Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
50

seren Tagen, worin die Kunstpflege sich überwiegend einer trockenen Zeitgeschichte
und der Wiedergabe des ordinären und gemeinen Lebens zuwendet, einer der
Wenigen, welche seit dem Hingange von Cornelius und Schnorr der höchsten
Aufgabe ihres Talents treu bleiben und zur Erbauung und Erquickung Aller, die
den Glauben an eine christliche Kunst noch nicht verloren haben, ihr Charisma
immer auf's Neue bekunden. Ties erweist sich uns eben an Führich's Psalter.
Derselbe hat 24 Psalmen durch Zeichnungen, vier davon je auf zwei Blättern,
veranschaulicht und überdem zur Einleitung des ganzen Unternehmens zwei Dar-
stellungen geliefert, wovon die eine den harfenspielenden Engel auf dem Adler sich
vom Rauchaltar zwischen den Tafeln des Gesetzes und der Rolle des Evangeliums
emporschwingen, die andere den König David am gelüfteten Vorhang in's Aller-
heiligste aus der Hand des vor ihm knieeuden Assaph eine Psalmschrift hinnehmen
läßt. Es begreift sich, daß der Künstler mit Vorliebe sich den Messianischen Psal-
men widmet. Er wählt aber auch den großen Bußpsalm (51), den Hirsch am
Wasserbrunnen (42), die herrliche Naturscene des Sonnenaufgangs (104) u. a. m.
Zum Erhebendsten ist immer zu rechnen, wenn das Bild neutestamentlicher Geschichten
aus dem Rahmen alttestamentlicher Strophen sich entfaltet. Wir weisen zunächst auf
den 41. Psalm mit dem Mannalesen, auf den 72. mit dem Zug der heiligen drei
Könige gen Bethlehem, auf den 80. mit der Vision des Paulus und dem Gefäng-
niß des Petrus hin. Diese Neigung und Gabe Führich's, das Christliche im Vor-
christlichen wahrzuuehmen, erinnert uns an den Wittenberger Reformator, der schon
vor dem Jahre seiner Reformation sein theologisches Lehramt eben mit der Erklärung
des Psalters begann und indem er die Hymnen Davids und Assaphs auslegte, das
ganze Christenthum und die Glaubensgerechtigkeit hineinzulegen verstand.
Es ist freilich für uns Protestanten zu bedauern, daß diese Bilder einer
Uebersetzung der Bibel beigegeben sind, welche zwar gewiß das Verdienst des Fleißes
und der Deutlichkeit hat, aber mit dem Psalter unseres Luther an Schwung und
Tiefe, au Kraft und Wohllaut nicht von ferne zu vergleichen ist. Ein einigermaßen
störender weiterer Umstand ist, daß die Zählung der Allioli'schen Psalmen der Vul-
gata nicht dem Urtexte folgt, welchen Luther wiederhergestellt hat. Für Viele mag
auch die spezifisch mittelalterliche Auffassung der christlichen Thatsachen, Lehren und
Gebräuche anstößig sein, sofern z. B. in der lieblichen und lebensvollen Komposition
des Mannalesens der Regen der Gottesgabe aus den Wolken fällt, über welchen
zwischen Cherubim in der Monstranz die geweihte Hostie schwebt, oder wenn die
Aufforderung zum Lobe Gottes im letzten Psalm durch eine Procession von Mönchen
bethütigt wird, und Aehnliches mehr. Aber diese confessionellen Züge sind mit einer
solchen Unbefangenheit behandelt, und das Ganze ist so von dem Hauche frommer
Andacht durchweht, daß es dem offenen und billigen Sinne nicht schwer fällt, sich
in den schönen Bildern zurechtzufinden und das Aechte, Reine, Innerliche der Gottes-
furcht und des Christenglaubens, welches den Aufrichtigen in allen Bekenntnissen
gemeinsam ist, herauszufühleu.
Wir erwähnen zum Schluffe, daß der Holzschnitt Oertels mit gewohnter
Meisterschaft sich der Linienführung des Originals anschließt und den Charakter dec
Zeichnung bis in ihre zärteren Partien verfolgt. G.
 
Annotationen