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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0394
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EHEMALS UELZEN • LEPROSENKAPELLE

393

2b ENGEL MIT UNBEKANNTEM WAPPEN
Fig. 399, Abb. 270
H. 60 cm, B. 52 cm.
Ehemals St.-Viti-Kapelle, Chor nord II, ib.
Erhaltung: Vorwiegend originales Glas. Die roten und gelben
Gläser sind extrem korrodiert; die nahezu verlorene Gesichts-
zeichnung des Engels wurde während der letzten Restaurie-
rung trocken doubliert und auf vorgelegtem Glas nachkontu-
riert. Die Zeichnung im Gewand ist dagegen recht gut erhalten.
Zahlreiche Sprünge.
Ikonographie: Im nach rechts geneigten roten Wappenschild
auf grünem Boden ein blattloser silberner Baum, begleitet von
drei (2:1) silbernen Rosen. Die Identifizierung des Wappens
war bis dato nicht möglich. Aufgrund der Übereinstimmung
mit den Wappenfeldern in I, 2a und nord II, 2a vermutete be-
reits Fritz Rover, dass es sich auch hier um einen geistlichen
Stifter handeln dürfte, namentlich um den Propst des nahe
gelegenen Klosters Medingen, Johannes Meyer gen. Meyge-
ring . Doch ebensogut könnte an dieser wichtigen Stelle im
ehemaligen Kapellenchor die Präsenz eines anderen, durch die
Stiftungsurkunde von St. Viti belegten Geistlichen und Ver-
trauten des Stifters Rupertus von Nortlo angenommen werden:
Johannes Sinstorp, der in dessen Nachfolge als Kanoniker in
Bardowick überliefert ist und von diesem als Erster unter den
Testamentsvollstreckern und Verwaltern der St.-Viti-Stiftung
genannt wurde55. Auch von Johannes Sinstorp ist kein Wappen
bekannt, somit kann auch diese Möglichkeit nicht verifiziert
werden.
Komposition, Ornament, Farbigkeit: Weitgehend identisch mit
2a und offensichtlich nach ein und derselben Vorlage ausge-
führt. Lediglich die Ornamentierung des Mantels und die Far-
bigkeit der Engelsflügel weichen vom Gegenstück ab. Die oben
bereits erwähnte, eigentümliche Rotation der Wappenfigur in-
nerhalb des schräggestellten Schildes fällt hier besonders auf:
Bei aufrechter Stellung des Wappens werden Baumstamm und
Grund widersinnig diagonal gekippt (s. hierzu S. 381, Anm. 27).
CVMAB 1455, W 4455
3a HL. BARTHOLOMÄUS UND WEIBLICHE HEILIGE
MIT KIRCHENMODELL Fig. 399, Abb. 270, 286
H. 58 cm, B. 51 cm.
Ehemals St.-Viti-Kapelle, Chor nord II, 2a.
Erhaltung: Im Kern altes Glas, die Randbereiche dagegen stark
ergänzt. Rote Gläser im Figurenhintergrund extrem durch
Lochfraßkorrosion beeinträchtigt. Beide Heiligenfiguren sind
großenteils zweiseitig trocken doubliert.
Ikonographie: Der Apostel Bartholomäus ist durch das Mes-
ser - sein Folterwerkzeug und Heiligenattribut - eindeutig
gekennzeichnet. Dagegen gelingt die Identifikation der weib-
lichen Heiligen mit Krone, Palmwedel und Kirchenmodell
nicht ohne Weiteres. Mit Kirchenmodell - gegebenenfalls auch
mit Krone - wird mitunter die Hl. Elisabeth dargestellt, die
darüber hinaus für ihre Mildtätigkeit und Krankenpflege be-
rühmt war. Andererseits wäre für sie der Palmzweig ein äußerst
ungewöhnliches Attribut56. Ulf-Dietrich Korn dachte daher
an die Hl. Gertrud von Nivelles57, die jedoch ebenfalls kaum
mit dem Märtyrersymbol des Palmzweigs in Verbindung zu
bringen ist. Mithoff hat die Figur versuchsweise als Hl. Amal-
berga bestimmt58. Diese Nonne und Mystikerin aus einem
fränkischen Adelsgeschlecht, die im 8. Jahrhundert in Flandern
lebte, angeblich die Heirat mit Karl Martell zurückwies und
schließlich in Tamisa ein Kloster stiftete, genoss zwar im nord-

deutschen Raum wesentlich geringere Verehrung als Elisabeth
oder Gertrud, doch wurde sie sowohl mit Krone als auch mit
Kirchenmodell, gelegentlich sogar mit Palmzweig dargestellt59.
Als mögliches Indiz für ihr Erscheinen in der St.-Viti-Kapelle
könnte zudem die Herkunft des Rupertus von Nortlo dienen,
lag doch dessen Heimatort - Nordloh in Oldenburg - in einem
Gebiet, wo mit flämischem Einfluss durchaus zu rechnen ist.
Technik, Stil: Beide Figuren stehen in der Zeichentechnik, Fi-
gur- und Gewandmodellierung einander so nahe, dass sie of-
fenbar einem ausführenden Glasmaler zugeschrieben werden
können, was bei den übrigen Heiligenpaaren nicht unbedingt
der Fall ist.
CVMA B 1464, W 4467, Detail W 4501
3b ZWEI HEILIGE
1890 von Freystadt komplett neu geschaffen.
4a HL. PETRUS Fig. 399, Abb. 270, 284
H. 43 cm, B. 56 cm.
Ehemals St.-Viti-Kapelle, Chor nord II, 3a.
Erhaltung: Der größte Teil der Scheibe ist eine Ergänzung
Freystadts, lediglich die obere Körperhälfte des Heiligen ist alt.
Vorderseitige Bemalung sehr gut erhalten.
Ikonographie: Der Apostelfürst Petrus ist mit seinen individu-
ellen Attributen Schlüssel und Buch ausgestattet.
Ornament, Technik, Stil: Der besondere Sinn des verantwort-
lichen Glasmalers für Details zeigt sich gleichermaßen in der
charaktervollen Gesichtszeichnung, im akribisch mit Punk-
ten besetzten Gewand sowie in dem mit feinen Strichen aus-
geführten Strahlenkranz innerhalb des Heiligenscheins. Die
dezente Verwendung von Silbergelb in den Haaren, im Buch
und im Schlüssel belebt das sonst ausschließlich graphische Er-
scheinungsbild.
CVMA B 1458, W 4459
4b HL. PAULUS Fig. 399, Abb. 270, 285
H. 42 cm, B. 52 cm.
Ehemals St.-Viti-Kapelle, Chor nord II, 3b.
Erhaltung: Die Halbfigur des Heiligen ist noch original, der
Rest durchgehend im 19. Jahrhundert ergänzt. Malerei relativ
gut erhalten, jedoch stärker verwittert als in 4a. Zahlreiche
Sprünge.
Ikonographie: Der Apostelfürst Paulus ist sowohl durch das
Schwert, das Werkzeug seines Martyriums, als auch durch sei-
ne charakteristischen Gesichtszüge kenntlich gemacht.
Technik, Stil: Im Gegensatz zu seinem Pendant zeigt Paulus
keinerlei Ornamente oder Verzierungen im Gewand, auch Sil-
bergelb kommt nur ganz schwach in Haar und Nimbus zum
Einsatz. CVMA B 1465, W 4469

54 Vgl. Rover 1952, S. 28; Korn 1981, S. 28.
55 UB Uelzen 1988, S. 308E, Nr. 299, und S. 320, Nr. 313.
56 LCI, VI, 1974, Sp. 133-140 (Karin HAHN/FriederikeTscHOCHNER-
Werner).
57 Korn 1981, S. 30; vgl. LCI, VI, 1974, Sp. 406-408 (L. H. D. van
Looveren).
58 Mithoff, IV, 1877, S. 259.
59 Eine der frühesten in Deutschland erhaltenen Darstellungen der
Hl. Amalberga ist eine Tonfigur im Chor der Katharinenkirche zu
Brandenburg a.d. Havel aus dem frühen 15. Jh.; s. auch LCI, V, 1973,
Sp. 108 (Liselotte Schütz).
 
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