten
der anderen, die nur den Geiſt tiefer Frömmigkeit athmen,
vor einigen Jahren ein heftiger Streit ausbrach, der endgiltig
von dem Protector der Gallerie, dem Kronprinzen, dahin ent-
ſchieden wurde, daß es bei der jetzigen Aufhängung zu ver-
bleiben habe. Nun gehöre ich zwar auch nicht zu Denen, welche
der Sammlung des moraliſchen Kunſt-Schmutzes in eigenen
Winkelcabinetten das Wort reden, weil dies noch verderblicher
wirkt; was aber getadelt werden muß, iſt der Umſtand, daß
man überhaupt ſolche lascive Darſtellungen und die Menge
anderer gleichen Werthes nicht in ihren Privatgallerien, wo ſie
weniger ſchädlich ſind, gelaſſen und ſie in die große öffentliche
Sammlung aufgenommen hat, wo ſie nun vor Jung und Alt,
Gebildet und Ungebildet paradiren und ſelbſtverſtändlich auch
von lüſternen Augen am meiſten geſucht werden. Wenn ich mir
dieſe vermeintlichen Kunſtwerke der Gemälde-Gallerie in Ver-
bindung mit der maſſenhaft in demſelben Gebäude aufgehäuften
claſſiſchen heidniſchen Kunſt mit ihren Nuditäten, ſowie die in
der Stadt ſelbſt ausgeſtellten Denkmäler und Bilder in Ver-
bindung mit dem heidniſch-ſinnlichen Geiſte der Berliner Be-
völkerung denke, dann werden mir viele Erſcheinnngen im ſitt-
lichen Leben dieſer Bevölkerung leicht erklärlich, insbeſondere
wenn Theater-Schauſpiele noch unabläſſig den letzten Reſt von
Schamgefühl zerſtören und der Sinnlichkeit concrete, verlockende
Geſtalt geben. Wo Alles ſinnliche, heidniſche Luſt athmet, muß
auch das Leben ſich ſo geſtalten und dem Ernſte des Chriſten-
thums nach und nach aller Boden ſchwinden.
An dieſe Gemälde-Gallerie ſchließt ſich in drei Sälen eine
aus 500,000 Nummern beſtehende Kupferſtichſammlung,
welche, nach Schule und Meiſtern geordnet, dem Beſucher ein
klares Bild der ganzen Kunſtgeſchichte vor Augen ſtellt.
Mit dieſem großen Muſeum in Verbindung ſtehend und
ſeine Schätze practiſch verwerthend, iſt endlich die Academie
der Künſte mit ihren Sammlungen und Kunſtſchulen zu nennen.
Sie iſt gebildet aus der eigentlichen Kunſt-Academie für die
Wiſſenſchaft der Künſte, ſodann aus einer Kunſtſchule für prac-
tiſche Künſtler und endlich aus der königlichen Muſikſchule.
Was den practiſchen und künſtleriſchen Werth dieſes großen
Jnſtitutes betrifft, ſo kann er bis jetzt noch uicht hoch ange-
ſchlagen werden, obgleich ſchon bedeutende Künſtler an ihm
gewirkt haben. Doch iſt die Regierung im Begriffe, auch ihm
eine der Reichshauptſtadt gebührende Bedeutung zu geben und
namhafte Künſtler zu berufen, ſowie mit reichen Geldmitteln
ihm unter die Arme zu greifen.
Entſchuldigen Sie, daß ich bei dem Kunſtleben Berlins
mich ſo lange aufgehalten habe. Es wird dieſes meines Er-
achtens zu wenig in der Beurtheilung Berlins in Betracht ge-
zogen und doch iſt es zur richtigen Auffaſſung ſeines geiſtigen
und ſittlichen Lebens von großer Bedeutung. (Kath. Bewegung.)

Blüthe wucherte, bis der große ,,Börſenkrach'' auch dafür ein
Wendepunkt geworden zu ſein ſcheint. ,,Durch jenes zerſtörende,
Alles, was früheren Zeiten werth war, ſpöttiſch negirende We-
ſen, ſind dieſe Poſſen ein echtes Zeichen unſerer Zeit und ſo
werden am Ende die Poſſen zu bitterem Ernſt. Soll die
Parodie nicht geradehin das parodirte Vorbild vernichten, ſo
muß ſie bei allem ſcheinbaren Uebermuth entweder einen wirk-
lich doch ſittlichen Ernſt bergen, wie bei Ariſtophanes, oder
ſie muß ſo grundgutmüthig ſein, wie die ehemaligen Wiener
Parodien des Leopoldſtädter Theaters ancien régiwme, um
1805 bis etwa 1825.' Noch weiter als Offenbach ging
dann der junge Strauß, der mit ſeinem ,,Carneval in Rom '
dasſelbe leiſtete was — ſagen wir es nur offen heraus —
der vielgefeierte Markart mit ſeinen ſieben Todſünden oder
ſeiner Peſt in Florenz als Maler darzuſtellen wagte. Das
geht Hand in Hand: hier die Muſik, dort die Farbe, jede
trägt gleich frech und unverſchämt auf. Das kann nur mit
dem wahren Ruin der Kunſt enden. ,,Unſere Sänger, welche
allabendlich die Blechmaſſen des modernſten Orcheſters über-
ſchreien müſſen, haben zu ſingen ſo gut wie verlernt, ob ſie je
ſpielen gekonnt, iſt vollends die Frage. Unſere Maler kennen
nur mehr die Virtuoſität der Farbe, es iſt ganz dasſelbe Spek-
takel; ob ſie noch zeichnen können iſt eine kaum mehr zu be-
jahende Frage. Augen, Ohren, und Geſchmack werden gleich-
mäßig verdorben. ,Sind wir einmal ſchon ſo weit, daß uns
Maſſenaufgebote halbnackter Figurantinnen für alles Andere,
für Geſang und Spiel, für Geiſt, Kunſt und Schönheit ent-
ſchädigen, ſo kann man das beſſere Kunſtwerk getroſt begraben . ..
Zwiſchen die Rieſenwirthſchaft unſerer modernen Rieſenopern,
welche mit Rieſenmitteln auf Rieſeneffekte losarbeiten, und die
Plattheiten, Kindereien und Frivolitäten der Operette einge-
klemmt, iſt es kein Wunder, wenn das Publikum am Ende
alles Urtheil, allen Kunſtgeſchmack verliert, bei Mozart gähnt,
bei Gluck einſchläft und ſogar am weiland vergötterten Roſſini
bemerkt, es ſei ihm mittlerweile ein recht artiger Zopf gewachſen.''
Die Wagnerianer laſſen bekanntlich Beethoven noch etwas gel-
ten, aber nur, wenn man ihn durch ihre Brille anſieht. Hat
uns ſelbſt ſo ein Wagner-Enthuſiaſt einmal unverholen ange-
ſchnaubt: ,,Beethoven allein hätte das Zeug gehabt etwas zu
werden, wenn er Wagner vor ſich gehabt hätte!'' Der arme
Beethoven! Darum flicken ſie ihm jetzt am Zeug, und ,,verbeſ-
ſern'' ihn nach ihrem hochnäſigen Belieben und ſtümpern hinein,
auch in die Ouverture zum. Egmont. Kein Wunder wenn Hr.
Ambros zornig losbricht (S. 188): ,,Man wird vielleicht künftig
von einer Wagneromania epidemica ſprechen, die in den
Jahren des Heiles 1868 bis ? — graſſirte, und eine die
Nerven überreizende, Nerven zerſtörende Eigenſchaft der Wagner'⸗
ſchen Muſik hat vor einigen Jahren ein Arzt in einem die Nerven-
krankheiten behandelnden Buche mit allem Ernſt behauptet. Viel-
leicht nicht ſo ganz mit Unrecht. Der echteſte Antipode davon
iſt Joſeph Haydn, den die Wagnerianer auch in der That wie
die Sünde haſſen und vielleicht noch mehr. Es gibt kaum
eine Muſik, die ſo nervenerfriſchend gleich einem ſonnigen Mai-
morgen wirkt, wie Joſeph Haydn's Muſik. Joſeph Haydn
aber iſt, wenn nicht der Vater, ſo doch der Großvater Schubert's.
Die neue Muſik fordert auch fabelhafte Jnſtrumente und noch
fabelhaftere Lungen für Bläſer und Sänger, wie die Baßcla-
rinetten mit den ,,Jchthyoſaurus-Rachen'' und jene Flöten ,,die
von Klappen alſo umkleidet ſind, daß ſie beinahe wie der be-
rühmte ,,Stock im Eiſen'' zu Wien ausſehen. Herr Ambros
wäre ſtatt den bei der Wiener Weltausſtellung ſo ungemein
freigebig ausgetheilten ,,Fortſchrittsmedaillen'' nnbedingt für
,Rückſchrittsmedaillen'' geweſen. ,,Wahrlich, man mag noch
ſo billig, noch ſo gerecht denken: wer die Muſik mit ihren un-
endlichen Schätzen nicht in Frage geſtellt, ja dem baaren Berderben

Die muſicaliſche Waſſerpeſt
Der berühmte Kunſtkritiker Ambros hat eine neue
Folge ,,Bunte Blätter'' erſcheinen laſſen. Darin bringt er
u. A. Folgendes über die gegenwärtig graſſirende muficaliſche
Waſſerpeſt: ,, Es gibt eine gewiſſe Pflanze, welche, wo ſie ſich
einmal eingeniſtet hat, unrettbar und unausrottbar alle reinen
Waſſerſpiegel, in denen ſich früher der Himmel und die Sterne
geſpiegelt, mit ihrem grünen Moder überzieht — man nennt
ſie die Waſſerpeſt.'' Damit wird ſehr treffend Offenbach's
frivoler Operettenſchwindel verglichen, welcher diesſeits des
Rheins leider eine Zeit lang auch am Volkstheater zu München
eingeriſſen war, dann aber beſonders noch zu Wien in üppigſter
 
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