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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0025
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 146.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1874.

. Bur Freiburger Thorfrage.

hiſtoriſche Denkmale, welche das Auge und das Gemüth
zugleich beſchäftigen. Welch' edle Nahrung bietet unſerm Auge
und Gemüthe der Anblick des Freiburger Münſters! Werden
wir nicht dadurch mitten in die mittelalterlichen nach dem
Himmel gerichteten Anſchauungen, mitten in das tiefe Weſen
der mittelalterlichen Kunſt verſetzt? —
Eine Wirkung anderer Art erzeugen in uns die beiden
Thürme des Ober- und Unterthores, die älteſten der Stadt,
welche an jene feſte Sicherheit und kriegeriſche Tüchtigkeit er-
innern, wodurch in ſehr ſchweren Zeiten innerhalb der ſtäd-
tiſchen Mauern der Handel, die Gewerbe und Künſte, die
urbane Wohlfahrt, Freiheit, Sitte und Bildung möglich ge-
worden.

*8* Audiatur et altera pars. Der Oberrheiniſche Courier
brachte ſchon wiederholt Artikel, worin ſehr lebhaft für die
Wegräumung der alten Stadtthore zu Freiburg geſprochen
wird. Dieſe Artikel heben dabei beſonders die Zweckmäßig-
keits-Frage hervor; die Sache hat aber noch drei andere
Seiten, eine hiſtoriſche, äſthetiſche und architectoniſche,
welche wohl auch einige Beachtung und Ueberlegung verdienen.
Freiburg iſt eine Stadt, welche ihre achthalb Jahrhun-
derte auf dem Rücken hat, was dieſelbe ſchon berechtigen dürfte,
einige Zeugen dieſes Alters auch für die Zukunft aufzube-
wahren, um ſo mehr, als die Anzahl der noch vorhandenen
Documente ſolcher Art ſich auf nur viere beſchränkt, auf
das Münſter, das Kaufhaus, das Martins- und Schwabenthor.
Was nun die beiden Thorthürme betrifft, ſo ſind
dieſelben von zehn ſolcher Bauten, welche die Stadt zur Zeit
ihrer größten Ausdehnung während des Mittelalters (etwa um's
Jahr 1580) beſaß, allein noch übrig. Sie ſtammen aus
der ſtädtiſchen Blüthezeit (von 1260 bis 1360 ungefähr) und
verdienten daher wohl, erhalten zu bleiben als Erinnerungs-
zeichen an die Tage, wo ſich das geſunde Jugendleben der
Bürgerſchaft durch gewaltige Hinderniſſe ſeine Bahn brach und
im Vereine mit befreundeten Nachbarſtädten eine bürgerliche
Freiheit errang, wie ſie ſpäter nie wieder erreicht worden.
Jn unſeren Zeiten des ,,Culturkampfes'' ſollte man nicht
vergeſſen, daß ſich alle Cultur auf Ueberlieferungen
gründet. Wie kann ein Zeitalter ſo blind in ſich ſelber ver-
liebt ſein, um nicht mehr zu ſehen, was es der Vergangen-
heit ſchuldig ſei!
Mögen die Heißſporne der Neuzeit wähnen, die Brücke
hinter ſich abbrechen zu dürfen, um in rückſichtsloſer Gering-
ſchätzung des Ueberlieferten ganz und gar Alles neu zu machen;
vernünftige Leute wiſſen recht gut, was der hiſtoriſche Sinn
in einer Bevölkerung bedeute, und wie nichts verſäumt werden
ſollte, denſelben unter den Bürgern einer Stadt möglichſt zu
pflegen.
Dieſer Sinn aber wird nicht allein genährt durch die
Leetüre, ſondern ebenſoſehr und oft eindringlicher noch durch

Aber auch in anderer Weiſe noch ſind dieſe Thorthürme
bemerkenswerthe ſtädtiſche Denkmäler. Das geſegnete
Breisgau zog ſeit den älteſten Zeiten vom Schwarzwalde und
aus Schwaben viele Leute herbei, welche daſelbſt ihre Wagen
mit Getreide und Wein beluden und ſofort munter zurück
nach der Heimath kehrten. Zumal war der Breisgauer Reben-
ſaft geſucht und die Weinfuhren, welche vom Kaiſerſtuhle
aus dem breisgauiſchen Oberlande und aus dem Schnecken-
ländlein kamen, mußten alle des Zolles wegen das obere oder
Schwabenthor paſſieren. Um nun den Verkehr in dieſem
für Stadt und Land ſo wichtigen Handelszweige zu verſinn-
bildlichen, ließ der Magiſtrat auf die innere Seite des
Thores das Gemälde mit dem ſtattlichen Schwabenwirthe und
ſeiner ſtolzen Weinfuhr anbringen.
Wieder andere Erinnernngen aus der Geſchichte Freiburgs
erweckt das untere oder Martinsthor. Auf der Jnnenſeite
deſſelben iſt das Bild des heiligen Martin, wie er einem
nackten Armen ein Stück von ſeinem Mantel hinreicht, eine
ſtete Mahnung zur chriſtlichen Mildthätigkeit für die Reichen
der Stadt geweſen, deren hartes Herz einſt der heilige Bern-
hard ſo ſcharf zu tadeln hatte, als er im dortigen Münſter
das Kreuz gepredigt.
Eine ſolche Mahnung blieb in der gemüthlichen Berthold-
Stadt auch nicht ohne die erfreulichſten Früchte. Denn kaum
ein Gemeinweſen auf weithin dürfte ſo viele und ſchöne milde
Stiftungen aller Art beſitzen, wie unſer Freiburg; dieſelben
 
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