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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 16.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.13554#0099

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auf den poetischen Zweck des auszuschmückenden Raumes — hier
also einer Bibliothek — stellt an die allegorische Malerei zugleich
die entschiedene und unabweisbare Forderung, daß sie Wand-
malerei sei. Hiermit hängt auch die Technik zusammen. Das
Fresko und die Eukaustik — diese beiden Techniken wandte
Schwind au •— haben an sich jene feine Halbfarbigkeit, welche
sie weit mehr dem Aquarell als dem Oelgemälde verwandt zeigt;
und dieser Punkt ist gerade für Schwind von großer Bedeutung.
Seine vollendetsten Kompositionen, d. h. diejenigen, in denen das
geistige Element am prägnantesten und harmonischsten zur Er-
scheinung gelangt, sind alle — wenn Wandgemälde — al fresco,
wenn als Tafelgemälde oder als Blätter — in Aquarell aus-
geführt. Wo er, wie in seinem großen Oelbilde „Kaiser Ru-
dolph, der zum Sterben reitet" von diesem tief im Wesen seiner
Kunstanschauung liegenden Priucip abging, ist er mit sich selber
in Widerspruch und auf Irrwege gerathen.

Ein zweiter Auftrag wurde Schwind durch den Kron-
prinzen Maximilian, welcher die von Quaglio restaurirte Burg
Hohenschwangau mit Wandgemälden schmücken lassen wollte. Die
große Anerkennung, welche unserem Künstler durch seine Kompo-
sitionen für den Königsbau geworden war, lenkte die Aufmerk-
samkeit vor Allen auf ihn, und so übernahm er es, einen Cyklus
von „Sceuen aus dem Leben Karl's des Großen" für den Saal
der Burg, welcher nach dem Namen des großen Kaisers benannt
ist, zu komponiren. Da sie aber nicht von ihm, sondern von
Glinck, in Malerei ausgeführt wurden, auch Schwind verhindert
war, persönlich die malerische Ausführung zu überwachen, so
ging dabei viel von dem Geiste der Originalkompositionen, welche
bloße Bleistiftzeichnungen waren, verloren, so daß man in den
ausgeführten Gemälden kaum den Meister wieder erkennt.

Unter den hervorragenden Geistern Münchens war es, wie
in Wien Graf Auersperg, Lenau u. A., besonders E. Duller,
an den sich Schwind näher anschloß. Aus dieser Verbindung
gingen die meisterhaften Zeichnungen zu Duller's „Freund Hain"
hervor, welche die oft an's Groteske streifenden Phantasiebilder des
Dichters mit einem außerordentlichen Verständniß des ideellen In-
halts versinnbildlichten. In diese Zeit (1822) fällt seine italienische
Reise, welche jedoch durch die damals stark grassirende Cholera
unterbrochen wurde. Aber man dürfte schwerlich irren in der
Vermuthung, daß für Schwind, wenn überhaupt die Kunstdenk-
mäler Italiens auf ihn einen tieferen Einstuß ausgeübt hätten,
dieser Einstuß wahrscheinlich ein verwirrender gewesen wäre.
Die strenge Form der Antike hat ebenso wie die koloristische
Kraft der italienischen Malerei, im Verhältniß zu der roman-
tischen Innigkeit und Sinnigkeit des Schwind'schen Genius, etwas
Inkommensurables, das durch seine Fremdartigkeit nothwendiger-
weise ihn abstoßen oder unruhig machen mußte. Es ist mithin
vielleicht für ein Glück anzusehen, daß er damals durch das Fehl-
schlagen seiner Reise davor bewahrt blieb, in einen tiefen Zwie-
spalt mit sich selbst zu kommen.

Nach seiner Rückkehr fand sich bald eine neue Gelegenheit
zur weiteren Entfaltung seines schöpferischen Talents. König
Ludwig hatte bereits im Jahre 1832 den großen Bau des nörd-
lichen Flügels der Residenz, der den Namen „Saalbau" erhielt,
begonnen und zwar von vorn herein mit der Absicht, die um-

fangreichen Wände desselben mit großen Wandgemälden auszu-
schmücken. Schwind erhielt den Auftrag, einen großen Fries
für den „Saal Rudolphs von Habsburg" zu komponiren. Diese
Komposition gehört, durch die Fülle der Empfindung und die
graziöse Leichtigkeit der Gruppirung, zu seinen gelungensten und
geistvollsten Leistungen. Von entgegengesetzten Seiten her ent-
wickelt sich ein langer Zug reizender Knabensiguren, welche die
unter dem Kaiser Rudolph wieder auslebende Kultur in Acker-
bau, Gewerbe, Kunst und Wissenschaft, gleichsam wie in einem
Triumphzuge, versinnbildlichen. Zwei Spielleute eröffnen den
Zug, daun folgen Brauerknechte und Wanderburschen, Landleute
und Jäger, Gewerbsleute, Feldmesser, Mechaniker, Astronomen
und Buchdrucker; ferner die vier Fakultäten mit ihren Pedellen
vorauf, Professoren und Studenten. Diesem Zuge gegenüber
entfaltet sich, von der rechten Seite her, ein zweiter: hier geht
ein Jägerbursche voran, gefolgt von Musikanten und Winzern.
Diesen schließen sich an die Küfer, welche einen Tanz aufführen;
darauf die Steinmetzen und Bildhauer, Baumeister und Maurer,
die Maler und Tonkünstler. Den Schluß bildet, von Lyrik und
Tragödie begleitet, der lorbeerbekränzte Dichter. Außer Schwind
selbst betheiligten sich auch Schnorr und andere hervorragende
Künstler an der Ausführung, welche in Fresko auf Goldgrund
vollendet wurde.

Es würde uns zu weit führen, wenn wir Schwind in seiner
künstlerischen Thätigkeit Schritt für Schritt folgen wollten. So
erwähnen wir denn — um zu seinen späteren Hauptwerken zu
gelangen — nur kurz, daß in dieselbe Zeit (1836), da die Kom-
positionen für den Saal Rudolphs von Habsburg ausgeführt
wurden, mehrere kleinere Kompositionen fallen, wie „Der Traum",
wonach Graf Raczynski einen Holzschnitt für seine „Geschichte der
neueren Kunst" ausführen ließ, sowie eine Reihe von Illustra-
tionen zu Spindler's Werken, welche in Stahl gestochen wurden.

Es ist eben von dem Gegensatz die Rede gewesen, welcher
zwischen der romantischen Richtung Schwind's und der Antike
herrscht. Wenn wir daher Schwind im Jahre 1838 auf Schloß
Rödingsdors, der Besitzung des Dr. Crusius, mit der Aus-
führung einer Reihe von Wandgemälden aus der antiken Mythe
von „Amor und Psyche" beschäftigt finden, so scheint dies unserer
Ansicht zu widersprechen. Allein einmal hat diese Mythe, selbst
im antiken Sinn, einen fast novellistisch-modernen Charakter, der
sie dem deutschen Märchen in vielfacher Beziehung verwandt
zeigt, sodann wußte Schwind grade dies romantische Element

— wenn inan diesen Ausdruck auf die Antike anwenden darf

— bei aller Formenreinheit so zu betonen, daß seine Kompo-

sitionen als eine reizende Mischung antiker und moderner Schön-
heits-Elemente erscheinen. Wie wenig aber Schwind sich völlig
in die antike Anschauungswelt versenkte, während er mit jener
Fabel beschäftigt war, geht am besten daraus hervor, daß er zu
gleicher Zeit ein ganz romantisches Motiv zu gestalten suchte,
auf das ihn das Goethe'sche Gedicht „Die Brautfahrt des Ritters
Kurt" geführt hatte. Als er daher die Arbeiten in Rödiugsdoof
vollendet hatte, begab er sich nach Wien und malte für seinen
„Kurt" eine von Humor und geistvollen Bezügen übersprudelnde
cyklische Komposition, die sich im Wesentlichen an das Goethe'sche
Gedicht anlehnt. (Forts, folgt.)
 
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