Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Editor]
Designtheoretisches Kolloquium — 8.1984

DOI article:
Queißer, Manfred: Tätigkeit und Designbewußtsein im Blickfeld integrativer Tendenzen der Produktionsprozesse
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31831#0062
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wo sich ästhetische Wertorientierungen veränderten, wo demzu-
folge auch Veriust der Fähigkeit zur ästhetischen Gestaltung
zu verzeichnen war, mußte zwangsläufig mit dem Erleben einer
solchen Kunstform das indivicfuelle Unvermögen bewußt werden.

So vollzog die Entwicklung nicht immer eine Vorwärtsbewegung.
Unter dem Eindruck des mit der kapitalistischen Produktions-
weise aufgekommenen Widerspruchs zwischen Produktivitäts- und
Kulturentwicklung: Produktivitätsfortschritt und Kulturrück-
schritt, schrieb 1857 Karl Mar,x im Rohentwurf zum Kapital:

"... auf früheren Stufen der Entwicklung erscheint das einzei-
ne Individuum voller, weil es eben die Fülle seiner Beziehungen
noch nicht herausgearbeitet und als von ihm unabhängige gesell-
schaftliche Mächte und Verhältnisse sich gegenübergestellt hat,
So lächerlich es ist, sich nach jener ursprünglichen Fülle
zurückzusehnen,so lächerlich ist der Glaube bei jener vollen
Entleerung stehenbleiben zu müssen." (Karl Marx, Grundrisse
der Kritik der Politischen ökonomie, Berlin 1953, S. 80).

Diese Relativierungen , die mit Veränderungen in der Produktions
weise erfolgen, finden auch in einem Gespräch, das Eckermann
mit Goethe am 20. April 1825 führte, (hier bezogen auf Wand-
lungen gegenüber vorangegangenen Produktionsweisen) ihren
Niederschlag. Eckermann kommt hier auf die'Wanderjahre'zu
sprechen, "... wo Darno immer nur zu einem Handwerk rät und
dabei ausspricht, daß jetzt die Zeit der Einseitigkeiten sei
und man den glücklich zu preisen habe, der dieses begreife.
...Goethe hat zwar nach vielseitiger Einsicht gestrebt, aber
in seiner Lebenstätigkeit hat er sich nur auf eins beschränkt,
Nur eine einzige Kunst hat er geübt, nämlich die: deutsch zu
schreiben." (3.P. Eckermann, Gespräche mit Goethe, Berlin 1911,
S. 113).

In der Tat war das Handwerk über Oahrhunderte entscheidend für
die visuelle Kultur, wurde die Sinnlichkeit einer ganzen Epoche
aus der Universalität, mit der das eine ausgeübt wurde, geprägt
Doch bereits hier hatte sich gegenüber dem Formieren in den
vorangegangenen, am deutlichsten in den vorgeschichtlichen Ent-
wicklungsphasen und den Hochkulturen etwas Dominantes heraus-
gebildet. An die Stelle des ursprünglichen eng mit dem Nütz-
lichkeitscharakter verbundenen Genußtriebes - dem Streben nach

60
 
Annotationen