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Curtius, Ernst [Hrsg.]
Die Ausgrabungen zu Olympia (Band 1): Übersicht der Arbeiten und Funde vom Winter und Frühjahr 1875-1876 — Berlin, 1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.763#0010
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fo viel erreicht werden konnte, wie das vorliegende Heft ver-
nnfchauliclit. fo kann das Begonnene mit guter Zu verficht fort-
gefetzt werden.

Freilich hat fielt gezeigt, dafs der Boden von Olympia
nach dem Einfturz des Tempels nicht fo verödet gelegen hat,
wie man fich früher gedacht hatte, und fchon ehe lieh über die
Gefchiclite des Orts und feiner Bcwohnung etwas Genaueres
ermitteln läfst, können wir die Thatfache fellfteUen, dafs von
den gefundenen Denkmälern die bei weitem meiden in nach-
hellenifchcn Bauten als Baumaterial verwendet gewefen find.
Bauten zweierlei Art kommen vor: entweder kümmerliche Haus-
bauten, die wie es fcheint, mit einem engen Netze alle Seiten
des Tempels umziehen, oder es find Mauern, die zur Befeftigung
dcrAnficdclungdicnr.cn. Die Verwendung aber ift zum Glück in
fo roher Weife gefchchen, dafs man die aufgeiefenen Bruch-
flücke nicht förmlich zurecht gehauen und fie auch nicht durch
Mörtel mit einander verbunden hat. In der Regel find die
Skulpturfragmente und Infchrift(leine im Umkreife ihres alten
Standortes verbaut worden und man kann behaupten, dafs die
daraus zu fam menge fetzten Mauern zur Erhaltung der Fragmente
beigetragen haben, wie es mit der fränkifchen Stadtmauer
von Athen der Fall ift. Auch kann man auf den Umftand, dafs
die nachhellenlfche Bevölkerung den Gebrauch des Kalks nicht
kannte, die Hoffnung gründen, dafs von dem, was bei ihrem
Einzug in Olympia noch an Alterthümern vorhanden war, nicht
viel verfchwunden ift. Es ift alfo nicht ttnwahrfcheinlich, dafs
auch von den jetzt fehlenden Stücken' bei vollständigerer Auf-
räumung noch manche in der Umgebung des Tempels gefun-
den werden.

Für die Gefchiclite der Kunft haben wir fchon jetzt
manchen unfehätz baren Gewinn. Ein Schüler des Pheidias, von
dem wir nichts als den Namen hatten, fleht jetzt zuerft als ein
Mcifter vor uns, deffen Kunft wir an einem hervorragenden,
genau datirten, mit Weih- und Kiinftlerinfchrift erhaltenen
Denkmale kennen, einem Werke, das uns die rafche Entwickl-
ung der Plaflik des fünften Jahrhunderts in überrafchender
Weife vor Augen Hellt, dem erflen wohlbezeugten Original-
werke eines Meifters der perikleifchen Zeit.

Nach Aufräumung der Wcftfronte wird hoffentlich auch
der Name Alkamenes aufhören ein leerer Klang für uns zu sein.
Schon jetzt aber tritt uns der Unterfchied in der Ausführung
von Tempclbildwcrken und frei aufgcHellten Weihbildern an-
fchaulich entgegen; wir erkennen zugleich den Unterfchied
zwischen dem, was in Elts, und dem, was gleichzeitig in Athen
gekittet wurde. Denn, fo wenig es auch jetzt fchon an der
Zeit ift, feflc Urtheile über Stiluntcrfchiede aufzuteilen, fo
fcheint doch deutlich zu fein, dafs an die technifche Vollendung
der Bauten und Bildwerke von Seiten der elifchen Behörden
geringere Anbrüche geflellt wurden, als es unter peinlicher
Leitung eines Perikles und Pheidias in Athen der Fall war. Aber
auch hier ift wieder zwifchen den verfchiedenen Figuren und

zwifchen der Bearbeitung der nackten und der der bekleideten
Thcilc ein unverkennbarer Unterfchied. Für die Erforfchung
des hellcnifchen Tcmpclbaucs und feiner inneren Einrichtung
ift die nun zu Tage tretende Tempelruine eine reiche Quelle
neuer Belehrung, um fo mehr, da diefer Bau verfchiedenen Perio-
den der Kunilentwickclung angehört. Dann tritt uns auch die
einheimifche Plaftik, welche vor des Pheidias Ankunft am Tem-
pel thätig war, in fo ausgezeichneten Werken, wie der Atlasmetope
und dem fogenannten Heftiatorso erft recht anfchauüch entgegen,
und fo fallt fchon jetzt aus dem Ergebnifs weniger Monate auf
die Gefchiclite der hellenifchen Bau- und Bildkunft innerhalb
ihrer fruclitbarflcn Fniwickelungspcriodc ein neues mannigfalti-
ges Licht. Endlich verdienen die vortrefflichen und wohlcrhal-
tenen Architekturftückc in Terrakotta, theils in Relief, theils in
Farben ausgefiihrl, eine hefondere Erwähnung, weil fie unfern
bisherigen Vorrath ähnlicher Kunftnrbeilen in erfreulicher Weise
vermehren.

Aufscrdcm ift Tür die Gefchiclite der griechifchen Schrift
eine Reihe werthvollcr Denkmäler gefunden; es find gefchicht-
lichc Urkunden, welche zugleich die Kenntnifs der hellenifchen
Sprache in ihren verfchiedenen Mundarten wefentlich fördern.

Vergleichen wir die Ausgrabung der Altis mit der grofs-
artigften Unternehmung ähnlicher Art, welche in neuerer Zeit
gemacht worden ift, mit den Arbeiten der Engländer in Ephe-
fos, fo ift hier die Aufgabe eine unendlich fchwierigerc und
weniger dankbare gewefen. In Ephefos hat man fieben Jahre
arbeiten muffen, um die richtige Ausgrabungsftätte zu finden,
und als fie endlich gefunden war, zeigte fich die Zerftörung
des Tempels als eine fo vollrtäudige, dafs man eine wiffen-
fchaftliche Ausbeutung derfclben aufgeben mufste. In Ephefos
ift das Gebiet von Stadt und Heiligthum viel zu ausgedehnt,
und die Veränderung des ganzen Terrains eine zu durchgrei-
fende, als dafs eine Aufdeckung des antiken Bodens in dem für
die alte Topographie nüthigeii Umfange möglich gewefen wäre.

In Olympia lagen die Yerliiiltniise ungleich gimftiger. Die
Altis ift ein befchränktcres und uberfichtlichcres Terrain, und
innerhalb dcrfelben hatte man an der von Chandier zuerft er-
kannten Tempelruine einen feilen Ausgangspunkt, wo durch
frühere Grabungen der Franzofen der Erfolg verbürgt war.
Die kliuiatifchen Vcrhältnifse find ebenfalls viel günftiger als in
Ephefos, wo man nach Durchftechen einer 6 Meter hohen Erdi
fchicht auf das Grundwaffer kam, in welches die Marnior-
relle verfunken waren.

In der Altis ift der alle Boden erhalten. Der Alphcios,
welcher einen Theil feiner Znllüffc vom Pheneosfee erhält, hat,
durch die plötzlichen Entleerungen diefes Bergfees angefchwellt,
den Altisboden wiederholt mit Schlamm überzogen. Durch
diefe Uebcrfchwemmungen ill die Bevölkerung, welche fich zwi-
fchen den Trümmern eiugenillet halte, vertrieben worden; da-
durch ill einer fortfehreitenden Zerllörung Einhalt gethan und
das Gerettete in eine fchützende Decke eingehüllt worden.
 
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