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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0021
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 145.

Domine iloxi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1874.

I. Aeber die Kirchenmufik.
(Fortſetzung.)

unſere Frage hingeſtellte Satz zur Geltung: Was immer dazu
dient, das Menſchenherz zu Gott zu erheben, kann beim Gottes-
dienſte angewendet werden. — ,,Laus vocalis ad hoe neces-
saria est, ut affectus hominis provocetur in Deum. Et
ideo quaecunque ad hoc utilia esse possunt, in divinas
laudes congruenter assumuntur.'' (l. e.) Das aber leiſtet
auch ein richtig und mäßig mit Jnſtrumenten begleiteter Geſang.
Der hl. Tomas iſt eben ein Gegner der Jnſtrumente, wie er
ſie hörte. (Vergl. Stimmen aus Maria Laach. Jahr 1873.
S. 575). Wir übergehen nun die übrigen Gegner und wenden
uns zu den Vertheidigern der Jnſtrumentalmuſik.
Von den vortridentiniſchen Theologen, welche Be-
nedikt anführt, eröffnet den Reigen der berühmte Biſchof von
Chartres, Johann v. Salisbury († um 1181). Jn ſeinem
Werke: Polyeraticus (lib. J. e. 6) ſagt er: ,,Die hl. Väter
hegten die Anſicht, daß man, um die Sitten zu bilden und
um die Herzen durch Ehrenpreis der Tugend zum Dienſte Gottes
hinzulenken, nicht nur den Geſang von menſchlichen Stimmen,
ſondern auch den Klang der Jnſtrumente zur Ehre Gottes ge-
brauchen dürfe, da dieſe die Ehrfurcht vor dem Tempel befördern.''
Hören wir auch noch den hl. Antoninus († 1459), Erzbi-
ſchof von Florenz und einer der glänzendſten Sterne am Himmel
der kirchlichen Wiſſenſchaft. Er ſchreibt: ,,Der Oantus frmus
iſt nun von den hl. Lehrern, wie von Gregor d. Gr. und
Ambroſius und Andern, beim Gottesdienſte eingeführt worden.
Wer aber den Discantus dabei in Aufnahme brachte, weiß ich
nicht. Es ſcheint, als diente derſelbe mehr zum Ohrenkitzel,
als zur Andacht, wiewohl ein frommes Gemüth auch daraus,
wenn es ihn vernimmt, Frucht ziehen wird. . ... Aber auch
das Spiel der Orgel und anderer Jnſtrumente hat ſeit David,
dem Propheten begonnen, ſeine Wirkſamkeit auf das Lob Gottes
zu äußern. Derſelbe David beſtellte nicht blos Sänger für den
Dienſt im Tempel oder in der Stiftshütte, ſondern ſpielte auch
ſelbſt vor der Bundeslade auf der Harfe oder auf andern Jn-
ſtrumenten. Das Spielen der Orgel und anderer Jnſtrumente
zum Lobe Gottes iſt alſo nicht verboten, und diejenigen, welche
es thun, empfangen mit Recht dafür einen Lohn.'' So der
hl. Antoninus.
Verlaſſen wir aber die vortridentiniſchen Theologen, und

Auch mit den Orgeln wurde es coloſſal getrieben, daß faſt
unglaublich erſcheint, was die Chroniſten darüber ſchreiben.
So gab es ſchon im 10. Jahrhundert in England eine Orgel,
welche nach Beſchreibung des Mönchs Wolſtan (c. 980) nicht
weniger als 400 Pfeifen und 26 Blasbälge hatte, an denen
70 ſtarke Männer aus Leibeskräften ziehen mußten: ,,multo
et sudore wmadentes. Zwei Organiſten ſpielten oder, richtiger
geſagt, ſchlugen die Orgel, und das Ungethüm brüllte derart,
daß ſich die Leute die Ohren zuſtopfen mußten. Auch von der
Orgel, die der Kaiſer Konſtantin Michael Karl d. Gr. ver-
ehrte, der ſie in der Kirche von Aachen aufſtellen ließ, ſagt
der Mönch von St. Gallen, ſie habe den Donner iu ihren
großen Pfeifen, in ihren kleinen die Geſchwätzigkeit der Lyra
oder den ſüßen Ton einer Cymbel.
Als zweiten Gegner führt uns Benedikt den hl. Thomas
vor, den Fürſten der Theologen. Von ihm ſagt jedoch der
gelehrte Papſt, er ſcheine gegen die Jnſtrumentalmuſik nicht
günſtig geſtimmt zu ſein, weil in jenen Kirchen, welche dem
hl. Lehrer bekannt waren, keine Jnſtrumente im Gebrauche ge-
weſen ſeien. Jedoch ſei dem, wie ihm wolle. Wir müſſen auf
den eigentlichen Grund ſchauen, den der hl. Thomas gegen die
Jnſtrumentalmuſik geltend macht. Welcher iſt dieſer? Als
Hauptgrund gibt er an, daß die Jnſtrumente mehr ſinnlich er-
götzen als geiſtig erbauen: ,,hujusmodi musiea instruwmenta
(siouti eytbaras et psalteria) magis movere delectationem
quam interius disponere ad pietatem 2. 2. qu. 81. art.
2). Und in der That, dies Argument bleibt im Princip immer
zu Recht und in Kraft. Wenn die Jnſtrumentalmuſik wirklich
auf Koſten des höheren, geiſtigen Elementes das niedere, ſinn-
liche nach außen kehrt, es überwiegend und allein anſpricht, dann
gehört ſie heutzutage ebenſowenig in die Kirche, als zu des
engliſchen Lehrers Zeiten. Das iſt unbeſtreitbar wahr. Allein
ebenſo wahr ſcheint es zu ſein, daß, wenn ſich die Jnſtrumental-
muſik über dieſe grobſinnlichen Wirkungen erhebt das Argu-
ment des hl. Thomas keine Schneide mehr gegen ſie hat. Viel-
mehr kommt dann der von demſelben Lehrer als Norm für
 
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