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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0001
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iunſtblätter.

Chriſtliche

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 140.

Domine dilexi decorem domus tuao. Ps. 25, 8.

1874.

ſeonardo da Vinci.

(Schluß.)

Herzogs von Litta, deren Original ſich jetzt in der Eremitage
zu Petersburg befindet.
Als 1499 die Franzoſen der Herrſchaft des Lodovico Sforza
ein Ende gemacht hatten, kehrte Leonardo in ſeine Vaterſtadt
zurück. Sein dortiger Aufenthalt umfaßt mehrere Jahre künſt-
leriſchen Schaffens. Hier entſtand zunächſt der berühmte Karton
der heil. Anna, jetzt in der Akademie zu London, eine wunder-
volle Scene ſtillen, ſüßen Familienglücks. Zur Ausführung
des Bildes ſollte es leider nicht kommen; den Künſtler be-
ſchäftigten wieder ſeltſame techniſche Pläne. Wir ſehen ihn
jetzt in den Dienſten des Ceſare Borgia, als deſſen General-
Jngenieur er die Feſtungen der Romagna inſpicirte. Das
Jahr 1503 brachte ihn nach Florenz zurück; hier harrte ſeiner
ein ehrenvoller Auftrag die künſtleriſche Ausſchmückung des
großen Saales des Palazzo Vecchio. Zwiſchen 1503 und 1504
arbeitete er zu dieſem Zwecke den großen Karton der Schlacht
von Anhiari aus, der in der damaligen Zeit einen Sturm der
Bewunderung hervorrief. Ob die Ausführung wiederum durch
die Schuld des Meiſters unterblieb, können wir nicht mit Be-
ſtimmtheit ſagen, jedenfalls kränkte ihn tief, daß man kurz
nachher Michel Angelo zu einer ähnlichen Arbeit aufforderte,
und dieſer gegen ihn, den Landsmann, in die Schranken trat.
Beide Compoſitionen, die übrigens gleiches Schickſal theilten
keines der Werke iſt auf unſere Zeit gekommen — wurden
öffentlich ausgeſtellt und zogen Schaaren von jungen Künſt-
lern, unter ihnen auch Raphael, zum Studium und zur Be-
wunderung heran. Von jenem Zeitpunkte darf man mit Recht
die neue Aera der Malerei datiren. Eine Jdee von Leonardo's
Karton gibt uns eine Zeichnung, die Rubens nach demſelben
anfertigte und die von Edelingk geſtochen worden iſt. Es ſind
vier Reiter, die in heftigem Kampfe um eine Standarte ſtreiten.
Jn der Darſtellung dieſes verzweifelten Ringens erreicht die
Kühnheit in der Bewegung und der Ausdruck der entfeſſelten
Leidenſchaft die äußerſten Schranken, welche der bildenden Kunſt
gezogen ſind, ohne dieſelben jedoch zu überſchreiten.
Dieſelbe großartige Auffaſſung von dem Streben und dem
Endzwecke der Kunſt ſpiegelt ein ianderes Werk dieſe Epoche
wieder, das im Louvre aufbewahrte Portrait der Gattin des
Florentiners Giocordo, der ſogenannten Mona (Madonna)

Freilich Leonardo legte ſelbſt den Grund zu allem Mißgeſchick.
Der ſkizzenhafte breite Farbenton der Freskomalerei entſprach
nicht der Jdee, die ihm als Jedeal des zu ſchaffenden Werkes
vorſchwebte; um es im dem ganzen Glanze der Farbenpracht
ſtrahlen zu laſſen, wählte er die Oelfarbe und trug dieſe auf
die mangelhaft beſchaffene Wand des Kloſterſaales auf. Glück-
licherweiſe ſind uns die Originalkartons der Köpfe erhalten, der
Chriſtus in der Galerie der Brera und die Apoſtel in der
großherzoglichen Sammlung in Weimar. Sie und Raphael
Morghens trefflicher Stich laſſen uns ahnen, welch' ein Werk
wir verloren haben.
Zur äſthetiſchen Würdigung des Bildes läßt ſich dem, was
Göihe (Werke, Bd. 39) geſagt, uur weniges hinzufügen. Un-
erreichbar iſt der Rythmus der Compoſition. Die Gruppirung
der Jünger — je drei und drei zu beiden Seiten des Heilands
— weiſt dieſer inmitten der aufgeregten Leidenſchaft in Hoheit
und Milde ſtrahlenden Geſtalt eine dominirende Stellung an,
wie ſie nur die Meiſterhand eines hochbegnadeten Künſtlers zu
ſchaffen im Stande war. Es gibt ein einfaches Experiment,
uns von der bewundernswerthen Technik dieſer Compoſition zu
überzeugen. Man nehme Morghen's Stich und bedecke die
Köpfe; die ausgeprägte Phyſiognomik der Hände wird uns ſo-
fort verrrathen, welche Leidenſchaft jeder einzelner Kopf, und
welches Stadium dieſer Leidenſchaft er ausgedrückt.
Aus der Zeit ſeines Mailänder Aufenthaltes ſtammen noch
einige andere Bilder Leonardo's, meiſtens Portraits. Unter
dieſen ſind zu erwähnen das Bild des Galeazzo Sforza und
das ſeiner Gemahlin Jſabella von Arragonien beide jetzt in der
Sammlung der Ambroſiana. Letzteres, noch im Charakter der alten
Schule im Profil aufgefaßt, zeichnet ſich durch die leichte, feine
Modellation der Hand aus. Hierhin gehört auch das im Louvre
befindliche, dort als ,,belle ferrionière'' bezeichnete Bildniß
der Lucrezia Grivelli, einer Geliebten des Lodovico, das uns
durch den ſeelenvollen Ausdruck des großen dunkeln Auges eigen-
thümlich poetiſch anmuthet.
Jn die Mailänder Zeit fällt ebenfalls die Madonna des
 
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