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Clemen, Paul [Hrsg.]
Belgische Kunstdenkmäler (Band 1): Vom neunten bis zum Ende des fünfzehnten Jahrhunderts — München, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.43817#0196
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Abb. 128. Remaclusschrein in Stavelot von 1265.


HUGO VON OIGNIES
In den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts vollzieht sich ein gewaltiger Wandel der
künstlerischen Anschauung. Bis um 1200 kann man von einem Aufleuchten der einzelnen
Materialien, des Goldes, der Edelsteine, des Filigrans, der Metallmulden als Hohlspiegel des
Lichtes, dem Helldunkel des Braunfirnisses sprechen, fortab werden Gesamtaufbau sowohl
wie alle Einzelheiten vom Lichte durchleuchtet, in Licht und Schatten aufgelöst. Filigran und
Rankenwerk lösen sich vom Grunde, der Hintergrund vertieft sich, die Figuren leuchten aus
dunkler Tiefe hervor, das Rahmenwerk erscheint in reichster Profilierung in mannigfaltigem
Wechsel des Dekors, spitzenartig durchbrochen, in unendliche Einzelheiten aufgelöst.
Als Meister dieses dekorativen Prinzips einer neuen Zeit, die an Stelle der Schmelzplatten
das Filigran ausbildet, nimmt Hugo von Oignies im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts eine
überragende Bedeutung ein. Sein Hauptwerk, ein Silbereinband in Namur mit Darstellung der
Kreuzigung im Stile des Klosterneuburger Altares, steht in engem Zusammenhänge mit einem
stark byzantinischen Triptychon des Brüsseler Cinquantenaire-Museums. Die Rankenvoluten,
vierblätterige Rosetten, die sich in alter Tradition als geheiligtes Symbol des Kreuzes aus der
Überschneidung von vier Kreisen entwickeln (Abb. 122 u. 123) bedeuten eine Weiterbildung der
Ornamentik des Nicolaus von Verdun. Die Wellenranken mit Blüten in den Mittelpunkten der
Windung tauchen schoninder Elfenbeinornamentik derMetzer Schuledesg. Jahrhunderts auf').

’) Goldschmidt a. a. O., Bd. I, Taf. XXIX.

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