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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Band JJ. Nr. 19.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1883.

Der Choralgeſang des Prieſters am Altare.
Eine einfache kirchenmuſikaliſche Studie aus
der Praxis.

Andacht, die aus dem Munde des Celebranten ausſtrömt,
zündet hinüber in die Herzen der Sänger und ruft eine
ernſte und gehobene Stimmung wach. Dieſes gegenſeitige
Anfachen der Flamme heiliger Begeiſterung und Rührung
verleiht dem Kirchengeſang jene unbeſchreibliche Wirkung auf
das Gemüth, jenen Verklärungsglanz, der als ein über-
irdiſcher erſcheint.
Von der hohen Wirkung und Bedeutung des Geſanges
am Altare überzeugt, hat die Kirche zu allen Zeiten darauf
gedrungen, daß derſelbe in möglichſter Correctheit und
Würde gepflegt und vorgetragen werde; ſo das Concil von
Toledo, Can. 6. Das Concil von Trient, Seſſ. 23, Can.
28, de reform. wiederholt die Mahnung: Den Geſang in
Seminarien und ähnlichen Anſtalten zu lehren und zu
pflegen. Dasſelbe verlangen viele Provinzial-Concilien
(das von Rom 1725, von Baltimore 1837, das von Köln
1860 u. ſ. w.) und Erlaſſe von Biſchöfen.
Der Anforderung eines würdigen Choralgeſanges dürfte
von Seite des Prieſters auch am eheſten entſprochen werden
können. Die Broſchüre ,,Choral und Liturgie'' von einem
Pater des Kloſters Beuron ſagt: ,,Um ordentlich Choral
zu ſingen, iſt nothwendig Stimme und Muſikgehör — einige
muſikaliſche Kenntniſſe; um gut zu ſingen, Verſtändniß
der lateiniſchen Sprache; um vollkommen zu ſingen,
Heiligkeit!''
Bezüglich der erſten Anforderungen hat der Geiſtliche
vor andern nichts voraus. Stimme und Tongehör ſind
Anlagen, die man ſich ſelbſt zwar nicht geben, aber doch
ausbilden kann. (Bekanntlich behauptete auch der große
Seb. Bach, daß nur äußerſt wenige Menſchen kein muſi-
kaliſches Gehör haben.) Bei guter Anlage ſollte die For-
derung nicht überſpannt ſein, während 10— 12 Studien-
jahren ſich im Geſange ſo auszubilden, daß man den Choral
fertig ſingen kann Auch ein mangelhaftes Gehör, von
Jugend auf geübt, läßt ſich ſoweit perfectioniren, um den
(techniſch) leichten diatoniſchen Choral erträglich ſingen zu
können.
Der zweiten Anforderung ſollte bei dem Kleriker voll-
kommen entſprochen ſein und auch einigermaßen der dritten,

Dieſer Geſang iſt der wichtigſte Theil in dem litur-
giſchen Gottesdienſte. Wie der Prieſter dem Altare am
nächſten iſt und nur er als Stellvertreter und Bevoll-
mächtigter des ewigen Hohenprieſters die heilige Handlung
vollzieht und auch in erſter Linie an den Früchten des
hl. Opfers theilnimmt, ſo muß auch ſein Geſang in vor-
züglichem Maße jene Eigenſchaft an ſich tragen, welche den
Kirchengeſang zieren. Er muß der würdige Ausdruck der
heiligen Empfindungen ſein, die in dem Herzen desjenigen
erwachen, der, mit der höchſten Vollmacht und Würde
geziert, die heilige Handlung vollzieht und zuerſt an der
Quelle der göttlichen Liebe, die er verwaltet, trinkt. Wenn
die heilige Opferfeier ein Drama genannt wird, ſo iſt der
Prieſter als Stellvertreter Chriſti, der den Kampf auf
Golgatha gekämpft, der Held desſelben, um deſſen Aktion
ſich die des Chores dreht. Als der erſte Träger der heili-
gen Handlung iſt er der einzige Soloſänger in der Kirche,
und nur auf ſeine Einladung (Jntonation) folgt ihm der
Chor, welcher das Volk repräſentirt; ſein Geſang iſt der
Funke heiliger Andacht, der in den Chor übergeht und ihn
entflammt, in das Lob des Prieſters begeiſtert einzuſtimmen.
Bei dieſer ſo hervorragenden Stellung des Celebranten iſt
es auch erklärlich, daß aller Augen und Ohren auf ihn
gerichtet ſind, und daß ſein Geſang, ſowohl in Rückſicht
der hl. Handlung als der Erbauung des Volkes, von der
höchſten Bedeutung iſt.
Nichts iſt mehr geeignet, die Ehrfurcht vor der hl.
Handlung zu bewahren, als ein würdiger Geſang des Prie-
ſters am Altare, und auch nichts ſo geeignet, Störung und
Geringſchätzung zu veranlaſſen, als wenn der Geſang zur
Carricatur herabſinkt. Die Wirkung des vollendetſten Chor-
geſanges wird beſchädigt, wenn der Geſang am Altare nicht
in gleichem, oder noch erhöhtem Maße Ehrfurcht gebietet.
Selbſt auf das Gelingen des Chorgeſanges hat der Altar-
geſang ſeinen großen Einfluß. Die heilige Flamme der
 
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