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Das aufsteigende Gefühl innerlicher Verschiedenheit stärker zweifelnd aus-
zudrücken, wäre mir beim damaligen Stand der Sache und meiner Kenntniß
von ihr mehr als dreist erschienen. H. v. Blomberg.

Literatur.
Der bildliche Schmuck auf den Grabsteinen alter und neuer Zeit. Ein Vortrag von
vr. C. Friedrichs, a. o. Prof, an der Universität zu Berlin. Hamburg. Agentur
des Rauhen Hauses.
Seit dem Erscheinen des Synodal-Bortrags über den evangelischen Kirchhof und seinen
Schmuck im christlichen Knnstblatte (1862, Nr. 6) hat sich Theorie und Praxis in erfreulicher
Weise der ästhetischen Seite unserer Grabstätten zugewandt. Noch ist aber viel zu thnn, um
bessere Erkenntnis) und Hebung in die christlichen Gemeinden zu Stadt und Land zu pflanzen.
Dankbar begrüßen wir die Mithilfe von so berufener Seite, wie sie uns in obigem Vortrage
entgegentritt ans der Metropole deutscher Intelligenz — und Unkirchlichkeit.
Nach einem kurzen, aber gehaltvollen Blick auf die altgriechischen, etruskischen und römischen
Grabdenkmale, in denen sich ebenso viel rein menschliche Innigkeit als Trostlosigkeit ausznsprechen
wußte, geht der Redner ans die tief bedeutsamen Lebens- und Hofsnnngsbilver der altchristlichen
Gräbersymbolik über. Dann berührt er die noch sinnige Allegorik des Mittelalters, die im Se-
baldnsgrab zn Nürnberg einen so vorzüglichen Gipfelpunkt erreichte, um sofort zu zeigen, wie
seit dem 16. Jahrhundert die Allegorie sich vielfach ihres christlichen Charakters entkleidete und
unter den Händen innerlich leerer Effekthascher unverständlich, unschön ja grauenhaft wurde, zu-
mal in dem häßlichen Knochen- und Sensenmann. Dahin gehört der ganze übrige heidnische
Apparat, den man auf unfern Kirchhöfen noch immer erneuert: die Mohntöpfc, das Symbol des
dumpfen Schlafes, die Schmetterlinge, die nur dem heidnischen Unsterblichkeitsglanben ent-
sprechen, der Genius mit der gesenkten Fackel, sogar an Kreuzen angebracht, die dummen Urnen
sammt der heidnisch sprechenden Inschrift „Sanft ruhe deine Asche," dis doch nur für die Leicheu-
Verbrennnng einen Sinn hatte. Außerdem die abgebrochenen Säulen und andere frostige Allegorien.
Mit Recht bemerkt der Redner, wie doch in der neuen Weltzeit die Kunst bei Weitem nicht
so tief in's Volk reicht, und wie der neue Aufschwung deutscher Kunst sich ans die Häuser und
Gräber der Mittlern oder gar untern Classen gar nicht erstreckt; welche Armnth an Kunst und
Geist sich auch da findet, wo die Mittel zn Besserem vorhanden wären; welche Aufgaben der
Knust, und welche Ideen dem Leben zugeführt werden könnten, mehr noch als durch den reichsten
Schmuck an den Häusern, wenn auf den Gräbern eine einfache bescheidene Kunst erblühte, und
statt daß jedes Grab monoton nur mit dem Kreuze sich schmückt, derselbe Gedanke auch auf andre,
mehr künstlerische Weise ausgedrückt würde.
Auf die Frage, von welcher Art der bildnerische Schmuck sein müßte, antwortet der Redner
folgendermaßen. Alle spezifisch heidnischen Gedanken und Vorstellungen sollen ferne bleiben, aber
nicht die von Heiden erfundenen Symbole, die allezeit schön und sinnig sind. So ist die Dar-
stellung von Gatte und Gattin mit ineinandergeschlungen Händen auch von Ranch auf Niebubrs
Grab in Bonn gesetzt. Der Löwe, das Sinnbild tapfrer Krieger, schmückt Scharnhorsts Grab
in Berlin. Gleichfalls ist die Gestalt der leicht Schlummernden im Grabmal der Königin Luise
zu Charlottenburg herrlich und trefflich ansgesührt. Auch trauernde Familiengruppen und An-
deutungen der Thätigkeit des Verstorbenen (z. B. das schöne Denkmal der Familie Pilger zn
Heilbronn am Neckar) lassen sich heidnischer Kunst nachbilden, nur muß der christliche Grundge-
danke durchblicken und darf — überhaupt nicht eigentlich antikisirt werden weder in Form noch
Inhalt.
Mit allem Fug spricht auch Herr vr. Friedrichs für Wiederbenützung der edeln, einfachen,
sinnigen altchristlichen Grabsymbole, ganz besonders aber der heiligen Geschichte, z. B. wie Thomas
seine Finger in die Seite des Anferstandenen legt; die Begegnung Christi mit Maria, Lazarus
Schwester, auf dem Grabstein einer Frau von P. Bischer. Endlich weist der Redner auf einen
Mann hin, der auch für Grabsteine die sinnigsten Entwürfe liefern könnte, ja in seinen köstlichen
Kirchhofbildern bereits dem Relief in Thon oder Marmor in die Hände geliefert hat:
Ludwig Richter. — H. Merz.
Den Ausfall einer bildlichen Illustration in dieser Nummer gedenkt
die Redaction später nachzüholen. G.

Verantwortliche Nedaction und Vertag von Ebner L Seubcrt in Stuttgart.
Schnellpressendruck von Aug. Wörner, vormals I. G. Sprandel, daselbst.
 
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