Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Conze, Alexander
Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Band 1) — Wien, 1875

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.752#0030
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zumbusch durch ein fast bis zur Unkenntlichkeit zerschlagenes Stück. Es ist das auch in der Photographie
weniger deutlich zu sehende, quer über den Leib laufende schmale Bruchstück, das einmal durch den deut-
lich erhaltenen menschlichen Nabel charakterisirt ist und dann gegen den Rücken hin den ausbiegenden
Uebergang zum Pferdeleibe unzweideutig erkennen lässt. Der trefflichen Arbeit des Kopfes kommt die von
Zumbusch höchlich anerkannte Lebendigkeit der Form in den Pferdeextremitäten gleich. In der Behand-
lung finde ich ganz die Art der Pferde in Hochrelief auf der Schliemann'schcn Metope aus llion ') wieder.
Beide Werke dürften sich als Arbeiten der Diadochenzeit2) einigermassen gegenseitig stützen.

ihrer Bestimmung nach räthselliaft sind uns geblieben die zwei Reliefköpfe in kassettenartigen Rahmen,
welche an der Nordostseite des dorischen Marmortempeis gefunden wurden (Taf. LI, rechts und links). Dass
der von vorn gesehene bärtige Kopf einem Zeus gleicht, ist leicht zu sehen. Der jugendlich-männliche Profil-
kopf, der dem erhabenen Rahmen, in den er eingetieft ist, eine seltene glückliche Erhaltung des ProSls
verdankt, bleibt beim Mangel aller besonders charakteristischen Abzeichen besser ganz unbenannt. Nament-
lich das Haar ist an diesem Kopfe kaum ausgeführt, das Gesicht zeigt eine echt griechische Vereinigung von
Einfachheit der Behandlung und von Lebendigkeit. Man wird Profilköpfe auf Münzen am liebsten ver-
gleichen. Die Bestimmung dieser beiden offenbar zusammengehörigen Reliefsteine ist nur so weit deutlich,
dass sie bestimmt waren irgendwo eingelassen zu werden; Rückseite und Aussenseiten der Quadrate sind
ganz roh gelassen und waren offenbar verdeckt; nur die Relieffelder waren ursprünglich sichtbar3). Die bei-
den Stücke, zu denen übrigens noch mehrere gleichartige gehört haben mögen, alsKassetten an der Decke
der Vorhalle des dorischen Marmortempels angebracht zu denken, fand Hauser unmöglich.

Auf derselben Tafel LI sind noch zwei vereinzelte Fragmente abgebildet, unten ein kleiner männlicher
Fuss, der am dorischen Marmortempel, und oben ein männlicher Torso noch kleinerer Verhältnisse, der am
Rundbau gefunden wurde. Namentlich der Fuss ist auffallend durch seine etwas chargirte, wie Zumbusch
gewiss mit Recht es nennt, michelangeleske Formenbehandlung.

Dass sich in oder bei dem dorischen Marmortempel noch allerlei Skulpturen mannigfacher Art, na-
mentlich auch sehr verschiedener Grössen befanden, zeigten uns deutlich verschiedene, oft allerdings nur noch
äusserst unbedeutende Fragmente, welche während der Ausgrabung zum Vorschein kamen. Von Kolossal-
bildern rührten Ueberreste sehr grosser Hände, wie auch das im Ausgrabungsberichte schon erwähnte Bruch-
stück eines weiblichen Kopfes her. Daneben bemerkten wir Fragmente wiederum von Händen der winzigsten
Dimensionen. Alles Einzelne der Art verdient hier, wie gesagt, nicht ausdrücklich erwähnt zu werden.

ANDERE ALTERTHUMER AUF SAMOTHRAKE.

Neben den zusammengestürzten Ruinen der Heiligihümer ist der grossartigste antike Ueberrest auf
Samothrake die gewaltige Unifangsmauer der Stadt. Aehnlich wie etwa die uralte Ringmauer von Lykosura
in der Nähe der dortigen Heiligthümer4), war sie zur Zeit der grossten Frequenz der samothrakischen My-
sterien längst eine Antiquität. Die Besucher mochten die „moenia anttqua Corybantum"h) etwa so als eine Merk-
würdigkeit in Augenschein nehmen, wie heutzutage der Wallfahrer auf dem Ottilienberge im Elsass der ge-
waltigen „Heidcnmauer" nachgeht, Das grosse Werk verdient als eines der bedeutendsten uns überhaupt er-
haltenen Beispiele sogenannten kyklopischen Mauerwerkes genauer bekannt zu werden, als bisher der Fall war.

') Archoeol, Zeitung 1S72, Taf. G4. Schliemann Alias trojanischer AltcrthUmer Taf. 3o. 3i.

*) Schlio in derAugsb. ollg. Zeit. 1873, BeiInge n. 87. Brunn bei Schliemnn'n trojanische Alterth. Einl. S. XXXI f.

3) Vergl. Bonndorf und Schöne die antiken Bildw. des lateran. Museums n. 297.

4) Paus. VIII, 37.

») Priscian. perieg. v. S4O f. Devillc ropport S. 257.
 
Annotationen