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Korrespondenzen.
iesbnden, den 1. Oktober. (Gemälde-Gallerie.)
Seit einigen Tagen befinden sich in der Gemälde-
gallerie (Wilhelms-Straße, Museumsgebäude) einige
Neuigkeiten, drei Bilder von Gustav Michel in
München, ein Genrebild „Alte Freunde", ein Thier-
stück „Alte Feinde" und ein „Stillleben", aus welche,
da sie von einer außerordentlichen Begabung Zengniß ablegen, wir nicht
verfehlen besonders aufmerksam zu machen. Die große Leichtigkeit und
treffende Charakteristik in Auffassung der Erscheinung sowohl, als ein
Schaffen im Dienste der Wahrheit bekunden eine reine Empfindung und
tiefe Erkenntniß des Ursächlichen. Das Kolorit enthält bei großen Fein-
heiten in Ton, Stimmung und Haltung viel Geschick in Bewältigung
des Bildungs-Materials. Durch das originelle Werthhalten der
Lokalfarben wird aus einen Styl hingewiesen, der in den wenigsten
Bildern der Neuzeit in diesem Maaße angetrosfen wird, da die
heutige grassirende Schablonenfarbenpracht in der Malerei im All-
gemeinen wenig Wahrheit anstrebt, ihr Heil nur in einer lukrativen
Scheinbarkeit findet und sich von den tieferen, nothwendigen Natur-
verhältnissen der Erscheinung wenig Rechenschaft zu geben vermag,
wodurch sie in ein gefälliges Jlluminiren ausartet, das, wie geistreich
es auch mitunter ausgeführt sein kann, sich zur Wahrheit doch ver-
hält wie die Meinung zur Ueberzeugung und immerhin von sehr-
geringem Kunstwerthe ist, denn das Kolorit haftet nicht an der Ober-
fläche der Erscheinung, sondern ist die Erscheinung selbst. Die Bil-
der von Gust. Blichet müssen wir daher um so mehr hervorheben, als
sein Kolorit durchaus keusch ist, eine Eigenschaft, welche heutzutage
nur wenig verstanden wird, und welche die Bilder um so mehr ziert,
als in ihnen die Primabehandlung mit vielem Verständniß beibehalten
wurde und sich nebenbei eine Oekonomie der Mittel zeigt, die in der
Art und Weise, wie sie zweckmäßig zur Geltung gebracht sind, ein
großes Kunstinteresse gewähren. Es könnte freilich im Allgemeinen
der Zeichnung eine größere Sorgfalt gewidmet sein, wenn wir auch
nicht den seinen Zug verkennen, der sie der Natur gewissermaaßen
näher rückt, indem deren Grenzen namentlich im Helldunkel nicht
immer erkennbar sind und dieselbe dann auch keine feste Zeichnung
hat. Ferner sagt uns die naive Art der Auffassung im Thierbild
und Stillleben mehr zu, als der etwas freie Vortrag in dem Genre-
bilde, welcher mehr als geniale Lockerheit zu bezeichnen wäre. Die
alte Frau wird bei ihrem so heiß geliebten Täßchen Mocca von
ihrem letzten Liebling unterbrochen. Ein rascher Sprung hat ihn
aus die Schulter der treuen Gefährtin gebracht; sehnsüchtige Kolo-
raturen schnurrend streichelt er die vielfach durchfurchte Wange; Alles
ist stille, nur die Liebkosungen der beiden Alten erfüllen das kleine
Gemach. Er herrscht Dürftigkeit in demselben, die Kleidung der
Frau ist ännlich und ihre derben, starkknochigen Arme bezeugen, daß
sie nur von ihrer Hände Arbeit lebt, aber die glücklichste Zufrieden-
heit strahlt dennoch aus den — einstens schönen Zügen. In dem
Thierstücke hat der talentvolle Künstler die sich gestellte schwere Aus-
gabe trefflich gelöst. Das Bild hat einen großen Ton und ist in
allen Theileu vorzüglich gemalt, die Charakteristik ist lebensvoll und
geht aus einem klaren Verständnisse der tieferen Bedingungen des
inneren Organismus hervor. Vom höchsten Affekt der grimmigen
Katzenmutter, von der Verdutztheit des gutmüthigen Hofhundes, der
sich, arglos den Speicherboden aufsnchend, plötzlich von seiner alten,
unversöhnlichen Feindin angefallen sieht, bis zu der naiven Harm-
losigkeit der spielenden Kätzchen treten uns die Beweise des ernstesten,
gewissenhaftesten Strebens entgegen; es ist darin eine Sammlung er-
kennbar, die sich ganz den Zwecken der Schönheit dienstbar macht. Die
strenge Zeichnung und Energie des Thierzornes, die feuchte Durchsichtig-
keit des wuthblitzenden Auges, das sammetweiche Fell der Kätzchen, das
Borstige der Haarmassen der Alten sind mit einer echt künstlerischen
Pietät behandelt und erheben dieses Bild zu den besten seiner Art.
In Bezug auf das Stillleben müssen wir die wohldurchdachte, schöne,
reiche Komposition, die große Klangfarbe der Malerei rühmend hervor-
heben und aus die bedeutungsvollen Gegensätze des gesottenen Hum-
mers, der Früchte, der Weingläser u. s. w. Hinweisen, deren har-
monische Einigung ein empsindungsvolles Versenken in den Reichthum
der verschiedenen Lebensbedingungen der Materie darthut und die
Wahl der ihrem Aeußern nach so heterogenen Gegenstände rechtfertigt.
Der Hummer, der auf dem mit frischen Blättern verzierten Teller
der Glanzpunkt des Bildes ist und nicht prachtvoller wiedergegeben
werden kann, der duftende Wein im Glase, die saftige Frucht, das
Brod, die gewiß noch köstliche Bissen enthaltenden Gefäße, Alles ist
so wahr, so plastisch, so einladend aus dem linnenbedeckten Tische
hingestellt, daß man wohl den Platz desjenigen einnehmen möchte,
für den es bestimmt ist. Ein schön abgerundetes Ganze, nichts
Störendes, Unruhiges darin, ein vollendetes Kunstwerk! Vor zwei
Jahren war unter anderen Bildern desselben Künstlers ein ähnliches
Stillleben ausgestellt, das von einem kunstliebenden Fremden ange-
kauft wurde. Die Fortschritte, welche der Künstler seit jener Zeit
gemacht, erweisen sich an den jetzt ausgestellten Bildern als ganz
ungewöhnliche und berechtigen dazu, demselben für seine Zukunft das
günstigste Prognostikon zu stellen.
Kunst-Khronik.
erlin. Das von der gemischten Deputation des Ma-
gistrats und der Stadtverordneten-Versammlung ausge-
stellte Programm zur feierlichen Enthüllung des Schiller-
denkmals lautet wie folgt: An den beiden Längsseiten
des Festplatzes, also an der Jäger- und an der Tauben-
Straße werden Podien erbaut, jedes für 1500 Per-
mit so vielen und so hohen Stufen, daß die darauf
Stehenden den Festplatz übersehen können, ohne den außen Stehenden
die Aussicht ganz zu versperren. An der schmalen Seite, nach der
Markgrasenstraße zu, wird eine Estrade mit Baldachin zu 50 Sesseln
errichtet, zu beiden Seiten derselben ziehen sich Podien hin; unmittelbar
vor dem Denkmal der Estrade gegenüber, erhebt sich ein kleines Po-
dium für circa zwanzig Personen, an der Rückseite des Denkmals
0)
svnen und
ein Orchester für 50 Musiker. Die Außenseite des Festplatzes, die
inneren Ränder der Podien und die nach dem Festplatz zugekehrte
Seite des Schauspielhauses werden mit Fahnen, Guirlanden rc. aus-
geschmückt. — Als Ehrengäste werden zum Feste eingeladen: der
Kaiser und die Prinzen des königlichen Hauses, die Ehrenbürger von
Berlin, die Staatsminister, der Oberpräsident der Mark Branden-
burg, der Gouverneur, der Kommandant und der Polizei-Präsident
von Berlin, das Reichstags-Präsidium, der Senat der Akademie
und Universität, die General-Superintendenten und Pröbste von
Berlin und der General-Intendant der königlichen Schauspiele.
Ferner werden zur Theilnahme am Feste geladen die Stadtältesten,
der Magistrat, die Stadtverordneten und die Bezirksvorsteher, der
Verfertiger der Bildsäule mit seinen Gehilfen, die dabei thätig ge-
Korrespondenzen.
iesbnden, den 1. Oktober. (Gemälde-Gallerie.)
Seit einigen Tagen befinden sich in der Gemälde-
gallerie (Wilhelms-Straße, Museumsgebäude) einige
Neuigkeiten, drei Bilder von Gustav Michel in
München, ein Genrebild „Alte Freunde", ein Thier-
stück „Alte Feinde" und ein „Stillleben", aus welche,
da sie von einer außerordentlichen Begabung Zengniß ablegen, wir nicht
verfehlen besonders aufmerksam zu machen. Die große Leichtigkeit und
treffende Charakteristik in Auffassung der Erscheinung sowohl, als ein
Schaffen im Dienste der Wahrheit bekunden eine reine Empfindung und
tiefe Erkenntniß des Ursächlichen. Das Kolorit enthält bei großen Fein-
heiten in Ton, Stimmung und Haltung viel Geschick in Bewältigung
des Bildungs-Materials. Durch das originelle Werthhalten der
Lokalfarben wird aus einen Styl hingewiesen, der in den wenigsten
Bildern der Neuzeit in diesem Maaße angetrosfen wird, da die
heutige grassirende Schablonenfarbenpracht in der Malerei im All-
gemeinen wenig Wahrheit anstrebt, ihr Heil nur in einer lukrativen
Scheinbarkeit findet und sich von den tieferen, nothwendigen Natur-
verhältnissen der Erscheinung wenig Rechenschaft zu geben vermag,
wodurch sie in ein gefälliges Jlluminiren ausartet, das, wie geistreich
es auch mitunter ausgeführt sein kann, sich zur Wahrheit doch ver-
hält wie die Meinung zur Ueberzeugung und immerhin von sehr-
geringem Kunstwerthe ist, denn das Kolorit haftet nicht an der Ober-
fläche der Erscheinung, sondern ist die Erscheinung selbst. Die Bil-
der von Gust. Blichet müssen wir daher um so mehr hervorheben, als
sein Kolorit durchaus keusch ist, eine Eigenschaft, welche heutzutage
nur wenig verstanden wird, und welche die Bilder um so mehr ziert,
als in ihnen die Primabehandlung mit vielem Verständniß beibehalten
wurde und sich nebenbei eine Oekonomie der Mittel zeigt, die in der
Art und Weise, wie sie zweckmäßig zur Geltung gebracht sind, ein
großes Kunstinteresse gewähren. Es könnte freilich im Allgemeinen
der Zeichnung eine größere Sorgfalt gewidmet sein, wenn wir auch
nicht den seinen Zug verkennen, der sie der Natur gewissermaaßen
näher rückt, indem deren Grenzen namentlich im Helldunkel nicht
immer erkennbar sind und dieselbe dann auch keine feste Zeichnung
hat. Ferner sagt uns die naive Art der Auffassung im Thierbild
und Stillleben mehr zu, als der etwas freie Vortrag in dem Genre-
bilde, welcher mehr als geniale Lockerheit zu bezeichnen wäre. Die
alte Frau wird bei ihrem so heiß geliebten Täßchen Mocca von
ihrem letzten Liebling unterbrochen. Ein rascher Sprung hat ihn
aus die Schulter der treuen Gefährtin gebracht; sehnsüchtige Kolo-
raturen schnurrend streichelt er die vielfach durchfurchte Wange; Alles
ist stille, nur die Liebkosungen der beiden Alten erfüllen das kleine
Gemach. Er herrscht Dürftigkeit in demselben, die Kleidung der
Frau ist ännlich und ihre derben, starkknochigen Arme bezeugen, daß
sie nur von ihrer Hände Arbeit lebt, aber die glücklichste Zufrieden-
heit strahlt dennoch aus den — einstens schönen Zügen. In dem
Thierstücke hat der talentvolle Künstler die sich gestellte schwere Aus-
gabe trefflich gelöst. Das Bild hat einen großen Ton und ist in
allen Theileu vorzüglich gemalt, die Charakteristik ist lebensvoll und
geht aus einem klaren Verständnisse der tieferen Bedingungen des
inneren Organismus hervor. Vom höchsten Affekt der grimmigen
Katzenmutter, von der Verdutztheit des gutmüthigen Hofhundes, der
sich, arglos den Speicherboden aufsnchend, plötzlich von seiner alten,
unversöhnlichen Feindin angefallen sieht, bis zu der naiven Harm-
losigkeit der spielenden Kätzchen treten uns die Beweise des ernstesten,
gewissenhaftesten Strebens entgegen; es ist darin eine Sammlung er-
kennbar, die sich ganz den Zwecken der Schönheit dienstbar macht. Die
strenge Zeichnung und Energie des Thierzornes, die feuchte Durchsichtig-
keit des wuthblitzenden Auges, das sammetweiche Fell der Kätzchen, das
Borstige der Haarmassen der Alten sind mit einer echt künstlerischen
Pietät behandelt und erheben dieses Bild zu den besten seiner Art.
In Bezug auf das Stillleben müssen wir die wohldurchdachte, schöne,
reiche Komposition, die große Klangfarbe der Malerei rühmend hervor-
heben und aus die bedeutungsvollen Gegensätze des gesottenen Hum-
mers, der Früchte, der Weingläser u. s. w. Hinweisen, deren har-
monische Einigung ein empsindungsvolles Versenken in den Reichthum
der verschiedenen Lebensbedingungen der Materie darthut und die
Wahl der ihrem Aeußern nach so heterogenen Gegenstände rechtfertigt.
Der Hummer, der auf dem mit frischen Blättern verzierten Teller
der Glanzpunkt des Bildes ist und nicht prachtvoller wiedergegeben
werden kann, der duftende Wein im Glase, die saftige Frucht, das
Brod, die gewiß noch köstliche Bissen enthaltenden Gefäße, Alles ist
so wahr, so plastisch, so einladend aus dem linnenbedeckten Tische
hingestellt, daß man wohl den Platz desjenigen einnehmen möchte,
für den es bestimmt ist. Ein schön abgerundetes Ganze, nichts
Störendes, Unruhiges darin, ein vollendetes Kunstwerk! Vor zwei
Jahren war unter anderen Bildern desselben Künstlers ein ähnliches
Stillleben ausgestellt, das von einem kunstliebenden Fremden ange-
kauft wurde. Die Fortschritte, welche der Künstler seit jener Zeit
gemacht, erweisen sich an den jetzt ausgestellten Bildern als ganz
ungewöhnliche und berechtigen dazu, demselben für seine Zukunft das
günstigste Prognostikon zu stellen.
Kunst-Khronik.
erlin. Das von der gemischten Deputation des Ma-
gistrats und der Stadtverordneten-Versammlung ausge-
stellte Programm zur feierlichen Enthüllung des Schiller-
denkmals lautet wie folgt: An den beiden Längsseiten
des Festplatzes, also an der Jäger- und an der Tauben-
Straße werden Podien erbaut, jedes für 1500 Per-
mit so vielen und so hohen Stufen, daß die darauf
Stehenden den Festplatz übersehen können, ohne den außen Stehenden
die Aussicht ganz zu versperren. An der schmalen Seite, nach der
Markgrasenstraße zu, wird eine Estrade mit Baldachin zu 50 Sesseln
errichtet, zu beiden Seiten derselben ziehen sich Podien hin; unmittelbar
vor dem Denkmal der Estrade gegenüber, erhebt sich ein kleines Po-
dium für circa zwanzig Personen, an der Rückseite des Denkmals
0)
svnen und
ein Orchester für 50 Musiker. Die Außenseite des Festplatzes, die
inneren Ränder der Podien und die nach dem Festplatz zugekehrte
Seite des Schauspielhauses werden mit Fahnen, Guirlanden rc. aus-
geschmückt. — Als Ehrengäste werden zum Feste eingeladen: der
Kaiser und die Prinzen des königlichen Hauses, die Ehrenbürger von
Berlin, die Staatsminister, der Oberpräsident der Mark Branden-
burg, der Gouverneur, der Kommandant und der Polizei-Präsident
von Berlin, das Reichstags-Präsidium, der Senat der Akademie
und Universität, die General-Superintendenten und Pröbste von
Berlin und der General-Intendant der königlichen Schauspiele.
Ferner werden zur Theilnahme am Feste geladen die Stadtältesten,
der Magistrat, die Stadtverordneten und die Bezirksvorsteher, der
Verfertiger der Bildsäule mit seinen Gehilfen, die dabei thätig ge-