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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Anhänge, Tafeln — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52870#0022
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EHEMALS NÜRNBERG • KARMELITERKLOSTER

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faltig durchgezeichnet, dann wird man von Seiten des
Entwerfers kaum noch einen originalgroßen Karton
erwarten können. Auch der einzige erhaltene Scheibenriß
aus Baldungs Nürnberger Jahren, die ähnlich sorgfältig
gezeichnete Predigt des Hl. Vinzenz Ferrer im Besitz des
Getty Museums, besitzt annähernd dasselbe Format
(Textabb. 4Ö)33 34. Im Unterschied zum Londoner Blatt
wird in der Predigt des Hl. Vinzenz auch die obligatori-
sche Bogenrahmung mit berücksichtigt - hier ein flacher
Bogen aus vertrockenetem Astwerk, wie er wenig später
in der heute stark restaurierten Taufe Christi (W), eben-
falls nach Baldung, wiederkehrte (Abb. 213). In den
anschließenden Fensterstiftungen der Jahre 1506/7 - von
der Ehebrecherin (G) über die Versuchung Christi (G) bis
zur Samariterin am Brunnen (W) - ist die stecherische
Manier der frühen Werke einem ökonomischen Zeichen-
stil gewichen, doch die spezifischen Eigenarten von Bal-
dungs Kompositionskunst, mannigfache Bezüge zum
zeichnerischen Werk und nicht zuletzt die ausgesuchte,
den zeitgleichen Altären Baldungs von 1507/8 vergleich-
bare Farbigkeit bieten sichere Kriterien für eine Zuschrei-
bung der Entwürfe (vgl. Kat. S. 176-179, 319E).
Während die Stiftungen von 1508 bis 1510 meist zu
unspezifisch sind, um einem bestimmten Entwerfer zu-
geschrieben zu werden, vielmehr auf die Auswertung der
verfügbaren druckgraphischen Vorbilder der Zeit durch
die Glasmaler selbst hindeuten (vgl. Fig. 397-400), über-
rascht es doch, daß offenbar die spätesten Szenen der
Folge, die wir in die Ottilienkapelle (beim Brunnen) loka-
lisieren und in ihrer gleichartigen Ausführung allesamt
mit dem inschriftlichen Datum 1511 der Fußwaschung
(W) verbinden können, wieder sehr deutliche Bezüge
zum Figuren- und Typenschatz Baldungs aufweisen. Eine
naheliegende Erklärung für diesen Sachverhalt bietet die
Gegenüberstellung mit einer Scheibe des Abendmahls im
Victoria & Albert Museum in London (Textabb. 45, Abb.
209), die ohne Zweifel auf eine Vorlage Baldungs zurück-
zuführen ist35. Wahrscheinlich ist die Scheibe identisch
mit jenem Abendmahl, das 1504 von Sebald Schreyer in
ein Fenster des Nürnberger Augustinerklosters gestiftet
worden war36. In jedem Fall wurde der Entwurf rund
33 Die maßgeblichen Argumente und Vergleiche sind in aller nur wün-
schenswerten Ausführlichkeit dargestellt bei Knappe, Großgründlach,
1961, S. 60-80, und ders., Baldung, 1963, S. 56-79, sowie Rainer
Kahsnitz, in: Kat. Ausst. Nürnberg 1986, S. 358-368, Scholz, Werk-
stattpraxis, 1991, S. 83 — 108, und zuletzt Lee Hendrix, in: Kat. Ausst.
Los Angeles/Saint Louis 2000, S. 128—133.
34 Zuletzt in: Kat. Ausst. Los Angeles/Saint Louis 2000, Nr. 28.
35 Vgl. Knappe, London, 1962, S. 355-362.
36 Vgl. Gümbel, 1908 a, S. 120L


Fig- 395- Christuskopf. Federzeichnung. Paris, Louvre.
Nürnberg, um 1505 (Hans Baldung Grien).


Fig. 396. Maria als Tempeldienerin (Ausschnitt aus Abb. 81).
Großgründlach, Pfarrkirche, Chor I, ta. Nürnberg, um 1505.
 
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