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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0010
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ſich eine aus neunzig Tauſend Stück beſtehende Münzſamm-
lung, die alle Zeiten bis in die moderne hinein, umfaßt. Einen
gleich großen Werth hat die Sammlung antiker Metallarbeiten,
deren Kleinod bekanntlich der berühmte Hildesheimer Silber-
ſchatz iſt, und dreiundfünfzig Piecen enthält, die ganze Silber-
ausſtattung eines reichen römiſchen Trinkgelages von oft wun-
derbarer Schönheit. Auch die Sammlung von Miscellaneen
weiſt große Kunſtſchätze auf, unter andern etruskiſche Metall-
ſpiegel mit Zeichnungen und Gravirungen von ganz einziger
Schönheit.

London durch ſeine Sammlungen aſiatiſcher Kunſt allzeit unüber-
troffen bleiben: ein ſolches wohlgeorduetes, die Kunſt aller
Zeiten und Völker umfaſſende Enſemble, wie dies König Frie-
drich Wilhelm JJJ. hier zuſammengefügt hat, findet ſich meines
Wiſſens nirgends und deßwegen dürfte die nordiſche Spreeſtadt,
ſo ſonderbar dieſes auch Manchem lauten mag, die geeignetſte
ſein, um kunſtgeſchichtliche Studien zu machen. Andere Muſeen
mögen Künſtler und Meiſter erziehen, das Berliner fördert
die Wiſſenſchaft der Künſte.
Schon die äußere Ausſtattung des Baues, ein Meiſterwerk
Schinkel's im griechiſchen Styl, und geſchmückt mit ſeiner großen
Fronthalle mit den großen Frescobildern von Cornelius, ſowie
die wahrhaft großartige, prachtvolle innere Ausſtattung der
Räumlichkeiten, die in der Regel dem Volke und der Zeit ent-
ſpricht, deſſen Kunſtwerke darin zur Ausſtellung kommen, zeugt,
daß man den Werth der darin aufbewahrten Sammlungen
wohl zu ſchätzen wußte und vertritt ſomit oft in ſehr gelungener
Weiſe auch die Architectur der betreffenden Völker, ohne welche
in der Regel ihre geſammte übrige Kunſt nicht verſtändlich iſt.
Und wo dieſe Architectur nicht zum vollen Ausdrucke gelangen
konnte, da ergänzen oft ſehr naturgetreue Wandgemälde das
Fehlende und geben den aufgeſtellten Kunſtwerken erſt ihre
rechte Bedeutung, zaubern Leben und Bewegung in die todten
Geſtalten, denn ſie ſtehen, ſo zu ſagen, nun mitten in dem
Lande, das ſie erzeugt und deſſen Volksgeiſt, der vor allem in
den architectoniſchen Geſtaltungen zum Ausdruck gekommen,
lehrt uns ſie verſtehen. So wandelt der Beſchauer unter den
äghptiſchen Alterthümern, in ägyptiſchen Tempeln, Paläſten
und Grabkammern, unter den plaſtiſchen Geſtalten griechiſcher
Kunſt, in einer claſſiſch ſchönen griechiſchen Stadt und unter
den Werken römiſch-griechiſcher Kunſt glaubt man, ſich in die
prachtvollen römiſchen Kaiſerbäder mit ihren großen Hallen
und Kuppeln verſetzt, während die Gemäldeſammlungen in präch-
tigen Salons nach edlem Renaiſſanceſtyle untergebracht ſind.
Nur Eine Jnconvenienz läuft in dem Ganzen dieſes Complexes
von Bauten unter, daß nämlich das deutſche Nationalmuſeum
in einem griechiſchen Periſtylon untergebracht werden ſoll, und
kann nur damit entſchuldigt werden, daß man den Geſammt-
eindruck der ſämmtlichen im griechiſchen Style aufgeführten
Bauten nicht durch einen durchaus fremdartigen Styl ſtören
wollte. Die Verlegung dieſes deutſchen Muſeums an einen
anderen Platz hätte dieſem Uebelſtande abgeholfen
Um die reichhaltigen Sammlungen dieſes Muſeums nur
kurz zu erwähnen, ſo finden ſich daſelbſt ungefähr tauſend Ori-
ginalwerke aus dem Gebiete der griechiſch-römiſchen Plaſtik, in
welche ſich in trefflicher Auswahl eine Menge von Gypsab-
güſſen der beſten claſſiſchen Kunſtwerke anſchließen, ſo daß das
Studium der claſſiſchen Kunſt nur wenig zu wünſchen übrig
läßt. Jch geſtehe, ſelbſt in Rom und in den vaticaniſchen-ca-
pitoliniſchen Sammlungen, kaum einen beſſern Ueberblick er-
langt zu haben. An dieſe Sammluugen ſchließt ſich ein reiches
etruskiſch-römiſches Cabinet mit wahrhaft prachtvollen Werken
etruskiſcher Künſte, die nur in Rom ihres Gleichen finden. Auch
die ,erſt in neueſter Zeit wieder aufgefundene aſſyriſche Kunſt
findet in bedeutenden plaſtiſchen Werken ihre Vertretung. Ver-
hältnißmäßig ſchwach iſt die ſo reiche mittelalterliche plaftiſche
Kunſt vertreten, findet aber ihre Ergänzung in dem künftigen
Nationalmuſeum, ſowie in der Sammlung chriſtlicher Alter-
thümer in der Univerſität, während ſich im Muſeum ſelbſt noch
eine Sammlung deutſcher Alterthümer und der vaterländiſchen
Kleinkunſt befindet. Von nicht geringem Werthe iſt die aus
fünf Tauſend Originalen beſtehende Gemmen-Sammlung, die
durch eine vortreffliche Claſſificirung ſich auszeichnet und durch
Gypsabgüſſe der vorzüglichſten Gemmen in Paris, Wien, Lon-
don, Petersburg und Amſterdam ergänzt wird. An ſie reiht

Beſonders werthvoll und intereſſant iſt die in fünf Sälen
aufgeſtellte ſehr reiche ägyptiſche Sammlung an Götterbil-
dern, Mumien, Sarcophagen, Gräbern und Gegenftänden der
ägyptiſchen Kleinkunſt. Unterſtützt durch eine Fülle von Copien
ächt ägytiſcher Wandgemälde, geht das ganze religiöſe, politiſche
und bürgerliche Leben dieſes älteſten Culurvolkes bis faſt auf
das erſte Jahrtauſend der Menſchengeſchichte an unſeren Augen
vorüber, und ſteht dieſe vortreffliche, wohlgeordnete Sammlung
denen von Paris, London und Rom ganz ebenbürtig an der
Seite. Erwähnt ſei hier noch die ethnographiſche Sammlung,
welche in drei großen Sälen die verſchiedenſten Gegenſtände
des Kriegs- und Familienlebens aus allen fünf Welttheilen
verreinigt hat.
Ehe wir ſodann zum zweiten Theil des Muſeums, zur Ge-
mäldegallerie im obern Stock übergehen, ſei des großartig ange-
legten Treppenhauſes mit den berühmten 6 Kaulbach'ſchen
Wandgemälden, ihren Zwiſchenbildern und reichem Fries kurz
erwähnt. Dieſe Bilder, auf der einen Seite die Zerſtörung
des Thurmbaues zu Babel, Homer und die Griechen, ſowie
die Zerſtörung Jeruſalems, auf der andern die Hunnenſchlacht,
die Eroberung Jeruſalems und das Zeitalter der Reformation
darſtellend, mögen, insbeſondere was das letzte der genannten
Bilder betrifft, vor der hiſtoriſchen Kritik uicht beſtehen, vor
der Kunſtkritik jedoch erſcheinen ſie dem Beſchauer ſowohl nach
ihrer ideellen Auffaſſung nach Großartigkeit der Conception
und Compoſition, ſowie nach vollendeter Technik und Farben-
gebung hin betrachtet als großartige Meiſterwerke deutſcher
Kunſt und werden ihren wohlverdienten Rang behaupten. Was
nun die Gemäldegallerie ſelbſt betrifft, die in acht großen Sälen
untergebracht iſt, und welche durch die Gemäldeſammlungen in
der Academie der Künſte noch weſentlich, beſonders für die
vaterländiſche Kunſt, ſowie durch die Privatgallerien der Grafen
von Raczynski und von Redern ergänzt wird, ſo beſteht dieſelbe
aus nächſt 1500 größeren und kleineren Gemälden und zeichnet
ſich wiederum durch überſichtliche Ordnung und Claſſification
nach Zeiten, Völkern und Schulen aus, beginnt mit den Wer-
ken byzantiniſcher Kunſtrichtung, geht über zu den Meiſterwerken
der umbriſchen Schule, ſetzt ſich fort in einer Fülle von
Gemälden der italieniſchen Blüthezeit, ſowie der franzöſiſchen
Aeademiker, ſchließt hieran die deutſche Kunſtrichtung und endigt
mit dem Verfall der Kunſt in der ſpaniſchen, holländiſchen und
franzöſiſchen Schule. Die Fülle des Stoffes geſtattet mir nicht,
auf einzelne Werke einzugehen, meines Erachtens jedoch enthält
die niederländiſch-deutſche Schule die vorzüglichſten Meiſterwerke
der ganzen Gallerie und ſind die Werke Jan van Eycks, Rogiers
von der Weide und ihrer Schüler die Perlen der ganzen Samm-
lung, obſchon auch einzelne Meiſterwerke der italieniſchen Schule
zu den beſten gehören, was noch vorhanden iſt. Ob aber alle
die Namen der Meiſter, denen im Cataloge alle einzelnen Bilder
ausnahmslos zugeſchrieben worden, richtig ſind, und ob nicht
ſehr viele Taufen in demſelben ſtattgefunden haben, laſſe ic
dahingeſtellt. Mir wenigſtens will es ſo bedünken. Was mir
jedoch in dieſer Gallerie zum beſondern Aergerniſſe gereichte und
ſie jedem ſittlich reinen Gemüthe verleiden muß, das ſind die
vielen anſtößigen, lasciven, oft ganz obſeönen Bilder, die in
 
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