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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 12.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.13559#0079
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KunstinstituLe und Aunstvereine.

Zur Hegenerirung äer Kunstvereme.

f achdem wir bis jetzt vergeblich auf eine Erfüllung unseres am
Schluß des mit der obigen Ueberschrift versehenen Artikels in
Nr. 2. d. I. ausgesprochenen Wunsches gewartet, des Wun-
sches nämlich, daß es den Kunstvereinsvorsländen gefallen möge,
ihre Ansichten über unsre Vorschläge kundzugeben, erhielten wir
von Herrn vr. Lucanus eine längere Besprechung dieser
Frage, welche sich jedoch weniger mit positiven Vorschlägen be-
faßt, als vielmehr eine Kritik unserer Ansichten, resp. eine Widerlegung der-
selben beabsichtigt. Wir lassen dieselbe hier in unveränderter Fassung folgen,
indem wir uns eine etwaige Entgegnung darauf Vorbehalten.

Dieselbe lautet:

In einigen Nummern des vorigen Jahrganges dieses Journals sind die
Verhältnisse der Akademien und Kunstschulen ausführlich erörtert, Vorschläge
Zu deren Umgestaltung und Grundsätze für die Erwerbung von Kunstwerken
für die Nationalgallerie empfohlen. In Nr. 2 der Dioskuren von 1867
kommen denn auch die Kunstvereine an die Reihe. Ohne tiefer auf deren
Entwickelung und jetzige Verhältnisse einzugehen, wird gleichwohl anerkannt,
daß ihre Thätigkeit, insbesondere von 1830 an, den belebendsten Einfluß auf
k>as Interesse für die Kunst und gleich anregend und fördernd auch auf die
Kunstproduction eingewirkt habe, daß aber jetzt schon vielleicht mehr als
nöthjg erreicht sei, und hierüber hinaus die Gefahr drohe, daß durch eine
Fortsetzung der bisherigen Thätigkeit lediglich der Mittelmäßigkeit Vorschub
geleistet werden dürste. Wenn der Herr Verfasser dabei hervorhebt, daß die
deutsche Kunst, besonders in den letzten Decennien, sowohl was Technik als
Vertiefung des Inhalts betrifft, bedeutende Fortschritte gemacht, aber auch die
Anforderungen Seitens des Publikums sich verhältnißmäßig gesteigert haben,
so müssen wir doch hinzusügen, daß die Anforderungen der Gebildeten noch
weit rapider gestiegen sind, als es der bei weitem größten Mehrzahl der
Künstler möglich ist, mit diesen Anforderungen gleichen Schritt zu halten.
Aber mehr noch als die Künstleistung im Allgemeinen ist der Preis gestiegen,
der gefordert zu werden pflegt, und auch die Ansprüche werden gesteigert,
welche die Künstler an die Kunstvereine stellen. Völlig abweisen müssen wir
über zunächst den Vorwurf, daß die (in Cyklen verbundenen) Kunstvereine,
durch ihre (veraltete?) Verfassung gebunden, stabil geblieben, mithin der Zeit-
ansorderung nicht mehr entsprächen. Jedem, der in der Praxis der Kunst-
bereins-Thätigkeit sich bewegt, ist bekannt, daß die zu gewissen Cyklen ge-
hörenden Kunstvereine, durch Deputirte vertreten, alljährlich ein- auch wohl
wehrmal Generalkonferenzen halten, und auf diesen auf Grund von gesam-
welten Erfahrungen, Anträgen und Forderungen, sowohl Das, was das Aus-
fkellungswesen, als Das, was die andere vielseitige Wirksamkeit der Kunst-
dereine betrifft, auf das sorgfältigste und umfassendste besprochen wird. Durch
Beschluß dieser Konferenzen wird ja das Programm für die Ausstellung fest-
besetzt, und werden die Vorstände der einzelnen Vereine veranlaßt, die als
Uvthwendig erkannten Statutsveränderungen und Zusätze zu bewirken. Da
bie Vorsitzenden der verschiedenen Cyklen sich gegenseitig die Protokolle der
wir. Verhandlungen mitthcilen, so kann von einer Stabilität sicher nicht die
^be fein. Der Grund, daß sich insbesondere bei den Vereinen, welche sich
WAher der zahlreichsten Unterstützung erfreuten, schon seit 10—12 Jahren
e’ne sichtliche Abnahme bemerkbar macht, liegt aber theilweise auch in der
w'genden Vermehrung der Kunstvereine selbst; man hält sich am liebsten zu
hu’ 11308 °m "Ochsten liegt. Aber richtig ist es, daß sich mit den Mitteln,
\ che jetzt den meisten Kunstvereinen zu Dienste stehen, bei weitem nicht Das
iicheu läßt, am Wenigsten in Bezug auf den Ankauf von Kunstwerken,
bor etwa 30 Jahren. Trotzdem sind die Verkaufsresultate nicht stabil
im bielmehr erheblich gestiegen. Wenn diese bis in die vierziger Jahre
den ^^stlichen Cyklus jährlich etwa 20,000 Thlr. betrugen, so haben sie in
kotzten 10—15 Jahren 30,000 Thlr. nicht selten überstiegen. Aehnlich

steht es im östlichen, noch günstiger im norddeutschen Cyklus, dagegen schwächer
im Süden. Allerdings ist die Preisdifferenz von 1832 und 1866 erheblich höher.
Für Lessing's „Leonore", Sohn's „Hylas", Hildebrandt's „Söhne Eduards"
wurden je 800—1000 Thlr. bezahlt, für Schrödter's „Don Quixote" 200 Thlr.,
dagegen 1866 für Achenbachs „Ostende" 3000 Thlr., und es ist bekannt,
welche enormen Preise Knaus, E. Hildebrandt erhalten haben. Für Ge-
mälde wie Lessing's „Huß", Knaus' „Nach der Taufe" sind die Einnah-
men der Kunstvereine nicht berechnet, aber gleichwohl wird für einzelne hervor-
ragende Meisterwerke für die Vereinsmuseen 1000 ja wohl bis 2000 Thlr.
angelegt.

Wenn sich die Vorschläge, welche in den Dioskuren gemacht sind, durch
Erhöhung der Beiträge um 25 Procent die Mittel um */» zu vermehre»,
wirklich realisiren ließen, so würden diese Fonds den gesteigerten Forderungen
offenbar in einem zu geringen Grade entsprechen; es ist aber vielinehr voraus-
zusetzen, daß in Folge einer solchen Procedur viele Mitglieder ganz aus-
scheiden würden, weil sie diese erhöhte Forderung ebenso unangenehm berüh-
ren würde wie jede Steuererhöhung. Wer freiwillig mehr zu thun geneigt
ist, der kann und wird mehr als eine Actie nehmen. Als zweites Mit-
tel, Geld zu ersparen, wird nun vorgeschlagen, das Vertheilen von Kunst-
blättern an alle Mitglieder aufzugeben. Dieses Vertheilen ist aber eins der
wirksamsten Mittel, diejenigen zu befriedigen, die für ihre Beiträge jedenfalls
auch etwas sicher haben wollen, denn die Zahl der Gewinne ist gegen die
Zahl der Actien immer nur eine kleine. In unserer so rationellen Zeit ist
die Zahl derer, die aus wirklich warmem Kunstinteresse Beiträge zahlen, bei
weitem die kleinste. Von den Bemittelten sind es meist diejenigen, die mehr
als eine Actie besitzen. Selbst auf die Unterschrift „für die Mitglieder des
Kunstvereins" wird von Manchem Werth gelegt, denn Jeder, der das Blatt
im Zimmer beschaut, muß zugleich lesen, daß der Besitzer, als gebildeter
Mann, die Kunst protegirt. Den Vereinsvorständen wird man keinen Vor-
wurf machen, wenn auf diese Weise für die Interessen der Kunst gewirkt
wird, es dient doch Alles dem höhern Zwecke. Es läßt sich überdem Nach-
weisen, daß in Folge von Vertheilung besonders schöner, allgemein anspre-
chender Kunstblätter die Zahl der Actionäre sich häufig sichtlich vermehrt
habe, während die Vereine, die es gewagt, die Vertheilung zu unterlassen,
den Versuch ohne Verzug haben wieder aufgeben müssen, weil sich an einem
Orte sogar mehr als die Hälfte der Mitglieder sofort haben streichen lassen.
Das Vertheilen entschieden vortrefflicher Kunstblätter von wirklich bedeutendem
Inhalt ist aber auch eins der fördersamsten Mittel, Kunstgeschmack und In-
teresse für die Kunst zu beleben, ja, es führt dahin, daß es Bedürfniß wird,
sich mit immer werthvollerem Kunstschmuck zu umgeben, und für den, wel-
cher die Mittel besitzt, nach und nach sich werthvolle Originalgemälde zu er-
werben. Manche Kunstvereine haben mit sehr gutem Erfolg einen Mittelweg
eingeschlagen, sie wechseln Jahr um Iahe mit der Verloosnng und mit der
Vertheilung von Kunstblättern. Dann sind auch die Ausgaben für die Ber-
einsblätter in der Regel viel geringer, als es angenommen wird. Bei eigner
Beschaffung, besonders wenn mehrere Vereine zusammentreten, pflegt sich der
Preis auf ein Fünftel, höchstens auf ein Viertel des sog. Ladenpreises zu
stellen, ja selbst Kunsthändler bieten bei großer Auswahl diese um ähnlich
niedere Preise an. Wo die Vertheilung nur alle 2 Jahr stattfindet, wird
mithin etwa ein Sechstheil, höchstens ein Fünftheil der Einnahme dafür ver-
wendet, während der zweijährige Beitrag für die Actie doch dem Preise gleich
steht, welchen ein solch schönes Blatt einzeln im Kunsthandel haben würde.

Gleich auffallend wie die bei einzelnen Vereinen eingetretene Vermin-
derung der Actienzahler ist auch die stete Vermehrung der AuSstellungskostcn,
häufig sogar bei zugleich verminderter Einnahme. Auch der Versuch, nur
Jahr um Jahr größere Ausstellungen zu veranstalten, oder statt der größeren
permanente zu halten, hat in den Resultaten nichts geändert.

(Schluß folgt.)
 
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