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Curtius, Ernst [Editor]; Adler, Friedrich [Editor]; Treu, Georg [Oth.]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 3): Die Bildwerke von Olympia in Stein und Thon — Berlin, 1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.779#0220
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III. Bildwerke der Blütezeit.

Dafs fie wirklich ftöre, wird nicht leugnen, wer die Er-
gänzung des Hermes in der Dresdener Sammlung gefehen
hat, an welcher die Stütze zur Anstellung von Verfuchen
abnehmbar gemacht wurde, oder wer einen Blick auf die
Schwerzekfche Wiederherstellung bei Langl, Götter- und
Heldengeftalten Taf. 22 werfen will, wo fie weggelaffen
ift, oder endlich auf unferer Taf. LIII fich die Stütze mit
einem fchwarzen Stück Papier wegdeckt. Der Gedanke
Brunns (Deutfche Rundfchau VIII,
193), dafs Praxiteles mit ihr den
zwifchen Körper und Stamm klaffen-
den Spalt durch eine neutrale Ver-
bindung habe überbrücken wollen,
fiel ohnehin weg, nachdem die
beiden zu verbindenden Teile der
Gruppe in ihrer Tonwirkung völlig
ungleichwertig geworden waren. Ich
kann es daher auch jetzt nicht für
ausgefchloffen halten, dafs die Stütze
in der That urfprünglich nur bei
der Überführung der Gruppe dienen
follte. Ein neues Mittel aber zu
ihrer teilweifen Befeitigung gab jetzt
jener Ottofche Ergä'nzungsverfuch
an die Hand, indem er nachwies,
dafs es auch hier fehr wohl thunlich
fei, durch einen dunklen Auftrieb
die Stütze für das Auge zurückzu-
drängen und den hellen Umrifs
der linken Körperfeite in ununter-
brochenem Fluffe von ihr zu löfen.
Von einem anderen, für das Mu-
feum zu Bofton am Abgufs ausge-
führten farbigen Wiederherftellungs-
verfuch berichtet Edward Robinfon
in einem 1892 zu Bofton erfchiene-
nen Schriftchen: The Hermes of
Praxiteles and the Venus Genetrix,
experiments in restoring the color ot
Greek sculpture, by Joseph Lindon
Smith. Described and explained by
Edw. Robinson (vergl. auch deffen
Auffatz im Century Magazine XLIII
n. 6 S. 869 ff.). In jener Boftoner
polychromen Ergänzung wurde das
Fleifch des Hermes nach dem Mufier
des Florentiner Amazonenfarko-
phags (Journal of Hellenic Studies
1883 Taf. 36—38) braunrot gemalt.
Ich kann über jenen intereffanten
Verfuch nicht nach dem Augenfchein urteilen, glaube aber
nicht, dafs er in diefer Beziehung das Richtige getroffen
haben kann. So wenig wahrfcheinlich es ift, dafs der
Herakles der Zeustempelmetope mit braunrotem Körper
vor dem braunroten Stier ftand (oben S. 152, Jahrbuch
des Inft. X S. 27 f.), fo fchwer glaublich ift es, dafs
Praxiteles für die Bemalung von Haar und Sandalen-
riemen feines Hermes ein dunkles Rot gewählt haben
würde, wenn das Nackte daneben in einem verwandten
Farbton gemalt gewefen wäre. Hier lehren felbft noch

Stockungen a

die photographifchen Aufnahmen, befonders des vor-
züglich erhaltenen Fufses auf unferer Taf. LH und in
den Ausgr. zu Olympia V Taf. 10, dafs die ganze ko-
loriftifche Wirkung im kleinen wie im grofsen auf dem
Gegenfatz der gerafpelten, in kräftigen Farben paftos
bemalten Flächen und der hell fchimmernden glatten
Haut beruhte (f. auch die Bemerkungen Robert von
Schneiders über die Wiener Artemisftatue aus Cypern im
Jahrbuch der kunfthiftor. Sammlun-
gen des öfterr. KaiferhaufesV S.iof.).
Infofern hat man vollkommen Recht
gehabt, gegen eine deckende Fär-
bung der nackten Teile die wunder-
volle Wirkung gerade des Lychnites
geltend zu machen, deffen 'haut-
ähnlich lebensvolle Schönheit darauf
beruht, dafs er das Licht in feine
durchfeheinende Oberfläche tief ein-
dringen läfst (vergl. den Bericht über
entsprechende Verfuche bei R. Lep-
fius in deffen Griechifchen Marrnor-
ftudien S. 46 ff. und S. 107 n. 383.
Wegen ihrer vortrefflichen Wieder-
gabe der fchönen Marmorwirkung
am Hermes verdienen auch die
grofsen Phototypien von Konftan-
tin Rhomai'dis in deffen Werk The
Hermes of Praxiteles [Athen 1890)
hervorgehoben zu werden). Eine
Übertreibung ift es jedoch, diefe
Gründe auch gegen eine lafierende
Behandlung des Nackten mit durch-
fichtigen Farbtönen geltend zu
machen, wie wir fie jetzt durch
die fidonifchen Sarkophage kennen
gelernt haben. Man wird es viel-
mehr für fehr denkbar, ja für
wahrfcheinlich halten dürfen, dafs
eine warme Lafierung des Fleifches
nicht nur deffen lebendig fchwel-
lende Wirkung Steigerte, fondern
diefes auch mit den ftark farbigen
Flächen und goldglänzenden Ein-
zelheiten erft endgültig zu einer
harmonifchen Gefamthaltung zu-
fammenßimmte.

Dafs der fchöne parifche Lych-
nitesblock, aus welchem der Her-
mes gearbeitet war, an der linken
Seite der Gruppe nicht ausreichte,
kann nach den Berichten nicht wundernehmen, welche
Fiedler (Reifen II S. 184 ff.) und andere Reifende (vergl.
Blümner, Technologie III S. 72 f.), Löwy (Öfterr. Mit-
teilungen XI S. 149 ff.) und Lepfius (Griech. Marmor-
ftudien S. 44 ff.) von der geringen Stärke und der
Zerklüftung der den beften Statuenmarmor führenden
Bänke auf Paros und der Enge der antiken Schächte
gegeben haben. Lieferten die Brüche doch auch in der
Gegenwart bei dem mit allen Mitteln neuerer Technik
ausgeftatteten Betriebe durch eine franzöfifche Gefell-
 
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