230
im Entstehen begriffen ist, zu welchem 180,000 Frcs. freiwillige
Beiträge und eine geeignete Liegenschaft zur Verfügung stehen.
Nom. Es hat sich hier ein Comitö zur Errichtung eines
„Cavour-Denkmals" gebildet, zu welchem die erforderliche Summe
binnen 48 Stunden gezeichnet war.
— — Die drei Paläste auf dem Kapitol werden nunmehr
durch eine streng im Style des Ganzen gehaltene Säulenhalle unter
einander verbunden, so daß man von einem zum andern gelangen
kann, ohne den Platz zu betreten. Der Architekt Gäbet hat den
geistvollen Entwurf dazu gemacht, und der Gemeinderath selben auch
bereits genehmigt, die Ausführung aber ist den Herren Trivulzi
und Conci übertragen, welche jüngst beim Bau des Senatspalastes
bewiesen, daß Geschwindigkeit keine Hexerei ist. Auf der Piazza del
Popolo arbeitet man bereits an den Rahmen für die kolossalen
Gemälde, womit derselbe geschmückt werden soll.
Paris. Courbet hat an Jules Simon einen Brief gerichtet,
in welchem er seine politische Haltung seit dem 4. September aus-
einandersetzt. Er versichert, in die Commune nur eingetreten zu sein,
um die pariser Kunstschätze vor Vernichtung zu schützen, und fügt
hinzu, er würde, und wenn er auch nur seine eigene Stimme zur
Ernennung als Mitglied der Commune gehabt hätte, dieses Mandat
aus rein artistischem Interesse angenommen haben. Er erbietet sich
auch unter Anderem, aus seine Kosten die Vendomesänle wieder aus-
zurichten, und glaubt die Kosten decken zu können, wenn er zweihun-
dert in seinem Besitz befindliche werthvolle Gemälde verkauft.
London. Bei der Versteigerung der Gemäldegallerie
eines verstorbenen englischen Edelmannes hieselbst kamen u. a. drei
Gemälde von Rubens: „Ein Mönch", „Die Grazien" und
„St. Peter" unter den Hammer, für welche zusammen nur 325 Guin.
gezahlt wurden.
Kunstkritik.
Berliner Hunstjlcknu.
Kunstverein — Künstlerverein — Lepke.
(Schluß.)
er Vorwurf, welchen wir im Eingänge unsers
die Kau lb ach'scheu Cartons besprechenden
Artikels gegen das „Lokal des Künstler-
knng zu erhalten, unwillkürlich weiter zurück, als die dimensionalen
Verhältnisse der Komposition es ertragen. So kommt ein Zwiespalt
zwischen Zeichnung und Kolorit in das Bild, der die Wirkung nicht
Vereins" aussprachen, nämlich daß es sich „ unerheblich beeinträchtigt. Bei alledem bleibt es ein Meisterwerk
dazu hergegeben habe, jener blos auf Speku-
lation begründeten Ausstellung Vorschub zu
leisten, trifft — wie wir uns beeilen zu rekti-
ficiren — nicht dieses Lokal, sondern das des
Kunst-Vereins.*)
Das Hauptwerk im Lokale des Künstler-Vereins ist Adolph
Menzel's „Auszug des Königs zum Kriege gegen Frankreich".
Es ist mit einer diesem Künstler ganz eigenthümlichen Virtuosität,
die ein Staunen über solchen Grad der Herrschaft über die Mittel
hervorruft, behandelt. Der König ist im offenen Wagen zur Seite
seiner Gemahlin sitzend dargestellt, umgeben von einer bewegten
Menge, die sich von den Trottoirs Unter den Linden an ihn heran"
drängt. Meisterhaft ist die fast nur im Prosil sichtbare Straßen-
front mit den im Winde flatternden Fahnen zur Anschauung gebracht)
überhaupt das Ganze außerordentlich lebendig und naturwahr, nament"
lich auch hinsichtlich der ganz dem gewöhnlichen Leben abgelauschten,
im Allgemeinen jedoch das „Gewöhnliche" etwas zu stark sichtbar
werden lassenden Physiognomien. Wenn der Künstler es für passend
erachtet hat, die Königin sich mit dem Schnupftuch das Gesicht be-
decken zu lassen, so erklären wir uns dies eher aus dem Gefühl der
Besorgniß, mit seiner derben Naturwüchsigkeit der Zeichnung nicht
den entsprechenden Ausdruck zu treffen, als aus einem Mangel an Takt.
Die Koloristik ist nicht frei von Manier, obschon außerordentlich
wirkungsvoll: es dünkt uns, daß die Dimension der Bildfläche, weil
dadurch die Abstandsweite des Beschauers bedingt ist, einigermaaßen
für den Grad der Detail-Ausführung als bestimmend zu betrachten
wäre, was hier, wie überhaupt bei den Menzel'schen Bildern (auch
den Aquarellen) nicht genug berücksichtigt ist. Man erhält dadurch
den Eindruck, daß die einzelnen aneinanderstoßenden Tonstecke nicht
hinlänglich verschmolzen sind, um eine gleichmäßige harmonische Total-
wirkung zu erzielen. Man tritt daher, um solche harmonische Wir-
*) Der auf einem bloßen Druckfehler beruhende Jrrthum geht zwar
schon aus der Ueberschrift hervor; indeß halten wir es in Betracht der Um-
stände für unsere Pflicht, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen.
(D. Red.)
ersten Ranges, das unsere Bewunderung im höchsten Grade verdient,
wenn auch die ganze Richtung, der es entsprossen, nicht als eine im
Range hochstehende betrachtet werden darf. — Wir wären fast ver-
sucht, vorgreifend damit das herrliche Werk von Knaus („Begräb-
niß in einem Dorfe"), welches bei Lepke ausgestellt ist, in Parallele
zu stellen, um daran zu zeigen, wie die koloristische Technik mit der
kompositionellen Detaillirung in vollkommene Harmonie zu bringen
ist. Wir werden unten darauf zurückkommen.
Von den sonstigen neu ausgestellten Figurenbildern der Aus-
stellung des Künstlervereins ist als bemerkenswerth nur noch eins zu
erwähnen, nämlich Ernst Hildebrandt's „Moses, seiner Mutter
zurückgegeben". Ausdrücklich ist bemerkt, daß das Gemälde für eine
Villa bestimmt sei, wahrscheinlich für die Vorhalle derselben; dies
erklärt die im Ganzen dekorative Haltung sowohl der Färbung als
der Komposition. Aber dies schließt nicht aus, daß es von bedeuten-
der Wirkung ist. Nur die Luft erschien uns etwas zu dunkel, oder
vielmehr zu tobt im Ton, und würde hierin eine Auffrischung anzu-
rathen sein. Nicht „Die Findung Moses", also, wie das Motiv
gewöhnlich lautet, indem die Ausnahme des Knaben durch die ägyp-
tische Prinzessin geschildert wird, während, im Schilf verborgen, die
Mutter ängstlich lauschend der Scene beiwohnt, sondern der Moment
nach dieser Scene ist Gegenstand des Bildes. Die Mutter hält ihren
geretteten Knaben im Arm, während vor ihr ein junges Mädchen
kniet, das seine Freude lebhaft kundgiebt; im Hintergründe erblickt
man die sich entfernende Prinzessin mit ihrem Gefolge. Der Aus-
druck im Gesicht der Mutter könnte etwas bewegter sein, auch der
etwas bewußten Kopswendung des Kindes fehlt es an hinlänglicher
Natürlichkeit. Im Uebrigen macht das Gemälde durch geschicktes
Arrangement wie durch harmonische Tonwirkung einen wohlthuenden
Eindruck künstlerischer Gediegenheit. — Von Mante ist ein Bild
im mittelalterlichen Kostümstyl, betitelt „Schmetterlingsfänger", aus-
gestellt, in welchem wir den tatentvollen Maler des auf der großen
Ausstellung befindlichen Gemäldes „An der Quelle" kaum wieder
erkannt haben. Es sieht in der Komposition allzu gemacht aus, die
Farbe ist zwar verhältnißmäßig besser als die Zeichnung, aber auch
im Entstehen begriffen ist, zu welchem 180,000 Frcs. freiwillige
Beiträge und eine geeignete Liegenschaft zur Verfügung stehen.
Nom. Es hat sich hier ein Comitö zur Errichtung eines
„Cavour-Denkmals" gebildet, zu welchem die erforderliche Summe
binnen 48 Stunden gezeichnet war.
— — Die drei Paläste auf dem Kapitol werden nunmehr
durch eine streng im Style des Ganzen gehaltene Säulenhalle unter
einander verbunden, so daß man von einem zum andern gelangen
kann, ohne den Platz zu betreten. Der Architekt Gäbet hat den
geistvollen Entwurf dazu gemacht, und der Gemeinderath selben auch
bereits genehmigt, die Ausführung aber ist den Herren Trivulzi
und Conci übertragen, welche jüngst beim Bau des Senatspalastes
bewiesen, daß Geschwindigkeit keine Hexerei ist. Auf der Piazza del
Popolo arbeitet man bereits an den Rahmen für die kolossalen
Gemälde, womit derselbe geschmückt werden soll.
Paris. Courbet hat an Jules Simon einen Brief gerichtet,
in welchem er seine politische Haltung seit dem 4. September aus-
einandersetzt. Er versichert, in die Commune nur eingetreten zu sein,
um die pariser Kunstschätze vor Vernichtung zu schützen, und fügt
hinzu, er würde, und wenn er auch nur seine eigene Stimme zur
Ernennung als Mitglied der Commune gehabt hätte, dieses Mandat
aus rein artistischem Interesse angenommen haben. Er erbietet sich
auch unter Anderem, aus seine Kosten die Vendomesänle wieder aus-
zurichten, und glaubt die Kosten decken zu können, wenn er zweihun-
dert in seinem Besitz befindliche werthvolle Gemälde verkauft.
London. Bei der Versteigerung der Gemäldegallerie
eines verstorbenen englischen Edelmannes hieselbst kamen u. a. drei
Gemälde von Rubens: „Ein Mönch", „Die Grazien" und
„St. Peter" unter den Hammer, für welche zusammen nur 325 Guin.
gezahlt wurden.
Kunstkritik.
Berliner Hunstjlcknu.
Kunstverein — Künstlerverein — Lepke.
(Schluß.)
er Vorwurf, welchen wir im Eingänge unsers
die Kau lb ach'scheu Cartons besprechenden
Artikels gegen das „Lokal des Künstler-
knng zu erhalten, unwillkürlich weiter zurück, als die dimensionalen
Verhältnisse der Komposition es ertragen. So kommt ein Zwiespalt
zwischen Zeichnung und Kolorit in das Bild, der die Wirkung nicht
Vereins" aussprachen, nämlich daß es sich „ unerheblich beeinträchtigt. Bei alledem bleibt es ein Meisterwerk
dazu hergegeben habe, jener blos auf Speku-
lation begründeten Ausstellung Vorschub zu
leisten, trifft — wie wir uns beeilen zu rekti-
ficiren — nicht dieses Lokal, sondern das des
Kunst-Vereins.*)
Das Hauptwerk im Lokale des Künstler-Vereins ist Adolph
Menzel's „Auszug des Königs zum Kriege gegen Frankreich".
Es ist mit einer diesem Künstler ganz eigenthümlichen Virtuosität,
die ein Staunen über solchen Grad der Herrschaft über die Mittel
hervorruft, behandelt. Der König ist im offenen Wagen zur Seite
seiner Gemahlin sitzend dargestellt, umgeben von einer bewegten
Menge, die sich von den Trottoirs Unter den Linden an ihn heran"
drängt. Meisterhaft ist die fast nur im Prosil sichtbare Straßen-
front mit den im Winde flatternden Fahnen zur Anschauung gebracht)
überhaupt das Ganze außerordentlich lebendig und naturwahr, nament"
lich auch hinsichtlich der ganz dem gewöhnlichen Leben abgelauschten,
im Allgemeinen jedoch das „Gewöhnliche" etwas zu stark sichtbar
werden lassenden Physiognomien. Wenn der Künstler es für passend
erachtet hat, die Königin sich mit dem Schnupftuch das Gesicht be-
decken zu lassen, so erklären wir uns dies eher aus dem Gefühl der
Besorgniß, mit seiner derben Naturwüchsigkeit der Zeichnung nicht
den entsprechenden Ausdruck zu treffen, als aus einem Mangel an Takt.
Die Koloristik ist nicht frei von Manier, obschon außerordentlich
wirkungsvoll: es dünkt uns, daß die Dimension der Bildfläche, weil
dadurch die Abstandsweite des Beschauers bedingt ist, einigermaaßen
für den Grad der Detail-Ausführung als bestimmend zu betrachten
wäre, was hier, wie überhaupt bei den Menzel'schen Bildern (auch
den Aquarellen) nicht genug berücksichtigt ist. Man erhält dadurch
den Eindruck, daß die einzelnen aneinanderstoßenden Tonstecke nicht
hinlänglich verschmolzen sind, um eine gleichmäßige harmonische Total-
wirkung zu erzielen. Man tritt daher, um solche harmonische Wir-
*) Der auf einem bloßen Druckfehler beruhende Jrrthum geht zwar
schon aus der Ueberschrift hervor; indeß halten wir es in Betracht der Um-
stände für unsere Pflicht, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen.
(D. Red.)
ersten Ranges, das unsere Bewunderung im höchsten Grade verdient,
wenn auch die ganze Richtung, der es entsprossen, nicht als eine im
Range hochstehende betrachtet werden darf. — Wir wären fast ver-
sucht, vorgreifend damit das herrliche Werk von Knaus („Begräb-
niß in einem Dorfe"), welches bei Lepke ausgestellt ist, in Parallele
zu stellen, um daran zu zeigen, wie die koloristische Technik mit der
kompositionellen Detaillirung in vollkommene Harmonie zu bringen
ist. Wir werden unten darauf zurückkommen.
Von den sonstigen neu ausgestellten Figurenbildern der Aus-
stellung des Künstlervereins ist als bemerkenswerth nur noch eins zu
erwähnen, nämlich Ernst Hildebrandt's „Moses, seiner Mutter
zurückgegeben". Ausdrücklich ist bemerkt, daß das Gemälde für eine
Villa bestimmt sei, wahrscheinlich für die Vorhalle derselben; dies
erklärt die im Ganzen dekorative Haltung sowohl der Färbung als
der Komposition. Aber dies schließt nicht aus, daß es von bedeuten-
der Wirkung ist. Nur die Luft erschien uns etwas zu dunkel, oder
vielmehr zu tobt im Ton, und würde hierin eine Auffrischung anzu-
rathen sein. Nicht „Die Findung Moses", also, wie das Motiv
gewöhnlich lautet, indem die Ausnahme des Knaben durch die ägyp-
tische Prinzessin geschildert wird, während, im Schilf verborgen, die
Mutter ängstlich lauschend der Scene beiwohnt, sondern der Moment
nach dieser Scene ist Gegenstand des Bildes. Die Mutter hält ihren
geretteten Knaben im Arm, während vor ihr ein junges Mädchen
kniet, das seine Freude lebhaft kundgiebt; im Hintergründe erblickt
man die sich entfernende Prinzessin mit ihrem Gefolge. Der Aus-
druck im Gesicht der Mutter könnte etwas bewegter sein, auch der
etwas bewußten Kopswendung des Kindes fehlt es an hinlänglicher
Natürlichkeit. Im Uebrigen macht das Gemälde durch geschicktes
Arrangement wie durch harmonische Tonwirkung einen wohlthuenden
Eindruck künstlerischer Gediegenheit. — Von Mante ist ein Bild
im mittelalterlichen Kostümstyl, betitelt „Schmetterlingsfänger", aus-
gestellt, in welchem wir den tatentvollen Maler des auf der großen
Ausstellung befindlichen Gemäldes „An der Quelle" kaum wieder
erkannt haben. Es sieht in der Komposition allzu gemacht aus, die
Farbe ist zwar verhältnißmäßig besser als die Zeichnung, aber auch