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Clément, Charles; Clauß, Carl [Oth.]
Michelangelo, Leonardo, Raffael: mit 40 Holzschnitten und zwei lithographirten Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1870

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71514#0056
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40

Michelangelo.

Werk des florentimschen Meisters kennen zu lernen. Leonardo hatte als
Gegenstand seiner Composition eine Episode aus der Schlacht von Anghiari
gewählt, welche mit der Niederlage des mailändischen Feldherrn Piccinino
endete. Das wohl ungenügend von Edelinck gestochene Fragment stellt
einige Reiter dar, welche sich um eine Fahne streiten; wahrscheinlich bildete
es nur den untergeordneten Theil eines großen Ganzen, und wir haben
den Verlust einer der bedeutendsten Arbeiten Leonardo's zu beklagen. Auch
der Karton, welchen Michelangelo entworfen hatte, ist uns nicht erhalten
worden, er ging während des Aufruhres von 1512 zu Grunde. Vasari
beschuldigt den eifersüchtigen Bandinelli ihn ruchlos zerstört zu haben.
Man bewahrte einige Fragmente in Mantua bis zum Jahre 1595 auf;
aber selbst diese Stücke sind verschwunden. Der Verlust dieses Kartons ist
unersetzlich, glücklicherweise aber nicht vollständig. Marc-Antonio und Agostino
Veneziano haben einige Figuren daraus gestochen, wahrscheinlich nach
Zeichnungen Raffaels, welcher dies große Werk während seines Aufent-
haltes in Florenz von 1506 bis 1508 studirt Hatte. (S. d. Abb.) Die berühm-
testen Maler dieser Epoche copirten es um die Wette und San Gallo hatte,
nach Vasari, eine Wiederholung in Del, grau in grau, gemacht. Letztere ist
wahrscheinlich dieselbe, welche aus dem Palazzo Barberiui in Rom nach England
in das Schloß von Holkham *) gelangte und von Schiavonetti ziemlich
gut gestochen worden ist.
Michelangelo begann den Karton im October 1504, und die schätz-
baren, durch Gahe veröffentlichten Documente besagen, daß er im Februar
1505 daran arbeitete, kurze Zeit also vor seinem zweiten Aufenthalte in
Rom. **) Er beschäftigte sich vielleicht noch damit während des Aufent-
haltes, den er später in Florenz nahm, als er nach Carrara ging, um
dort den Marmor für das Grabmal Julius II. zu holen, oder vielleicht
auch auf dem Rückweg; im Monat August 1505 hatte er seiue Arbeit voll-

*) Waagen zweifelt an der Echtheit dieser Grisaille. Allerdings weiß man, daß
die auf Veranlassung Vasaris angefertigte Copie San Gallo's (s. das Leben Bastiano
di San Gallo's, Vasari XI. P. 20t), von dem Prälaten Giovo nach Frankreich an den
König Franz I. geschickt worden ist. Das Bild in Holkham sedoch scheint nie in Frank-
reich gewesen zu sein; es gelangte direct aus der Galerie Barberini nach England. Zu-
dem könnte letzteres Bild nicht den ganzen Karton umfassen, da man keine der unend-
lich vielen Figuren zu Pferde darauf sieht, die sich, Vasari zufolge, ebenfalls auf dem
Karton befunden Haben. (Waagen, Kunstwerke und Künstler in England und Paris
II, 512.)

**) Oa^e, OartsAAio III. p. 92, 93.
 
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