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Conze, Alexander
Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Band 1) — Wien, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.752#0088
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DAS TRÜMMERFELD Ä.

Das ausgedehnte Trümmerfeld, welches dem Marmortcmpel und dem Rundbau im Westen auf der
andern Seite des Baches gegenüberliegt und im Plane mit .-4 bezeichnet ist, harrt noch einer gründlichen
Untersuchung.

Deville und Coquart haben im Jahre 1866 an verschiedenen Punkten dieses Platzes Nachgrabungen
veranstaltet. Sie haben, ohne im Uebrigen eine vollständige Aufräumung des Ruinenplatzes zu unternehmen.
Fundamentmauern constatirt, welche auf die einstige Existenz eines Tempels in S. N. Längenrichtung hin-
weisen. Die Ausdehnung des ganzen Trümmerfeldes, sowie die Schwierigkeiten, welche eine starke Vege-
tation den Ausgrabungen entgegenstellt, bewogen auch uns von einer Untersuchung abzustehen, welche zu
Ende zu führen Zeit und Mittel für dieses Mal nicht erlaubten.

Ich habe mich darauf beschränkt, die meist sehr verwitterten Architektlirfragmente, welche ganz oder
theiiweise sichtbar zwischen Gestrüpp und Erde lagen, genau zu messen und zu zeichnen.

Das Trümmerfeld A bat eine Ausdehnung von etwa 200 Meter Länge und 43 Meter Breite; es ist,
namentlich am nördlichen Ende, nach verschiedenen Richtungen von Mauerwerk durchzogen, welches hie
und da etwa 1 Met. hoch und 1 bis 2 Met. dick ist (auf Coquart's Plane B „edificc carree"). Die Con-
struetion desselben ist der Art, dass zwischen zwei feste Mauern ein Füllwerk aus kleineren Steinen geschüttet
wurde. Diese Mauern bestehen aus Steinen, welche vorher eine andere Verwendung hatten, und es befinden
sich darunter Säulentrommeln, Gesimsplatten, Capitäle u. s. w., sämmtlich aus tertiärem Sandstein; nur hie
und da sind Bruchstücke von Marmor mitbenutzt worden. Die Tempelgrundmauern, welche Deville und
Coquart bioslegten, stehen mit dem beschriebenen Gemäuer in keiner Verbindung.

Wahrscheinlich standen auf dem ausgedehnten Plateau mehrere Gebäude; dafür spricht das Vor-
kommen von cannelirten Saulentrommeln dorischen Styls neben solchen von einer nichtdorischen Ordnung
mit sehr tiefen, durch Stege getrennten Canneluren, sowie auch glatter, nicht cannelirter Säulentrommeln;
die grossten derselben haben etwa o,g Met. Durchmesser.

Bei weitem in grösserer Zahl fanden sich die Stücke dorischer Säulen und Capitäle, dann Architrave
und Friesplatten mit Triglyphen, sowie mehrere Bruchstücke eines Kranzgesimses, endlich ein Antencapitäl.
Diese Fragmente gehören alle demselben Gebäude an und sind auf Taf. LXVII1 zusammengestellt. Zu be-
merken ist, dass auf die Höhe der Säulen nicht mit Sicherheit geschlossen werden kann. Unter den aufge-
fundenen, hierher gehörigen Säulentrommeln haben die dicksten o,Sf>8 Met. Durchmesser; der Hals des Ca-
pitäls misst 0,67 Met. Durchmesser. Die starke Verwitterung der Steine, sowie die Ungewissheit über die
Stärke der Säulenschwellung lässt es aber als ein vergebliches Beginnen erscheinen, die abnehmende Dicke
der einzelnen Säulentrommeln in ihrer Aufeinanderfolge ermitteln zu wollen. Bei dem Versuche, die Säulen-
höhe zu bestimmen, wird man auf die Annahme von entweder sieben oder acht Trommeln (deren vorge-
fundene Exemplare ganz gleiche Höhe haben) geführt werden. Ich habe mich für sieben entschieden; denn
offenbar würde durch Hinzufügung einer achten Trommel die Säule eine Höhe erhalten, welche mit den
Verhältnissen des Gebälkes nicht mehr übereinstimmte; insoweit wir nämlich berechtigt sind, aus den durch-
schnittlichen Verhältnissen bekannter Tempel zu schliessen.

Die Säulenweite ergibt sich aus der Axenweite der Triglyphen, indem Friesplatten vorhanden sind,
welche Triglyphen und Metopen aus demselben Stücke gearbeitet aufweisen; diese Axenweite beträgt
2,37 Säulendurchmesser. Einige Hängplatcenstücke, an denen die Mutulen erhalten sind, stimmen in
ihren Maassen mit denen der Friesplatten überein. Die Auffindung des sehr gut erhaltenen Antencapitals
(Fig. III) gestattet einen Schluss auf die Dicke des Architravs, welcher von Säule zu Säule aus zwei hinter-
einanderstehenden Stücken bestand; diese Architravdicke betrug darnach wenig mehr als der obere Säulen-
durchmesser.

Eine Vcrgleichung dieser Bruchstücke mit den entsprechenden Details des von Hauser aufgenom-
menen und reconstruirten „dorischen Marmortempels" zeigt zwar eine bedeutende Verschiedenheit beider Ge-
 
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