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Ein großes Bild von C. Jung (Berlin), „Herr, nun lassest du deinen Diener
im Frieden fahren" (Luc. 2, 29), zeigt, daß sich der Maler mit dem Geist der
Handlung auch nicht vertraut machen konnte. Was er sich dabei gedacht hat,
die Maria vor dem greisen Simeon ans die Kniee niederfallen und vor Entzücken
die Arme erheben zu lassen, ist unerfindlich. — W. Steinhaufen (Frank-
furt a. M.) hat sieben leicht kolorierte Entwürfe zn Reden und Gleichnissen des
Herrn ausgestellt, welche in ihrer einfachen Vortragsweise und bei dem Ernst,
der aus ihnen spricht, höchst wohlthuend auf den Beschauer wirken. — Von
P. Händler (Berlin) sind Bilder aus dem Leben des Apostels Paulus (zehn für
Vervielfältigung bestimmte Zeichnungen) ausgestellt, welche von durchaus redlichem
Streben Zeugnis ablegen. — Malerisch gedacht sind zwei Großzeichnungen von
P. Mohn (Berlin), welche für Wandmalereien in der Vorhalle der Dreifaltigkeits-
kirche zu Berlin bestimmt sind und zum Vorwurf haben: „Christus und die
Samariterin" und „Christus mit dem sinkenden Petrus auf dem Meere." Be-
sonders ersteres Bild ist entsprechend aufgebaut und mit warmer Liebe ausgeführt.
Noch sei einiger Bilder gedacht, die, obgleich sie nicht ihren Gegenstand
unmittelbar aus der Schrift geschöpft habeu, doch im engsten Zusammenhang mit
Christentum und Evangelium stehen. Da sind zunächst sieben größere Bilder von
Ed. Kaempsfer (München) zu nennen, welche das Leben Luthers behandeln
und für das Rathaus in Erfurt bestimmt sind. Sie sind zum Teil außer-
ordentlich wirkungsvoll und künstlerisch bedeutend erfaßt und gemalt, und scheinen
den Anfang einer größeren Reihe zu bilden, da vier von ihnen allein der ersten
Jugend unsers großen Reformators gewidmet und anderes Wichtige aus seinem
Leben noch unberücksichtigt ist. —
Im Gebiete des religiösen Sittenbildes feiern unsere Maler augenblicklich
größere Ehren, als in der reinen christlichen Kunst, wenigstens trifft man bei
Arbeiten ersteren Gebietes nicht entfernt auf so viel Widerwärtigkeiten und geist-
loses Thun, wie bei den Werken letzterer Gattung. Zu den bedeutendsten Arbeiten
des religiösen Sittenbildes gehört A. Struys' (Mecheln) „Vertrauen auf Gott,"
das im reinlichen, armen Stübchen am Bett ihres sterbenden Mannes ein altes
Mütterchen zeigt und ganz ausgezeichnet empfunden und gemalt ist. — Ferner
gehört hierher C. Bantzer's (Dresden) „Hessische Abendmahlsfeier" mit aus-
geprägten, vorzüglich gelungenen Charaktertypen, G. Buchner's (München)
„Dankgebet", P. Hey's (München) „Andacht" und E. Blume's (München)
„Vater unser", das uns im traulichen Stübchen am weißgedeckten Tisch beim
Lampenschein Mutter und Tochter nach Verlesung des Abendsegens beim Gebet
des Herrn vereint zeigt. — Auch soll hier noch der drei großen Zeichnungen
zu den Wandbildern im Rathause zu Hildesheim lobend gedacht werden, die
H. Prell (Dresden) im Auftrage des preußischen Staates ausführte. Von der
ganzen hervorragenden und wohlgelungenen Arbeit bekommt man einen Überblick,
wenn man die Lichtdrucke nach den Originalgemälden betrachtet, die daneben aus-
gelegt sind und die uns die Ueberzeugung geben, daß diese Bilder mit zu den
besten zählen, was unser Jahrhundert auf dem Gebiete der Denkmalkunst hervor-
gebracht hat.
 
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