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was die Ausführung angeht, nicht nach. Die Nachforschungen werden fort-
gesetzt, und Newton verspricht sich noch glänzende Erfolge, da man aus
den bis jetzt bloßgelegten Ruinen den ionischen Bau schon herauskonstruiren kann.
Paris. — Ary Scheffer ist gestorben. Indem wir uns eine nähere
Charakteristik des berühmten Meisters Vorbehalten, wollen wir vorläufig eine
kurze liebersicht über seine Hauptwerke geben. Ary Scheffer, 1795 in Haag
geboren, kam sehr jung nach Frankreich, wo er Pierre Guerin's Schüler
wurde so daß Frankreich sein eigentliches Vaterland war. Seine ältesten
Bilder, „der Tod Ludwig des Heiligen" (1817), „der Tod des Gaston de
Foix" sind noch ganz im Stil der älteren klassischen Schule gemalt, doch bald
neigte er sich der romantischen Richtung zu, deren Mittelpunkt er werden
sollte. „Die suliotischen Frauen" (1827), „Gretchen und Faust" in einzelnen
Halbfiguren (1831), „Leonore" nach Bürger's Ballade, „Gretchen in der
Kirche" (1832), „Eberhard der Greiner" (1834), „Franceska da Rimini" (1838),
„Christus, der die Mühseligen und Beladenen tröstet" (1837), „die beiden
Mignon ans Wilhelm Meisters Wandcrjahren", „Gretchen aus der Kirche
kommend", und „der König von Thule" (1839). Später ist Scheffer zu
einer andern Manier übergegangen, die Farbe und Effekt ganz außer Acht
läßt und nur in Zeichnung und Komposition nach tiefem Seelen-Ausdruck
strebt. Hierzu gehören: „der heilige Augustin und seine Mutter", „die heilige
Monica", „Gretchen und Fans! im Garten", „Gretchen und Faust ans dem
Blocksberge", „die Versuchung Christi" n. s. w.
Nom. — Gegen den betrügerischen Leihhaus-Direktor Marchese
Campona ist jetzt ein neuer Prozeß anhängig gemacht. Er betrifft die
trügerische Unterschiebung von einer erst jetzt ausgemittelten Zahl kopirter
Gemälde. Die Originale, sämmilich von alten Meistern, waren in dem unter
Campoua's Direktion stehenden Leihhause versetzt; er ließ die Elite täu-
schend durch geschickte Hände kopiren, und die Kopien, wenn die Pfandzeit
um war, versteigern. Der Gewinn an dem Geschäft soll ein sehr bedeutender
gewesen sein, da die Gemälde nur gegen ein niedriges Darlehn und meist
aus den Provinzen her verpfändet wurden. —
— — Die berühmte und schöne Mosaik des Fortunatempels zu Pale-
strina, die in der neueren Zeit in den dortigen Palast der Barberini kam,
hatte durch Feuchtigkeit viel gelitten, so daß sie vor 2 Jahren hierher gebracht
und restaurirt werden mußte. Die antike Musivarbeit ist offenbar aus Ale-
xandrien. Ihre Darstellungen beziehen sich auf Aegypten. In der Mitte
wogt der Nil dahin. Die Tempel mit ihren gewaltigen Flügelthoren sind
ganz wie man sie noch jetzt in jenem Lande sieht, und .auch die dargestellten
Thiere sind demselben eigenthümlich. Das Ganze scheint bei Gelegenheit
der Huldigung gemacht zu sein, welche Aegypten einem griechischen oder römi-
schen Eroberer darbrachte. Das Kunstwerk ist nun von geschickten Händen
ansgebessert und sollte nach dem Wunsche der Direktion der päpstlichen Mu-
seen für die Zukunft in den Antikensammlungen des VaticanS einen würdigern
Platz finden. Doch Fürst Barberini wollte es nicht verkaufen, indem er
vorgab, man dürfe die Provinzen ihrer Alterthümer nicht berauben, um da-
mit die römischen Museen zu-bereichern, und so ist die Mosaik wieder nach
Palestrina zurückgebracht.
— — Bei der Ausgrabung der alten Ostia hat sich besonders an den
Mauern von Tempeln und öffentlichen Gebäuden ans Quadersteinen manche
interessante Beobachtung über die bewundernswürdige Bautechnik der alten
Römer anstellen lassen- Man hat dabei unter andern erkannt, daß die Mei-
nung ganz unrichtig, als hätten sie das Geheimnis; gekannt, bessern Mörtel
als wir im Norden zu machen. Die Art der Mörtelbereitnng war, wie man
deutlich sieht, im Allgemeinen dieselbe wie jetzt, doch die Alten wählten dazu
besseren Puzzolan (einen vulkanischen Sand von röthlicher Farbe), als die
modernen Römer und der in der That ein unendlich stärkeres Bindemittel
als unser nordischer Sand ist. Bei uns ist ein frischer Bau, soll er nicht
auseinandergehen, gegen alle Nässe zu schützen; hier hingegen besprengt man
eine frische Mauer fleißig, und bald wird ans dem Ban ein ganzes konsoli-
dirtes Stück und, bei cintretender Zerstörung fällt er dann nicht i» kleinen
Bröckeln, sondern in großen Blassen auseinander gleich Felsstücken, wie man
dies noch jetzt häufig in den Thermen des Karacalla sieht. Deshalb wird
jetzt diese zum Bauen so treffliche Puzzolanerde immer mehr nach allen Erd-
theilen versendet, besonders als Schiffsballast nach Amerika. Eine Kunst
aber kannten die alten Römer, welche verloren ging, wie die neuesten Ent-
deckungen es immer deutlicher beweisen. Sie verstanden nämlich mit Quadern
so zu bauen, daß diese aufeinandergekittet scheinen. Sie mußten sie nicht
allein auf's Sorgfältigste behauen, sondern vielmehr aufeinander geschliffen
haben, um ihnen die Kohärenz zu geben, welche am Kolosseum, im Tabnlarium
des Kapitols und besonders an den Bauten von Ostia Jedermann in Er-
stannung setzt.
— — Paris entzieht uns ein Werk ans der höchsten Blüthe der Kunst.
In der ersten Kapelle des französischen Nonnenklosters Trinita de' Monti,
vom Eingang links, sah man bisher das Gemälde Daniels von Volterra:
„Abnahme Christi vom Kreuz", welches, wie bekannt und anerkannt, eines
der vier vorzüglichsten Meisterwerke der Malerwerke in Rom ist. Viele glau-
ben, die Komposition sei von Michel Angelo, wobei es indessen aufsallen muß,
daß Giorgio Vasari, zu dessen Zeit eö entstand, darüber nichts erwähnt.
Doch dürfte der Künstler sich Michel Angelo's Beihülfe bedient haben, worauf
das Großartige in der Erfindung und Zusammenstellung hindentet. Nachdem
zwei andere Gemälde desselben Meisters in der vierten Kapelle zu Grunde
gegangen, und das erwähnte von französischen Soldaten während Napoleons
Herrschaft in Rom sturk beschädigt worden, stand zu befürchten, daß es durch
Feuchtigkeit ganz verkommen würde. Die französische Regierung hat jetzt
dem Kloster eine Kopie des Bildes, die bereits an der Stelle des Originals
hängt, und eine Entschädigung von 7000 Scudi, gegeben. Das Original
wird in einigen Tagen nach Paris abgehen.
Alcantara. — Unsere berühmte Brücke mit dem Trajanschen Triumph-
bogen — eines der bedeutendsten Werke aus der Römerzeit — ist abgebrochen
worden, um die Steine anderweitig zu verwenden! Wir möchten es für ein
Ding der Unmöglichkeit halten, daß in einein europäischen Staate im Jahre
1858 so etwas Vorgehen könnte, wenn sich diese Nachricht nicht in der zu
Madrid selbst erscheinenden „PeNinsular-Korrespondenz" vom 9. Juni befände.
Diese prachtvolle Römerbrücke war 670 Fuß lang, 28 Fuß breit; der Triumph-
bogen ans der Brücke 40 Fuß hoch.
Alexandrien. — Die neuerdings in Sais (Egypten) unter Mariette's
Leitung bewirkten Nachgrabungen hatten schon einige wichtige Ergebnisse.
Unter den zu Tage geförderten Gegenständen bemerkt man einen aus Cheops
Zeiten datirenden Granit-Sarkophag: er ist drei Meter lang und ganz be-
deckt mit noch ganz wohlbehaltenen Schriftzügen und Zeichnungen. Man
bewundert auch einen Dolch mit goldenem Griff, einen mit Hieroglyphen berei-
cherten Kasten, zwei auf den Hinterfüßen sitzende goldene Löwen, mehrere
Erzbildsäulen und ans den Zeiten der ältesten Dynastien, stammende Basre-
liefs von hohem Interesse. Die ganze Sammlung nmfaßt 1500 Artikel,
deren Werth auf über 200,000 Frs. geschätzt wird. Dreißig Kisten sind für
die Louvre-Sammlungen in Paris bestimmt und werden nächstens von hier
abgehen. Der Bicekönig von Aegypten hat die Errichtung eines Museums
Hierselbst angeordnet und dessen Leitung Herrn Mariette anvertrant.
St. Petersburg. — Endlich nach vierzigjähriger Arbeit, ungeheuren
Kosten und geduldigem Harren wird in diesem Jahr die St. Jsaakskirche
vollendet sein. Was Kaiser Alexander I. im Jahre 1818 begann, Kaiser
Nikolaus während seiner ganzen Regierunge freilich je nach der Gunst oder
Ungunst der Zeitumstände mit mehr oder weniger Nachdruck weiter führte,
wird Kaiser Alexander II. nun einweihen. Es ist ein Riesenwerk. Dieser
340 Fuß hohe Kuppelbau wird auf Jahrhundert, hinaus eine Schatzkammer
von Marmor, Gold, Skulptur und Malerei bleiben. Da der Bau über-
ein Menschenalter- gedauert, und jeder St. Petersburger das Monument
immer nur mit Baugerüsten im Gedächtnis; hat, so wird man sich erst an
den Gedanken gewöhnen müssen, das; das Gotteshaus nun wirklich fertig und
in allen seinen Theilen vollendet ist. Außer St. Peter in Rom hat Europa keine
Kirche wie unsere Jsaakskirche aufzuweisen! Sie ist ein Unikum, und wird es
. auf lange hin bleiben. Unsere L>lavjanophilen bedauern zwar, daß man nicht
lieber etwas eigenthümlich Russisches gebaut hat, ungefähr wie einige nnserer
Kremlkirchen in Moskau. Dieses Mäkeln verstummt aber vor dem maje-
stätischen Eindruck, den dieser durchaus edle, daö Höchste anstrebende griechische
Baustil macht. Auf jeder der vier Fayaden des Gebäudes tragen acht Granit-
Monolithen von 56 Fuß Höhe das 112 Fuß lange Giebelfeld eines Portikus,
und tut Innern tragen 24 polirte Granitsäulen den Knppeldom, der über
dein Mittelraum der Kirche von einer bronzenen stark vergoldeten Galerie
umgeben ist. Alles vereinigt sich, um diese Kirche zu dem größten unserer
nordischen Banwnnder zu machen. Schon ihre Lage ist unvergleichlich. Im
Hintergrund des an den Admiralitätsplatz anstoßenden Jsaaksplatzes, die
Hauptfaxade gegen die Newa gekehrt, überall von Palästen und palastähnli-
Gebäuden umgeben, beherrscht sie eben so den ganzen Stadttheil, wie ihre
Kuppel mit Laternen und Kreuz auf weite Entfernung und nach allen Seiten
hin die Umgebung der Stadt bis Kronstadt und weit in den finnischen Meer-
busen hinein beherrscht. Die Kupvel der Jsaakskirche ist dem Nahenden die
erste Verkündigeriu der Hauptstadt. Die erste Kirche, dem heiligen Isaak
aus Dalmatien gewidmet, wurde 1716 zu Ehren des Geburtstages Peter des
Großen von Holz, 1717 aber schon von Stein gebaut. Damals stand sie
hart am Ufer der Newa, in der Gegend, wo jetzt die Reiterstatue Peter des
Großen steht. Diese erste Jsaakskirche wurde 1735 durch Feuer zerstört.
Nun stand der Platz über 30 Jahre leer, bis Kaiserin Katharia II. 1768
befahl, sie auf der jetzigen Stelle wieder aufzubauen. Kaiser Paul vollendete
zwar den Ban durch eine Kuppel von Backsteinen, das Gebäude war aber
so unschön, und diente seiner großartigen Umgebung so wenig zum Schmuck,
das; der Abbruch befohlen und der Plan zu einem Prachtbau aus Marmor,
Granit und Metall beschlossen wurde. Aber erst 1818 begann Kaiser Alexan-
der I. den wirklichen Ban des jetzt vollendeten Tempels, indem er die neueren
Plane v. Mentferrats — des Kaiserl. Oberarchitekten — genehmigte und
ihm zugleich die -Leitung des Baues übertrug. Wie viele Millionen Rubel
in diesen 40 Jahren an der Jsaakskirche verbaut worden sind, wird sich viel-
leicht nie vollständig überschauen lassen, denn wenn anch der eigentliche Bau
zeitweise geruht hat, so ist doch während dieser 40 Jahre fortwährend von
Bildhauern, Malern, Ciseleuren n. s. w. dafür gearbeitet worden. Jedenfalls
ist die Vollendung des Riesenbaues ein Ereigniß für St. Petersburg, und
wird anch ans religiösem wie künstlerischem Standpunkt als solches betrachtet.
Eine stolze Genugthunng liegt auch für die orthodoxe Kirche darin, daß keine
andere christliche Kirche, im öaufe des letzten Jahrhunderts ein solches Bau-
werk hervorgebracht hat.—Der Baumeister der Isaaks-Kathedrale ist durch
ein Geschenk von 40,000 S.-R., eine auch auf seine Wittwe übergehende jähr-
liche Präbende von 5000 S.-R., das mit Brillanten umgebene, in Gold
gearbeitete Bild der Kathedrale, und durch Verleihung des Ranges eines
wirklichen StaatSraths belohnt worden.
was die Ausführung angeht, nicht nach. Die Nachforschungen werden fort-
gesetzt, und Newton verspricht sich noch glänzende Erfolge, da man aus
den bis jetzt bloßgelegten Ruinen den ionischen Bau schon herauskonstruiren kann.
Paris. — Ary Scheffer ist gestorben. Indem wir uns eine nähere
Charakteristik des berühmten Meisters Vorbehalten, wollen wir vorläufig eine
kurze liebersicht über seine Hauptwerke geben. Ary Scheffer, 1795 in Haag
geboren, kam sehr jung nach Frankreich, wo er Pierre Guerin's Schüler
wurde so daß Frankreich sein eigentliches Vaterland war. Seine ältesten
Bilder, „der Tod Ludwig des Heiligen" (1817), „der Tod des Gaston de
Foix" sind noch ganz im Stil der älteren klassischen Schule gemalt, doch bald
neigte er sich der romantischen Richtung zu, deren Mittelpunkt er werden
sollte. „Die suliotischen Frauen" (1827), „Gretchen und Faust" in einzelnen
Halbfiguren (1831), „Leonore" nach Bürger's Ballade, „Gretchen in der
Kirche" (1832), „Eberhard der Greiner" (1834), „Franceska da Rimini" (1838),
„Christus, der die Mühseligen und Beladenen tröstet" (1837), „die beiden
Mignon ans Wilhelm Meisters Wandcrjahren", „Gretchen aus der Kirche
kommend", und „der König von Thule" (1839). Später ist Scheffer zu
einer andern Manier übergegangen, die Farbe und Effekt ganz außer Acht
läßt und nur in Zeichnung und Komposition nach tiefem Seelen-Ausdruck
strebt. Hierzu gehören: „der heilige Augustin und seine Mutter", „die heilige
Monica", „Gretchen und Fans! im Garten", „Gretchen und Faust ans dem
Blocksberge", „die Versuchung Christi" n. s. w.
Nom. — Gegen den betrügerischen Leihhaus-Direktor Marchese
Campona ist jetzt ein neuer Prozeß anhängig gemacht. Er betrifft die
trügerische Unterschiebung von einer erst jetzt ausgemittelten Zahl kopirter
Gemälde. Die Originale, sämmilich von alten Meistern, waren in dem unter
Campoua's Direktion stehenden Leihhause versetzt; er ließ die Elite täu-
schend durch geschickte Hände kopiren, und die Kopien, wenn die Pfandzeit
um war, versteigern. Der Gewinn an dem Geschäft soll ein sehr bedeutender
gewesen sein, da die Gemälde nur gegen ein niedriges Darlehn und meist
aus den Provinzen her verpfändet wurden. —
— — Die berühmte und schöne Mosaik des Fortunatempels zu Pale-
strina, die in der neueren Zeit in den dortigen Palast der Barberini kam,
hatte durch Feuchtigkeit viel gelitten, so daß sie vor 2 Jahren hierher gebracht
und restaurirt werden mußte. Die antike Musivarbeit ist offenbar aus Ale-
xandrien. Ihre Darstellungen beziehen sich auf Aegypten. In der Mitte
wogt der Nil dahin. Die Tempel mit ihren gewaltigen Flügelthoren sind
ganz wie man sie noch jetzt in jenem Lande sieht, und .auch die dargestellten
Thiere sind demselben eigenthümlich. Das Ganze scheint bei Gelegenheit
der Huldigung gemacht zu sein, welche Aegypten einem griechischen oder römi-
schen Eroberer darbrachte. Das Kunstwerk ist nun von geschickten Händen
ansgebessert und sollte nach dem Wunsche der Direktion der päpstlichen Mu-
seen für die Zukunft in den Antikensammlungen des VaticanS einen würdigern
Platz finden. Doch Fürst Barberini wollte es nicht verkaufen, indem er
vorgab, man dürfe die Provinzen ihrer Alterthümer nicht berauben, um da-
mit die römischen Museen zu-bereichern, und so ist die Mosaik wieder nach
Palestrina zurückgebracht.
— — Bei der Ausgrabung der alten Ostia hat sich besonders an den
Mauern von Tempeln und öffentlichen Gebäuden ans Quadersteinen manche
interessante Beobachtung über die bewundernswürdige Bautechnik der alten
Römer anstellen lassen- Man hat dabei unter andern erkannt, daß die Mei-
nung ganz unrichtig, als hätten sie das Geheimnis; gekannt, bessern Mörtel
als wir im Norden zu machen. Die Art der Mörtelbereitnng war, wie man
deutlich sieht, im Allgemeinen dieselbe wie jetzt, doch die Alten wählten dazu
besseren Puzzolan (einen vulkanischen Sand von röthlicher Farbe), als die
modernen Römer und der in der That ein unendlich stärkeres Bindemittel
als unser nordischer Sand ist. Bei uns ist ein frischer Bau, soll er nicht
auseinandergehen, gegen alle Nässe zu schützen; hier hingegen besprengt man
eine frische Mauer fleißig, und bald wird ans dem Ban ein ganzes konsoli-
dirtes Stück und, bei cintretender Zerstörung fällt er dann nicht i» kleinen
Bröckeln, sondern in großen Blassen auseinander gleich Felsstücken, wie man
dies noch jetzt häufig in den Thermen des Karacalla sieht. Deshalb wird
jetzt diese zum Bauen so treffliche Puzzolanerde immer mehr nach allen Erd-
theilen versendet, besonders als Schiffsballast nach Amerika. Eine Kunst
aber kannten die alten Römer, welche verloren ging, wie die neuesten Ent-
deckungen es immer deutlicher beweisen. Sie verstanden nämlich mit Quadern
so zu bauen, daß diese aufeinandergekittet scheinen. Sie mußten sie nicht
allein auf's Sorgfältigste behauen, sondern vielmehr aufeinander geschliffen
haben, um ihnen die Kohärenz zu geben, welche am Kolosseum, im Tabnlarium
des Kapitols und besonders an den Bauten von Ostia Jedermann in Er-
stannung setzt.
— — Paris entzieht uns ein Werk ans der höchsten Blüthe der Kunst.
In der ersten Kapelle des französischen Nonnenklosters Trinita de' Monti,
vom Eingang links, sah man bisher das Gemälde Daniels von Volterra:
„Abnahme Christi vom Kreuz", welches, wie bekannt und anerkannt, eines
der vier vorzüglichsten Meisterwerke der Malerwerke in Rom ist. Viele glau-
ben, die Komposition sei von Michel Angelo, wobei es indessen aufsallen muß,
daß Giorgio Vasari, zu dessen Zeit eö entstand, darüber nichts erwähnt.
Doch dürfte der Künstler sich Michel Angelo's Beihülfe bedient haben, worauf
das Großartige in der Erfindung und Zusammenstellung hindentet. Nachdem
zwei andere Gemälde desselben Meisters in der vierten Kapelle zu Grunde
gegangen, und das erwähnte von französischen Soldaten während Napoleons
Herrschaft in Rom sturk beschädigt worden, stand zu befürchten, daß es durch
Feuchtigkeit ganz verkommen würde. Die französische Regierung hat jetzt
dem Kloster eine Kopie des Bildes, die bereits an der Stelle des Originals
hängt, und eine Entschädigung von 7000 Scudi, gegeben. Das Original
wird in einigen Tagen nach Paris abgehen.
Alcantara. — Unsere berühmte Brücke mit dem Trajanschen Triumph-
bogen — eines der bedeutendsten Werke aus der Römerzeit — ist abgebrochen
worden, um die Steine anderweitig zu verwenden! Wir möchten es für ein
Ding der Unmöglichkeit halten, daß in einein europäischen Staate im Jahre
1858 so etwas Vorgehen könnte, wenn sich diese Nachricht nicht in der zu
Madrid selbst erscheinenden „PeNinsular-Korrespondenz" vom 9. Juni befände.
Diese prachtvolle Römerbrücke war 670 Fuß lang, 28 Fuß breit; der Triumph-
bogen ans der Brücke 40 Fuß hoch.
Alexandrien. — Die neuerdings in Sais (Egypten) unter Mariette's
Leitung bewirkten Nachgrabungen hatten schon einige wichtige Ergebnisse.
Unter den zu Tage geförderten Gegenständen bemerkt man einen aus Cheops
Zeiten datirenden Granit-Sarkophag: er ist drei Meter lang und ganz be-
deckt mit noch ganz wohlbehaltenen Schriftzügen und Zeichnungen. Man
bewundert auch einen Dolch mit goldenem Griff, einen mit Hieroglyphen berei-
cherten Kasten, zwei auf den Hinterfüßen sitzende goldene Löwen, mehrere
Erzbildsäulen und ans den Zeiten der ältesten Dynastien, stammende Basre-
liefs von hohem Interesse. Die ganze Sammlung nmfaßt 1500 Artikel,
deren Werth auf über 200,000 Frs. geschätzt wird. Dreißig Kisten sind für
die Louvre-Sammlungen in Paris bestimmt und werden nächstens von hier
abgehen. Der Bicekönig von Aegypten hat die Errichtung eines Museums
Hierselbst angeordnet und dessen Leitung Herrn Mariette anvertrant.
St. Petersburg. — Endlich nach vierzigjähriger Arbeit, ungeheuren
Kosten und geduldigem Harren wird in diesem Jahr die St. Jsaakskirche
vollendet sein. Was Kaiser Alexander I. im Jahre 1818 begann, Kaiser
Nikolaus während seiner ganzen Regierunge freilich je nach der Gunst oder
Ungunst der Zeitumstände mit mehr oder weniger Nachdruck weiter führte,
wird Kaiser Alexander II. nun einweihen. Es ist ein Riesenwerk. Dieser
340 Fuß hohe Kuppelbau wird auf Jahrhundert, hinaus eine Schatzkammer
von Marmor, Gold, Skulptur und Malerei bleiben. Da der Bau über-
ein Menschenalter- gedauert, und jeder St. Petersburger das Monument
immer nur mit Baugerüsten im Gedächtnis; hat, so wird man sich erst an
den Gedanken gewöhnen müssen, das; das Gotteshaus nun wirklich fertig und
in allen seinen Theilen vollendet ist. Außer St. Peter in Rom hat Europa keine
Kirche wie unsere Jsaakskirche aufzuweisen! Sie ist ein Unikum, und wird es
. auf lange hin bleiben. Unsere L>lavjanophilen bedauern zwar, daß man nicht
lieber etwas eigenthümlich Russisches gebaut hat, ungefähr wie einige nnserer
Kremlkirchen in Moskau. Dieses Mäkeln verstummt aber vor dem maje-
stätischen Eindruck, den dieser durchaus edle, daö Höchste anstrebende griechische
Baustil macht. Auf jeder der vier Fayaden des Gebäudes tragen acht Granit-
Monolithen von 56 Fuß Höhe das 112 Fuß lange Giebelfeld eines Portikus,
und tut Innern tragen 24 polirte Granitsäulen den Knppeldom, der über
dein Mittelraum der Kirche von einer bronzenen stark vergoldeten Galerie
umgeben ist. Alles vereinigt sich, um diese Kirche zu dem größten unserer
nordischen Banwnnder zu machen. Schon ihre Lage ist unvergleichlich. Im
Hintergrund des an den Admiralitätsplatz anstoßenden Jsaaksplatzes, die
Hauptfaxade gegen die Newa gekehrt, überall von Palästen und palastähnli-
Gebäuden umgeben, beherrscht sie eben so den ganzen Stadttheil, wie ihre
Kuppel mit Laternen und Kreuz auf weite Entfernung und nach allen Seiten
hin die Umgebung der Stadt bis Kronstadt und weit in den finnischen Meer-
busen hinein beherrscht. Die Kupvel der Jsaakskirche ist dem Nahenden die
erste Verkündigeriu der Hauptstadt. Die erste Kirche, dem heiligen Isaak
aus Dalmatien gewidmet, wurde 1716 zu Ehren des Geburtstages Peter des
Großen von Holz, 1717 aber schon von Stein gebaut. Damals stand sie
hart am Ufer der Newa, in der Gegend, wo jetzt die Reiterstatue Peter des
Großen steht. Diese erste Jsaakskirche wurde 1735 durch Feuer zerstört.
Nun stand der Platz über 30 Jahre leer, bis Kaiserin Katharia II. 1768
befahl, sie auf der jetzigen Stelle wieder aufzubauen. Kaiser Paul vollendete
zwar den Ban durch eine Kuppel von Backsteinen, das Gebäude war aber
so unschön, und diente seiner großartigen Umgebung so wenig zum Schmuck,
das; der Abbruch befohlen und der Plan zu einem Prachtbau aus Marmor,
Granit und Metall beschlossen wurde. Aber erst 1818 begann Kaiser Alexan-
der I. den wirklichen Ban des jetzt vollendeten Tempels, indem er die neueren
Plane v. Mentferrats — des Kaiserl. Oberarchitekten — genehmigte und
ihm zugleich die -Leitung des Baues übertrug. Wie viele Millionen Rubel
in diesen 40 Jahren an der Jsaakskirche verbaut worden sind, wird sich viel-
leicht nie vollständig überschauen lassen, denn wenn anch der eigentliche Bau
zeitweise geruht hat, so ist doch während dieser 40 Jahre fortwährend von
Bildhauern, Malern, Ciseleuren n. s. w. dafür gearbeitet worden. Jedenfalls
ist die Vollendung des Riesenbaues ein Ereigniß für St. Petersburg, und
wird anch ans religiösem wie künstlerischem Standpunkt als solches betrachtet.
Eine stolze Genugthunng liegt auch für die orthodoxe Kirche darin, daß keine
andere christliche Kirche, im öaufe des letzten Jahrhunderts ein solches Bau-
werk hervorgebracht hat.—Der Baumeister der Isaaks-Kathedrale ist durch
ein Geschenk von 40,000 S.-R., eine auch auf seine Wittwe übergehende jähr-
liche Präbende von 5000 S.-R., das mit Brillanten umgebene, in Gold
gearbeitete Bild der Kathedrale, und durch Verleihung des Ranges eines
wirklichen StaatSraths belohnt worden.