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Beilage zu M 4$ der „Dioskuren".

sie ihre Berechtigung findet. So denken wir nicht zmn Besten von einer
Musik, die Gedanken aussprechen will, während sie doch bloS verwandte
Empfindungen und Gefühle anzuregen vermag, und ein Gemälde, zu dessen
Erläuterung ein Gelehrter eine Brochüre schreiben mußte, wäre nach unserer
Ansicht besser gar nicht gemalt worden. Was sagte man wohl zu einem
Gedichte, das seinerseits einer Illustration bedürfte, um verstanden zu werden?
Overbeck hat in diesem seinem vielbesprochenem Bilde das ebenso maaßlos
gepriesen als geschmäht wurde, gezeigt, wohin ein so hervorragendes Talent
wie er sich verirren kann, wenn es an die Stelle inniger Empfindung nüch-
terne Reflexion, an die Stelle dramatischer Klarheit symbolische Gelehrsamkeit,
an die Stelle naiver, natürlicher Unbefangenheit Bekehrungseifer setzt.

Ehe wir diese Richtung weiter verfolgen, müssen wir noch einmal ans
die Akademiker znrückblicken, welche im Gewicht des Kampfes fast gänzlich
unbeachtet gealicben waren. Auch sie rühmten sich des Festhaltens an der
Antike, aber woran sie sich hielten, war nicht der Geist derselben, es war
nur deren Außen-Seite und auch diese ward nicht immer verstanden. Ihre

Klassicität war eine falsche; sie stand isolirt von den Kultnrzuständen der
Zeit und entbehrte darum der inneren Berechtigung; denn nur die Kunst,
welche in dem Leben ihres Volkes und ihrer Zeit ine Pfahlwurzeln geschlagen,
hat mit der Kraft auch das Recht zu bestehen. Unter den Anhängern dieser
Richtung sind ohne Zweifel die beiden Langer die begabtesten und wie man
auch im Allgemeinen davon denken mag, so kann ihnen doch ei» gewisser
Adel der Erscheinung, der freilich hie und da an die Bühne erinnert, nicht
abgesprochen werden. Wir finden Joh. Peter Langer durch seine „Todten-
feier des Patroklos" und die „heiligen drei Könige", Robert Langer aber
durch eine „Anbetung der heiligen drei Könige", die „Vermählung der heiligen
Katharina" und die „Erziehung des Bacchus" in der Ausstellung vertreten. Mit
ihnen starb die Schule der akademischen Eklektiker aus, die von der Antike
nur das äußerliche dekorative Element entlehnten, aber cS nicht mit innerem
Leben auszustatten wußten, so daß ihre Gestalten mehr oder minder nichts
sind als gut gezeichnete und bisweilen recht brav zusammengestellte Glieder-
männer. (Forts, folgt.)

Gi,»gesandt.

Unsere vor wenigen Wochen in der „Voßischen Zeitung" veröffentlichten „An-
fragen", die wir hier nicht erst wiederholen, da sie im Folgenden dem Wesen nach
enthalten sind, schlossen mit den Wortein „Dies vorläufig." — Man hat es für gut
befunden, das Berliner Kunstpublikum ganz seinen eigenen Betrachtungen über die
Verwendung der betreffenden Kunstausstellungs-Gelder zu überlassen und so
den verschiedenartigsten Vermuthungen Raum zu geben. — Ebenso ist die alte Ab-
sperrung in dem „neuen Museum" durch die grüne Wollen sch nur und den
rohen Bindfaden verblieben, ebenso wird noch die höchst lästige Fünf-Silber-
Groschen-Steuer an der Pforte dieses Musentempels erhoben, ebenso ist der alte
Zwang eines nur zweistündigen Besuches aufrecht erhalten worden. — Wir
fühlen uns daher ebenso moralisch wie kunstkritisch verpflichtet und berechtigt, nun auf
die Sache näher einzugehen, denn es ist unbestreitbar eine Pflicht und ein Recht der
Kritik, im Allgemeinen, der öffentlichen Meinung einen angemessenen und würdigen
Ausdruck zu geben, im Besonderen, das Interesse der Kunst und der Künstlerschaft
zu vertreten. —

Was die betreffenden Künstausstellungs-Gelder anbelangt, so hört man,
„das Kultus-Ministerium habe im Jahre 1848 Vorschüsse gemacht, um die Aus-
stellungs-Kosten zu decken. Zu diesem Zwecke würden diese Gelder, die sich durch-
schnittlich auf 12, bis 15,000 Thlr. belaufen, an das genannte Ministerium abgeliefcrt.
Aber, setzt man gleich hinzu, diese Vorschüsse müßten ja doch längst seit zehn Jahren
getilgt sein? — „Zu was, für wen, von wem" werden also heut diese Summen,
im Besonderen also die die Ausstellungskosten übersteigenden Einnahmen, d. h. die
Ueberschüffe verwendet, die doch sonst unter die tüchtigeren, jüngeren, unbeamteten
Künstler, dem Werthe ihrer Leistungen gemäß, vertheilt wurden? — Warum entzieht
ntmt ihnen seit vielen Jahren diese Prämien oder Gratifikationen?" — Dies sind die
Fragen, welche allgemein aufgeworfen werden. — Da sich die Ansstellnngö kosten
sicherlich nicht auf >2, bis 15,000 Thlrn. belaufen, sondern vielmehr alle zwei Jahre
mehre, vielleicht viele Tausende übrig bleiben, so entsteht uatürlich die ganz
einfache Frage, „wo kommen diese mehre oder viele Tausende hin, in wessen Beutel
fließen dieselben?" — Da die Künstlerschaft Berlins darunter leidet, und sie leidet
leider unter gar Vielem —, so hat sie natürlich auch ein Recht, darnach zu fragen,
warum sie so übel beeinträchtigt werde? — Angenommen auch, man verwendete diese
Summen nicht zu Gratifikationen oder Prämien für Künstler, man verwendete sic
vielleicht besser, z. B. zum Ankäufe von Meisterwerken der modernen deutschen Mal-
und Bild knnst für ein zn gründendes National-Muse um, so kämen sie doch immer
der Kunst und den Künstlern zu Gute, so aber verschwinden diese Tausende in ein
mysteriöses Dunkel. — So viel über diese Kunstausstellungs-Gelder und über
ihr dunkeleö Schicksal. Die Frage bleibt also noch eine offene•. „wo kommen sie
hin?" —

Betrifft diese Frage nur ein Besonderes, so betrifft eine zweite Frage ein All-
gemeines, die Königl. Akademie der Künste selbst, die Frage nämlich: wann
wird man endlich zu der so dringend nothwendigen Reform und „Reorgani-
sation" der Akademie schreiten, wann wird man endlich aus diesem Provisorium,
aus diesem Vicethum herauskommen und Künstler von Ruf und Bedeutung als
wirkliche Direktoren an die Spitze stellen? — Daß das Kunstwesen und Kunst-
leben in Berlin darunter siecht und leidet, daß man noch immer nicht zn einer zeit-
gemäßen Reform und Reorganisation der Akademie schreitet, daß man "noch immer
nicht einen Künstler von Ruf und Bedeutung, als wirklichen Direktor, an die
Spitze stellt, ist stadt- und landbekaunt. — Seinen jetzigen Kunstruf hat Berlin
vorzugsweise der schaffenden Triebkraft einzelner jüngerer Künstler, keinesweges
aber der Akademie, als solcher, zn verdanken. — Jedenfalls hat ein Kunst-Akademie
eine höhere Aufgabe, als eine bloße Schule, ein Gymnasinm zu sein, sie hat viel-
mehr die Aufgabe, gleich einer „universitas literarum“, das Recht, und die Freiheit,
und die Förderung der schönen Künste nach allen Seiten hin eifrig und schöpfnngs-
kräftig zu vertreten und so ein möglichst ideale« Knnstleben unter der Künstlerschaft
und im Volke selbst auzuregen und zn erhalten. Diese Aufgabe löst aber die hiesige
Kunst-Akademie nicht; sic kann, oder will, oder darf sic nicht lösen. —

Wenden wir uns nun zudem „neuen Museum", zu der General-Direktion
Wie viel hat auch hier die Kritik auszusetzen, wenn wir allein „das Treppenhaus
des neuen Museums" betreten. Die Neberladuug, die Ueberpackung dieses Raumes mit
den verschiedenarligsten Gipsen, von den kleinsten Reliefs bis zn den Kolossen des
Monte-Cavallo, beweist eine Geschmacklosigkeit sonder Gleichen. Man hat in diesem
„Treppenhause" die Grundbedingung alles Kunstwesens: Ruhe, Einheit, Harmonie,
vollständig verleugnet. Ist diese Ueberpackung an und für sich schon höchst geschmack-
los, so beeinträchtigt sie außerdem noch in höchstem Grade die Hauptsache, d. h. die
Kaulbach'schen Fresken. Diese Hauptsache aber an die Treppe zu verlegen, so
daß mau nirgends einen ruhigen und richtigen Standpunkt, einen klaren harmonischen
Totaleiudruck gewinnen kann, war einer der ärgsten Mißgriffe, dessen man sich
schuldig machen konnte. Dieses ganze Arrangement ist ebenso unverständig, als
wenn man, wie ein anderer Knnstschriftsteller sehr richtig bemerkt, „Das Altarblatt
in die Borhalle der Kirche setzen wollte." — Doch sehen wir hier von allen
allgemeinen inneren und äußeren Mängel des „neuen Museums" ab und fassen
wir nur einige administrative in's Auge.

Noch immer ist eine Wandflächc leer, noch immer ist nicht entschieden, was auf
ihr zur Darstellung gebracht werden soll. Allgemein bekannt ist, daß ans dieser sechs-
ten Wandfläche „die Reformation" durch den Genius des Meisters Kanlbach
verherrlicht werden solle. Die Kritik, und gewiß auch der Meister Kanlbach selbst,
versteht hier unter „Reformation" nicht das dogmatische Lutherthum, nicht einen bloß
einseitig kirchlichen Kampf und Sieg, sondern überhaupt den Sieg des freien Geistes
über die 'knechtende Hierarchie, den Umschwung der Völker zu einem neuen Dasein,
die Wiedergeburt, den Durchbruch der Vernunft ^ans veralteten, abgethanen Formen
und Fesseln, also überhaupt den Triumph des Menschlichen, der Humanität über die
Inhumanität, d. h. über die Lüge und die Gewaltthat, wie sie zunächst in der christlichen
Kirche und Hierarchie des Mittelalters ihren Ausdruck gesunden hat. — Dies ist, wie
allgemein bekannt und gesagt, die Aufgabe für die sechste Wandfläche, eine Aufgabe,
die logisch nothwendig zum ganzen Cyklus gehört und zugleich eine der ersten und
würdigsten für die ganze moderne Monnmental-Malerei ist. Wer vermöchte diese
Aufgabe besser zu lösen, als unser Meister Kanlbach. — Warum kommt es aber
nicht zu dieser Lösung? — Man sagt, „nltramontane Tendenzen, jesui-
tische Einflüsse seien dieser Lösung entgegen." — Man sagt, „Der Meister Kanl-
bach sei aus diesem Grunde rasch und im Verdruß jüngst von Berlin geschieden." —
Man sagt: — — doch lassen wir all' dieses Sagen und Hören, bei dem ein jedes
Prenßenherz mit tiefem Wehe erfüllt wird. — „Facta loquuntur.“ — Warten wir
also ab, wozu endlich diese sechste Wandfläche verwendet werden wird, ob zur Verherr-
lichung der Hierarchie, ob zur Verherrlichung der „Reformation" in der
bezcichneten ideellen Weise. — ,

Was nun die höchst lästige Fünf-Silber - Grosch en-Steuer anbetrifft, so
heißt es, „sie werde jetzt erhoben für kranke oder verunglückte Arbeiter des Museum-
Baues, und solle auch künftig hin erhoben werden für hülfsbedttrftige Künstler." —
Wag nun dies wahr sein oder nicht, soviel steht fest, daß es eines Königlichen
Museums durchaus unwürdig ist, an seiner Pforte sich 5 Sgr. Eintrittsgeld
bezahlen zu lassen, angeblich für „einige Berliner kranke Handwerker und hilfs-
bedürftige Künstler." — Fehlt es denn dem preußischen Staate an Geldmitteln, um
einige wenige Berliner kranke Handwerker und hilfsbedürftige Künstler zu unterstützen
und zu versorgen? — Muß zn diesen höchst partikularen und vorübergehenden Zwecken,
falls cs überhaupt keine anderen sind —, an der Pforte eines König!. Preußischen
Museums eine permanente Steuer erhoben werden? Es ist hohe Zeit, dag
der Herr Minister dieser Steuer und ebenso der höchst beschränkenden Maßregel
einer nur zweistündigen „Besuchszeit" ein Ende mache. — Warum wird ferner die
Schnur nicht weggenommen? — Der erste Saal der Kunstkammer ist ja längst fertig.
Möge sich doch der Herr Minister von der Zweckwidrigkeit dieser Maßregel per-
sönlich überzeugen. — Warum wird der Bindfaden von der Abtheilung links am
„SebaldnSgrabe" nicht entfernt? — Braucht es Monate, um einige GiPssächelchen,
die gerade jetzt frei stehen, in die Schränke zu stellen? —
 
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