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Rasen, auf des Stromes glitzernde Wasserfläche hinzublicken, den Wandel
der Farben am goldig purpurnen Abendhimmel zu betrachten, unter weit-
gespannten, sonnendurchblickten Bäumen träumerisch zu lagern, unter den
Heerdeu und Hirten auf den Wiesen, unter den Landleuten ans dem Felde
zu verweilen, dies Alles bereitete ihr ein unnennbares Entzücken und bot
ihr einen reichen Stoff zu den mannigfachsten Studien. Wir müssen Rosa
in dieser Beziehung Naturdichterin nennen. Hier war sie ganz in ihrem
menschlichen Sein, und dieses menschliche Sein, in Verbindung mit dem
tiefempfundensten Naturleben, ist es vor Allem, was ihren Kunstwerken
eine so unwiderstehliche Kraft der Anziehung verleiht. Bei dieser freien, un-
abhängigen Lebensweise entwickelte sich natürlich auch mehr und mehr der
männliche Hang zur Freiheit und Selbstständigkeit, zur, im besten Sinne des
Wortes sei es gesagt, „Emancipation", der sie huldigt. Sie hatte schon da-
mals, kaum zur Jungfrau heraugereift, die Thiere so lieb gewonnen, daß sie
wenigstens eins bei und um sich haben mußte, namentlich bei schlechtem
Wetter in Herbst und Winter, wenn Wies' und Flur still und öde war.
Da nun in ihrer engen Wohnung in dem sechsten Stocke der „me Rumfort“
eine yeerde oder eine Menagerie, die sie am liebsten gehabt hätte, nicht
unterzubringen war, so mußte sie sich für jetzt mit einem hübschen feinwolli-
gen Hammel begnügen, dem ein kleiner mit Schlingpflanzen laubenartig ge-
schmückter Balkon zur Residenz angewiesen wurde. Zwei volle Jahre diente
dieser Liebling unserer Rosa zum Modell und ward von ihr beliebig ans
ihren Skizzen angebracht. Ihr Bruder August ward mit der Pflege dessel-
ben beauftragt und erhielt daher von seiner Schwester den Titel „eleveur
en chambre“. Da jedoch dieser sonst sehr geduldige und gelehrige Zögling
sich über die Blumen und Schlingpflanzen hermachte, so mußte ihn August
allabendlich heruntertragen und auch mehrmals in der Woche auf Feld und
Wiese spaziren führen.

Allein dieser eine Hammel reichte natürlich nicht lange zum Modellstudium
aus. Sie faßte daher, um dieses gründlich und vielseitig zu treiben, den
heroischen Entschluß, den nächstgelegenen Schlachthof „du Roule“ zu besuchen,
um sich daselbst ganz in das Studium des animalischen Lebens zu vertiefen.
Dreimal wöchentlich während mehrerer Monate erschien sie daselbst und ver-
weilte Tage lang unter lebendigem und geschlachtetem Vieh, dasselbe in allen
seinen Theilen und Eigenthümlichkeiten mit anatomischer Genauigkeit studi-
rend. Auf diese Weise erwarb sie sich denn eine Fülle gründlicher Kennt-
nisse, wie nur wenige Künstler ihres Faches. Ihre Zeichnungen und Gemälde
tragen daher den Stempel der höchsten naturalistischen Wahrheit. Steht sie
in dieser Beziehung dem berühmten Thiermaler Crascassat zur Seite, so
übertrifft sie hierin bei weiten! Troyon und seinen Nachfolger und Nach-
ahmer Cock, die mehr auf wohlthuenden und wohlklingenden Farbenreiz und
malerischen Gesammtefsekt hinarbeiteten, sich übrigens vielfache Zeichnungs-
fehler und sonstige Verstöße gegen die naturalistische Wahrheit zu Schulden
kommen lassen.

Nachdem sie nun durch die gründlichsten Kunst und Naturstudien aus-
gerüstet war und sich noch durch jahrelange Uebungen die nöthige technische
Fähigkeit erworben hatte, so daß jetzt ihre Gemälde den Grad der Auszeich-
nung hatten, um sogleich Aufsehen zu machen und ihrer Meisterin Ruf und
Ansehen zu verschaffen, betrat Rosa zunt ersten Male im Jahre 1841 die
öffentliche Arena des Pariser Salons, und zwar.mit zwei Gemälden, das
eine darstellend „zwei Kaninchen", das andere einige „Ziegen und Hammel".
Diese beiden Gemälde erregten denn auch bereits die allgemeine Aufmerksam-
keit und fanden den Beifall aller Kenner durch die überraschende Natürlichkeit
an sich, sowie durch die tiefe Empfindung und die kindliche Naivität derselben.
Im folgenden Salon trat sie mit drei Gemälden auf, einem Pferde, das.
zum Verkauf ausgeboten wird, einer weidenden Kuh und einigen anderen
Thieren auf einer Wiese. Die Hoffnungen, zu denen die erstgenannten Ge-

mälde die Pariser Kunstwelt berechtigten, wurden durch diese nun vollständig
erfüllt, so daß von nun an ihre Werke zu den geschätztesten und gesuchtesten
ihres Faches gehörten. Im Jahre 1834 erschienen von ihr „grasende Pferde"
und „Pferde an der Tränke". Das Jahr 1844 widmete sie besonders mannig-
fachen und umfassenden Studien und Arbeiten, so daß sie im folgenden mit
einer kleinen Galerie von zwölf Gemälden, Epoche machend, auftrat; Wer-
ken, gleich ausgezeichnet durch realistische Wahrheit, idyllisches Gefühl, pul-
sirendes Leben und glänzendes Kolorit. Mit Rosa erschien in diesem Jahre
zum ersten Male im Salon, damals im Louvre, ihr Bruder August. Auch
ihr Vater Naymund hatte ein Bild neben ihr ausgestellt. Im Salon von
1846 trat sie allein von ihrer Familie auf, und zwar mit fünf Gemälden,
von denen eines „die drei Musquetiere" darstellte, also von ihrer eigentlichen
Richtung gänzlich abwich. Im Jahre 1847 aber erschien sie im Verein mit
ihrem Vater und ihren beiden Brüdern. Einige Jahre später schloß sich ihnen
auch Julie an. Das leuchtendste Gestirn von dieser Künstlerfamilie war und
blieb jedoch Rosa. Im Jahre 1848 folgten sechs Gemälde, von denen das
bedeutendste, „Stiere aus dem Cantal", sogleich nach England verkauft wurde.
Diesen Gemälden reihte sie ein Bildwerk an, „Stiere und Schaafe", eine treff-
liche Gruppe in Bronce.

Jetzt war nun das Ziel erreicht, an dem ihre Mühen und Studien reiche
und goldene Früchte trugen. Mit ihrer Popularität wuchs auch ihr Gewinn.
Hat erst einmal in Paris ein Kunsttalent sich emporgeschwungen, so fehlt ihm
auch niemals die öffentliche Anerkennung und das goldene Verdienst. —■ Letz-
teres war ihr vor Allem darum willkommen, weil sie nun ihrem geliebten
Vater, dessen Haare Kummer und Alter bereits gebleicht hatten, die er-
wünschte Ruhe, Sorglosigkeit und Bequemlichkeit verschaffen konnte.

Hatten schon ihre früheren Gemälde den Beifall des Publikums gefun-
den, so ward denen von 1848 auch das Lob der Jury zu Theil, welche ihr
eine Medaille erster Klasse zuerkannte. Ja, Horace Vernet, damals Prä-
sident der Commission, verkündigte nicht allein ihren Triumph vor einer öf-
fentlichen, zahlreichen und glänzenden Versammlung, sondern überreichte ihr
auch im Namen ver Regierung eine prachtvolle und kostbare Base von Sevres;
eine Auszeichnung, die Kunsttalenten Seitens der Regierung eben nur in
Frankreich zu Theil wird, denn Kunst, Talent und Regierung sind ander-
wärts oft heterogene Dinge.

Im Jahre 1849 sandte sie wiederum mehrere Gemälde in den Salon,
von denen wir nur die beiden von der Regierung bestellten hervorheben,
„die pflügenden Stiere" und „den Morgen". Elfteres wurde mit Enthusias-
mus begrüßt und erhielt seinen Ehrenplatz im Luxembourg. Wie rastlos
thätig übrigens unsere Künstlerin war, beweist, daß sie in dem Zeitraum
von nur acht Jahren ein und dreißig Gemälde öffentlich ausstellte, außer
diesen aber noch eine Menge unmittelbar von ihrer Staffelei weg verkaufte.
Ihre bedeutendsten und berühmtesten Werke aus den ersten fünfziger Jahren
sind „der Pferdemarkt" und „die Heuernte". Das elftere erwarb der Eng-
länder Gambart für die Summe von vierzigtausend Francs, das andere die
Regierung für die National-Galerie im Luxembourg. An dem „Pserdemarkt"
arbeitete die Künstlerin beinahe zwei Jahre und entfaltete auf diesem intensiv
und extensiv bedeutenden Gemälde eine Kraft des Pinsels und einen Reich-
thum des Talents, wie auf keinem ihrer früheren Gemälde. Während eines
Sommers ging sie, wie gewöhnlich als Mann gekleidet, zweimal wöchentlich
auf den Pferdemarkt, um an Ort und Stelle die genanesten Studien zu
machen. „Die Heuernte in der Auvergne" bildete eine der leuchtendsten und
kostbarsten Zierden der „expositiou universelle“ im Jahre 1855 und ging
von da, wie im Jahre 1849 „die pflügenden Stiere", bekannt unter dem
Namen „labourage nivernais“ (der Feldbau in Nivernais), in das Luxem-
bourg über.

(Schluß folgt.)

Correspondenzen.

® Dresden, 8. März. (Ein neues Bild von Correggio.) In
nächster Zeit werden Sie in Berlin ein höchst interressantes Gemälde zu sehen
Gelegenheit haben, das bereits hier die Aufmerksamkeit aller Kunstfreunde
und Kunstkenner im höchsten Grade erregt hat. Es wird von einer wohl-
beglaubigten Ueberlieferung dem Antonio Allegri Correggio zugeschrieben,
und hier in Dresden wenigstens, wo hinreichende Vergleichung mit anderen
Werken dieses Meisters zu Gebote steht, hat kein Sachverständiger gegen die
Aechtheit einen Zweifel zu erheben gewagt. Hingegen haben gründliche Ken-
ner deutscher und itaienischer Museen zahlreiche Punkte der Uebereiustimmung
dieses Gemäldes mit anderen Correggio's sofort herausgefühlt. Das Hell-
dunkel, die Farbengebung, die Behandlung der Muskeln, der lächelnde Ge-
sichtsausdruck möchten auch dem weniger Routinirten als untrügliche Kenn-
zeichen unmittelbar ins Auge fallen. Der Gegenstand des Bildes ist die ganz
eigenthümliche Auffassung der „Auferstehung Christi" als Grabesenthebung,

wofür es in einem Aufsatze der „Sächs. Constitutionelleu Zeitung" (Nr. 39.
17. Februar) erkannt. Die Auferstehung ist nämlich als allmähliches Er-
wachen genommen und der Moment herausgehoben, wo der noch schlummernde
Gottessohn ans dem Grabesrande schon halb sitzend, von. zwei Engeln unter-
stützt, dem neuen Leben nicht mehr fern ist. Sachverständige behaupten, daß
sich dieses Bild vor allen übrigen Correggio's sogar den Vorzug erworben hat,
und nanientlich ist es der Ansdruck des Gesichts Christi, welcher sich durch
seelenvolle Zartheit und Heiligkeit weit über die von Correggio sonst bekannte
Manier und Gesinnung erhebt. Es wird dieses Bild also nicht verfehlen,
auch bei Ihnen Aufsehen zu machen und den theoretischen Aesthetlkern wie
den ausübbenden Künstlern viel Stoff zum Nachdenken und eine willkommene
Bereicherung ihrer Erfahrungen, Allen aber einen tiefgreifenden und nachhal-
tigen Genuß zu gewähren. — Der Referent der Const. Zeitung, Herr Or.
Jul. Hammer, bezeichnet dieses Bild ausdrücklich als „ein Kunstwerk ersten
 
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