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Stoß, Veit [Hrsg.]; Chrzanowski, Tadeusz [Bearb.]
Krakauer Marienaltar - Veit Stoss — Warszawa, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29774#0012
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zeugen. Die Bedeutung des Mazenatentums der Krakauer Burger am Ende des 15. Jh. und zu
Beginn des 16. Jh. wartet noch auf eine ausfuhrliche Abhandlung, doch die sollte nicht so
bald erscheinen, denn die Restaurierungsarbeiten werden in Zukunft sicherlich noch zu so
mancher sensationellen Entdeckung fiihren.

Was fur eine Stadt war es also, in der - von weither kommend - der noch jungę, aber
kunstlerisch ausgereifte Bildhauer eintraf? Was fur eine Stadt war es, die sich eine so groBe
und prachtige Stiftung leisten konnte?

Seit langem gelten die ausgezeichneten Miniaturen des Behem-Codex ais geradezu ein-
maliges Zeugnis vom taglichen Leben der Stadt Krakau an der Schwelle der Renaissance.
Man geht davon aus, daB die Darstellungen des Malers vom Innern der Hauser, von den
Werkstatten und von der Kleidung der Bewohner echt sind. Vermitteln sie aber auch ein
Bild von den stadtebaulichen Einzelheiten? Dabei gibt es wahrscheinlich viel Phantasie und
Konvention, wohl aber auch ziemlich viel Authentizitat. Auf den Miniaturen, die Handler,
Schmiede und Bóttcher zeigen, ist Krakau eine malerische, prachtige Stadt, eine Stadt hoch
aufragender Giebel und feiner Steinmetzarbeiten, eine Stadt, dereń Hauser mit stolzen Por-
talen und ungewóhnlich breiten, mit steinernem Dekor verzierten Fenstern den Passanten
zugewandt waren. Erst spatere Umbauten und Moden, Gltick und Ungluck Krakaus haben
bewirkt, daB sich die palastartigen Residenzen des Patriziats in ehrwurdige, aber nicht son-
derlich originale Burgerhauser verwandelt haben. Diese Stadt muBte so sein, wenn sie sich
einen so gewaltigen Altar leistete, der mit den beruhmtesten derartigen Werken des dama-
ligen Europa konkurrieren konnte.

ER MEISTER UND SEIN WERK. Wer war nun dieser Mei-
ster, den man nach Krakau rief, um ihm eine so verantwor-
tungsvolle Aufgabe zu tibertragen? Die Literatur Ober Veit
StoB ist auBerst umfangreich, trotzdem macht sie keineswegs
den Eindruck eines abgeschlossenen Kapitels. Ganz im Ge-
genteil - immer wieder neue Ansichten uber das Werk des
Meisters werfen standig neue Fragen auf.10

Mit Veit StoB haben sich polnische und deutsche Kunsthi-
storiker befaBt, ganz besonders aber polnische, weil er seine
hervorragendsten Werke eben in Krakau geschaffen hat. In-
teressiert haben sich fur ihn bereits die ersten Erforscher der
polnischen „nationalen Altertumer” Ambroży Grabowski und F.M. Sobieszczański,11 und
dann haben ihm M. Sokołowski, F. Kopera, T. Szydłowski, J. Ptaśnik, M. Friedberg,
A. Bochnak, J. Dutkiewicz, T. Dobrowolski, P. Skubiszewski und andere mehr oder weniger
umfangreiche Studien gewidmet. Bemerkenswert ist dabei, daB die StoB-Studien zwar durch
Krakauer eingeleitet worden sind, die letzten Synthesen jedoch aus den Arbeitsstatten Pose-
ner Wissenschaftler stammen; die Monographie von Szczęsny Dettloff ist das Ergebnis
langjahriger eingehender Studien. Die Monographie des unlangst verstorbenen Zdzisław
Kępiński beeindruckt durch ihren Reichtum der Beobachtungen und die glanzende Gelehr-
samkeit, erweckt so manches Mai aber auch Widerspruch wegen ihrer wohl zu kuhnen
Hypothesen. In letzter Zeit hat Piotr Skubiszewski, Professor der Warschauer Universitat,
doch ebenfalls aus GroBpolen stammend, eine weitere Synthese angekundigt, zu der ihn eine
noch in seiner Jugend abgefaBte Arbeit Ober die Grabplastiken des Meisters sowie vollkom-
men neue - sowohl stark ins einzelne gehende ais auch nach Verallgemeinerungen von
grundlegender Bedeutung strebende - Studien bewogen haben.12 Die Biographien der StoB-
Forscher offenbaren Bedeutung und Rolle der Kunst des Meisters. Kein Kunsthistoriker, wo
immer er auch geboren sein mag, kann ihr gegenuber gleichgultig bleiben.

Die Frage der Herkunft des Bildschnitzers war strittig von Anfang an - seit dem Beginn
der Untersuchungen zum Werk des Kunstlers. Zwei Stadte, mehr noch, zwei Vólker stritten
sich um ihn, d.h. um seine Nationalitat und seinen Geburtsort. Krakau oder Nurnberg? Je
mehr sich der Chauvinismus verscharfte, desto weiter ging der Streit Ober die geschichtliche
und kunstlerische Problematik hinaus. Die Aufzeichnungen in Archiven aber spielten beiden
Seiten manch bósen Streich: In Krakau wurde StoB ais Ankómmling aus Nurnberg bezeich-
 
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