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gleichsam nach innenA^ Für diesen Eindruck des In-siA-selbst-Zurückge-
bogenseins der Farben ist ihre überaus lockere Erscheinungsweise von großer
Bedeutung. Sie zeigt siA vor allem in der HintergrundslandsAaft: hier durch-
dringen sich Färb wölken ohne feste Grenze und Gliederung. Die Figuren
sind streng geschlossene, zeichenhafteS^ Farbsilhouetten ohne körperliche
Substanz. So entsteht eine eigentümliche Spannung zu ihrer formalen Schwere.
Maria und Johannes stehen breit auf dem Boden, der gewaltige Leib Christi
hängt schwerer am Kreuz als bei den früheren Darstellungen. Die Farbe
verwandelt die Körperschwerkraft. Der Leib ist da in seiner ganzen Gewich-
tigkeit, aber zugleich ist er entwirklicht. Eben diese Spannung aber steigert
die körperauflösende Funktion der Farbe, die Undichtigkeit des Farbgefüges
kommt umso eindringlicher zur Geltung. - Alle Farben sind fahl. Ihre Ge-
meinsamkeit liegt jetzt mehr im Helldunkelgehalt als im rein Farbigen. Die
Proportion zwischen Bunt- und Lichtwert hat sich zugunsten des letzteren
verschoben. Auch die Schatten wirken nicht farbsteigernd, wie etwa noA der
schwarze Eigenschatten des Freiburger Papstrotes, sondern legen sich als
schale, trübende SAleier über die FarbHächen. Da die Intensität der Farben
gemindert ist, können sie auA niAt mehr im früheren Sinne leuchten, sie
„scheinen" vielmehr auf in einem fahlen, kranken LiAt. Der erhöhte Licht-
wert geht zusammen mit der Kernlosigkeit der Farben, beides verstärkt siA
gegenseitig.
Die Lo&erheit und die betonte Figurenbezogenheit der Farben bedingen
die besondere Art des FarbausdruAs im Spätstil. Mehr denn je offenbart
siA das Innere durA die Farben, liegt es in den verletzbaren „offenen" Far-
ben gleichsam entblößt da. So kann es gesAehen, daß trotz SchwäAung der
überstarken Spannungen der farbige Ausdruck unmittelbarer, erschütternder
als je zur Wirkung kommt.
Der gleiche Stil prägt die Karlsruher Kreuztragung. Die Architektur
ist hart reAtwinklig. Die Horizontale des Frieses wird wiederholt in den wie
Maschinenkolben stoßenden Armen der Büttel der linken Gruppe und im
Stock des vorderen. Bei den zwei SAergengruppen sind alle Formen ver-
doppelt. Alles Individuelle scheint in der expressiven Monotonie dieser Fi-
gurenbildung erstorben zu sein. Die SAergen sind ohne Personzentrum,
sind Werkzeuge des Bösen. Christus ist ihnen ausgeliefert. Er ist ganz allein.
Niemand mehr, der Anteil nimmt, der mitleidet wie auf der Münchener Ver-
spottung. - Dieser äußersten Qual entspricht eine bis an die Grenzen des
Ertragbaren gehende Dissonanz der Farben. Die fahlen, mißfarbenen Rot-,
Grün- und Gelbtöne sind zu kleinen Intervallen und unreinen Komplementär-
kontrasten verbunden. Sie stehen vor stumpfer, verschlossener Dunkelheit,
die sie nächtig, düster macht. Die Farben sind nicht intensiv, sie sind durch
Grau oder sAmutziges Weiß getrübt. Aber gerade deshalb, weil sie so nicht
nach „außen" ausbrechen können, sind sie umso mehr der Farbdissonanz
ausgeliefert, sind sie um so unentrinnbarer, auswegloser in die ungelösten
Kontraste eingespannt. - Auch hier wird die Farbexpressivität durA die voll-

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