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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 3 (März 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0088
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wußte. Der künstlerisch geschulte Bildhauer schied aus dem Betrieb des Grabmal-
geschäftes aus. So bildete sich ein rein kaufmännischerHandel aus,
bei dem kün st lerische Kräfte überhaupt nicht mehr in Tätigkeit
traten. Zuletzt blieben, begünstigt durch die Neigung des Publikums, sich auf dem
Friedhöfe Lei den benachbarten Gräbern das für den jeweiligen Geschmack passende
Stück auszusuchen, nur ganz wenige, jeder Eigenheit beraubte Schemata als gangbare
Muster übrig. Ein Blick auf unsere Friedhöfe genügt, sich davon zu überzeugen: in
langen Reihen stehen, eines dem anderen bis auf Kleinigkeiten gleichend, polierte Obe-
lisken oder auf die mathematische Grundform reduzierte Kreuze mit der stets gleichen


Abb. 5. Denkmal von Professor
Pfeifer, Wiesbaden. Muschelkalk
Preis lOVU Mk.

Abb. 6. Ew. Kurz. Grabmal Eller, München


Goldschrift nebeneinander. Die Kreuze haben dazu ganz den Charakter des Holz-
kreuzes, obwohl sie aus Stein gefertigt sind. Eine Armut an Formen und Gedanken,
die nicht mehr zu überbieten ist. Ueberblickt man die monotone Reihe schwarzer,
glänzender Blöcke, so begreift man, warum unsere modernen Friedhöfe einen so trost-
los nüchternen und peinigenden Eindruck hinterlassen, so daß wir ihnen so rasch wie
möglich zu entfliehen suchen, wenn uns einmal die Pflicht dahin geführt hat. Um-
gekehrt verleihen die Gräber aus der Zeit unserer Urgroßeltern
durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen und die dem individuellen Zweck angepaßte
Gestalt ihrer Monumente den ältesten Friedhofsteilen jenen von sanfter Trauer ver-
klärten poetischen Zauber, der uns so wohltuend berührt und uns dort so gerne ver-
weilen läßt. Nachdem in den letzten Jahren diese Tatsachen allmählich den führenden
Geistern der Nation zum Bewußtsein gekommen find, konnte es nicht ausbleiben.
 
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