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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 16.1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.13554#0279

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gegenüber, in seinem stets verschlossenen Palaste wohnte, und von
wilden Thieren, Rehen, Hirschen, wilden Schweinen, Füchsen re.
umgeben war.

Zahn begab sich eines Tages nach dem fürstlichen Palaste
und klopfte mit dem Thürklöpfer an die Thür. Da zufällig
Niemand von der Dienerschaft anwesend war, so war der Fürst
genöthigt, vom ersten Stock selbst die Thür zu öffnen. Unser
Künstler präsentirte sich als preußischer Professor, woraus der
Fürst ihm sogleich antwortete: „Kant war auch preußischer Pro-
fessor", ihn sehr freundlich empfing und ihm sofort bewilligte,
alle Antiken seines Museums Biscari in Catania zeichnen und
sogar über die Originale abformen zu lassen, auch mit seinen
Formern in dem Palaste Biscari zu Catania zu wohnen, so
lange er wolle. Ferner gab er ihm noch die wärmsten Em-
pfehlungen dahin mit.

Wir glauben unfern Lesern einen besonderen Genuß zu be-
reiten, wenn wir aus der Reihe von Briefen, welche Goethe
in jener Zeit an Zahn schrieb, an dieser Stelle noch einen
mittheilen, der, wie man aus dem Datum sieht, 10 Tage vor
Goethe's Tode geschrieben ist.

Da ich, mein Theuerster, Ihren lieben Brief vom 18. Febr.
heute am 6. März erhalte und ich daher hoffen darf, ein Blatt
von mir könne Sie noch vor Ende des Monats erreichen, so eil'
ich freundlichst zu erwidern, daß Ihre Sendung mich unendlich er-
freut hat.

Kaum, ich will es wohl gestehen, könnt ich bei mir festsetzen
und vertrauen: jene ehrenvolle Widmung werde sich auch für die
Folge aufrecht erhalten, mein Name könne dort bewahrt, Freunden
zum Versammlungspunkt dienen. Wie sehr weiß ich deshalb zu
schätzen, wenn meine werthen Landsleute, vereint mit den dortigen
Behörden, geneigt sind, den Ausdruck jener verehrlichen Gesinnungen
lebendig fortwirken zu lassen.

Freilich, Sonderbares mußte hier zusammentreffen! Es war
in den Sternen geschrieben (ich bediene mich dieses tropischen Aus-
drucks für eins der Ereignisse, wofür kein Wort zu finden ist), daß
mein Sohn, an dem ich so viele Freude, Sorge und Hoffnung er-
lebt, aus seiner parabolischen Bahn durch Italien, ehe er sein Ziel
in der Nähe der Pyramide des Cestius erreichte, so viel theilneh-
mende Freunde fand, und auch dort erwarb, um seinem Vater für
alle liebevolle Mühe, treue Sorgfalt und bedeutende Aufopferungen,
unter einem eigenen Zusammenwirken so mancher von einander unab-
hängigen Ereignisse, das würdigste Denkmal zu gewinnen. Ich weiß
recht wohl, daß wir Ihrem Einfluß dieses Gute schuldig sind, und
erkenne nicht allein, wie immer, Ihre rastlose zweckmäßige Thätigkeit,
sondern auch zugleich das Beharren in dem Wohlwollen gegen die,
denen Sie eine gründliche Neigung gewidmet haben.

Indem Sie die mir so erfreuliche Sendung bereiteten, haben
Sie durchaus empfunden, daß ich dergleichen Abbildungen sehnlich
zu erhalten wünschte. Zwar sind durch Ihre Sorgfalt und durch
Vermittlung wackrer Landsleute in den öffentlichen Blättern umständ-
liche und im Allgemeinen genugthuende Nachrichten zu uns gelangt;
aber je ausführlicher der Bericht ist, desto lebhafter sehnt sich der
Geist nach dem Vorbilde. Nun ist mein Wunsch erfüllt, und es
möchte wohl keine Frage sein, daß jenes Mosaik den Alexander als
Ueberwinder, den Darms mit den Seinigen überwunden und per-
sönlich zur Flucht hingerissen, vorstellt. Es ist ein höchster Gedanke,

daß, indessen der Perserkönig sich vor der unmittelbaren Gefahr
weniger als über den Untergang seiner Getreusten entsetzt, sein
Wagenlenker mit dern Peitschenstiele die nachdringenden, schon sieg-
wähnenden tapferen treuen Perser auseinander winkt, dem flüchtigen
Königswagen Platz zu machen, da denn der Wald der gegen die
Griechen gesenkten Speere durch diesen einzigen Geist dem Zuschauer
paralysirt erscheint. Mitwelt und Nachwelt werden nicht hinreichen,
solches Wunder der Kunst würdig zu commentiren und wir genöthigt
sein, nach aufklärender Betrachtung und Untersuchung, immer wieder
zur einfachen reinen Bewunderung zurückzukehren.

Unwiderstehlich wird man, ich kann es nicht übergehen, an die
Schlacht Constantins erinnert, die nun künftighin der Siegestriumph
des römischen Christenthums heißen müßte. Es beruhigt mich, einiger-
maaßeu ein zweites Kunstwerk zu kennen, welches den Geist befähigt,
durch Vergleichung und Gegensatz sich aus diesem antiken Kuoten-
gewirre herauszuwinden und sich den würdigsten Betrachtungen im
Stillen zu überlassen.

Bei dem Gebäude selbst, dessen Grundriß Sie vorsorglich bei-
gelegt, ist gar manches zu denken, vorzüglich aber Ihre Bemerkung
über das Abweichen einer strengen Symmetrie als von der größten
Wichtigkeit zu betrachten. Es läßt sich dieses ansehen wie die Aus-
weichungen in der Musik, die man nicht Mißtöne nennen sollte, weil
sie zu einem sonst unerreichbaren Schönen hinführen und uns die
anmuthigste Befriedigung vorbereiten.

Wie sehr es sich auch von selbst versteht, so darf ich doch nicht
unausgesprochen lassen, ja ich muß wiederholen, daß es mir ein
durchdringend würdiges Gefühl in meinen hohen Jahren giebt,
jüngere Heranwirkende zu sehen, die nicht allein, was ich bisher
allenfalls geleistet, billigen, sondern zugleich empfinden, daß der
Weg, auf dein ich unverrückt gewandelt, auch derjenige sei, auf
welchem sie prosperireu. Ich war stets aufmerksam auf diejenigen
Punkte der Welt-, Kunst- und Kulturgeschichte, wo ich mich immer
mehr vergewissern konnte, hier sei eine hohe, wahre, menschliche
Bildung zu gewinnen.

Zu ihren Ausgrabungen an verschiedenen Stellen wünsche Glück.
Was in jenen Gegenden, durch den furchtbarsten Zufall, in den
Grund gelegt worden, möchte bei näherer Untersuchung ganz un-
erschöpflich sein. Haben wir so großen Vortheil von diesen Ent-
deckungen gehabt, so müssen wir unfern Enkeln und Urenkeln auch
was gönnen. Sie, mein Theuerster, führen sie auf die rechte Spur,
und der rechte Sinn wird, bei successiver Entdeckung echter Gegen-
stände, gewiß erhalten und in echten Menschen zur gelegenen Zeit
fortleben und wieder ausleben.

Zu Ihren Unternehmungen, die Sie aus diesem Erd- und Wasser-
ball Vorhaben, wünsch' ich das herzlichste Wohlergehen, wenn auch
nicht ganz gerne, weil Sie mir gar zu sehr in's Weite rücken. Doch,
da ich wohl begreife, daß Sie Ihrer Thätigkeit nicht leicht Grenzen
setzen können noch dürfen, so will ich mit Freuden erwarten, ob das
Unschätzbare, was Sie uns gewiß zurückbringen, mir auch zu Lust
und Gedeihen zu rechter Zeit anlangen wird. Erhalten Sie mir
daher Ihr treues und wohlthätiges Andenken.

Sollte Herr Walter Scott noch in Ihrer Nähe sein, so
versichern Sie demselben, daß er sich bei uns durchaus einheimisch
finden werde, und nicht nur als Verfasser so vieler und bedeutender
Werke, sondern zugleich als ein Wohl- und Edel-Denkender, der
allgemeinen Ausbildung sich widmend. Und ich für meine Person
darf wohl sagen, daß diese durchgängige Anerkennung bei mir
durch eine gewisse Zärtlichkeit einer vieljährigen Verwandtschaft noch
erhöht wird.

Meine gute Tochter, die Ihr freundliches Andenken zum besten
erwiedert, wünscht, wenn es Gelegenheit giebt, der unverheiratheten
 
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