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Dekrolog. Am 24. Juni 1873 starb in München Georg Friedrich Ziebland, einer der
hervorragendsten Architekten der neueren Zeit. Geboren zu Regensburg am 7. Februar 1800,
Protestant nnd auf der Münchener Akademie besonders unter Fischer gebildet, war er iin Auf-
trage des Königs Ludwig I. von Bayern Erbauer der Basilika des heil. Bonifacius mit dem
dazu gehörigen Kloster nnd vollendete später die von Ohlmüller entworfene und begonnene
gothische Kirche in der Vorstadt Au zu München. Auch an dein Wiederaufbau der Wartburg
ist er bethciligt gewesen.
Am 26. Mai l873 starb in Barbison bei Fontainebleau der in England zu Hercsord ge-
borene und unter Telaroche in Paris gebildete Historienmaler Charles Lucy. Er brachte
sein Alter auf 59 Jahre. Sein bekanntestes Bild, welchem 1843 ein Preis znerkannt wurde,
stellt den Proteetvr Cromwell mit seiner Familie nnd andern berühmten Persönlichkeiten dar,
wie sie an einem Sonntag Nachmittage dem Orgelspielc Milton's in Hampton-Court Palace
lauschen.
Alterthümer. In den Niederlassungen der Nestorianischen Thomaschristen im südlichen In-
dien, welche bei der ersten Entdeckung durch die Portugiesen gegen 1500 Kirchen nnd etwa
200,000 Seelen zählten, hat man an den Wänden der Kirchen uralte steinerne Kreuze mit In-
schriften gefunden, unter welchen sich eines besonders anszeichnct, worüber ein hoher englischer
Beamter in der Madras-Präsidentschaft, A. C. Bnrnell, geschrieben nnd in der A. A. Zeitung
Professor Martin Haug zu München berichtet hat. Die Inschrift ist die persische Pehlcwischrift
in demjenigen Charakter, der sich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts zu entwickeln be-
gann; sie läuft nm das Kreuz herum und ist durch ein kleines Kreuz in zwei Theile gethcilt,
ausgezeichnet erhalten und vollkommen leserlich. Sie enthält vierzehn selbstständige Wörter,
wovon ans die eine Hälfte neun, auf die andere vier kommen. Die Uebersctzung Hang's lautet:
„Wer an den Messias glaubt nnd an Gott in der Höhe nnd auch an den heiligen Geist, der
ist in der Gnade dessen, der den Krenzesschmerz getragen hat." Diese Inschrift, mit welcher
auch diejenige eines anderen von Bnrnell abgebildetcn Kreuzes ans einer späteren Zeit, etwa
dem 8. Jahrhundert, übercinstimmt, paßt ganz in die Anschauungen der im 5. Jahrhundert
entstandenen Nestorianischen Partei.
Der englische Archäolog, Georg Smith, der im Auftrage des brittischen Museums Assyrien
bereiste, ist im Juni 1874 von dort nach Hause gekehrt. Seine Sammlungen folgten ihm auf
einem Schiffe.
Denkmäler. Im österreichischen Museum zu Wien hat das Comitö für ein Beethovcn-
monnment die zur Conknrrenz eingelangten Entwürfe ausgestellt, von welchen derjenige des
Professors Zumbusch ungetheilten Beifall und Vorzug erhalten, ebendeßhalb auch die Wahl
des Preisgerichts davongehragen hat. Der Künstler stellt den großen Meister der Töne sitzend
dar, das Haupt abwärts nach rechts gewendet, während die Hände zusammengepreßt auf dem
etwas vortretenden linken Schenkel ruhen. Nicht minder ausdrucksvoll und in inniger Verbin-
dung mit der Hauptfigur sind die Gestalten, welche den Sockel schmücken: vom Beschauer links
der gefesselte Prometheus, dem der Adler seine Brust zerfleischt; nnd rechts eine kranzspendende
Siegesgöttin. Die Verbindung zwischen diesen Leiden Seitenfiguren wird gebildet durch neun
kleine, mit Musikinstrumenten und Masken ausgerüstete Genien, welche, vielleicht unter Anspie-
lung auf die Zahl der Symphonien Beethovens, ein rhythmisch bewegtes Formengewoge dar-
stellen, ans dem der Sockel der Hauptgestalt steil nnd hoch cmporstcigt.
Am l0. Juni 1874 ist in der Stadt Bedford ein auf Kosten des Herzogs von Bedford
ausgeführtes Standbild des durch seine Pilgerreise bekannten ascetischen Schriftstellers John
Bunyan feierlich enthüllt worden. Merkwürdig, daß in jüngster Zeit auf dem brittischen Mu-
seum das französische Mannscript eines Wilhelm von Gnilleville entdeckt worden ist, ans welchen!
Bunyan den Stoff seines weitverbreiteten lks klllgriin's ?rogrsss entlehnt zu haben scheint.

Verantwortliche Nedaction und Verlag von I. F. Steinkopf in Stuttgart.
Druck von Geb rüder'M äntler daselbst.
 
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