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Schneider, Paul [Hrsg.]; Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.> [Bearb.]
Paul Schneider: [Bildhauer] ; [anläßlich der Ausstellung im April 1985 in Lebach] — Lebach, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29726#0031
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Das Jahr 1982 bedeutet für Schneiders
Aquarellkunst eine Pause. Sie setzt 1983
wieder ein, mit einer noch dichteren Tech-
nik und strengeren Konzentration — im
Wortsinne, denn das Zentrum gewinnt zu-
nehmend an Bedeutung: Kreise, Drei-
ecke, Rhomben, Spiralen folgen einander
aus der Mitte, bisweilen ist diese besetzt
mit einem winzigen, mit der Lupe gemal-
ten Kristall. Aus dieser Mitte entfalten sich
Räume unmeßbarer Weite, in ihrer homo-
genen Struktur des öfteren durch ein Qua-
dratnetz veranschaulicht. Hinzu kommen
Fischblasen: zwei einander kreuzende, ein
Zentrum ausgrenzende Kreisbögen,
Mandala- und »Brahmanen-Ei«-Formen
als Symbole eines umfassenden Welt-
Verständnisses.

Das Aquarell vom 2. 2. 1984 (Abb. 2)
sondert ein leuchtend rosahelles Recht-
eck aus einer Dunkelzone mit reichster
Maserung in Graublau-, Rosa- und Grün-
lichtönen aus, die ihrerseits von einem
schmalen blaugrünen Randstreifen umzo-
gen ist. Im hellen Rechteck durchdringen
einander ein stehendes (männliches) Drei-
eck und ein hängendes (weibliches), bei-
de verankert im zentrierenden Kreis. Zarte,
frei gesetzte Farbflecken schwimmen in
der Helligkeit des Rechtecks: Phantasie
belebt die strenge Ordnung, steht ihr nicht
entgegen.

Ein anderes Thema veranschaulicht das
Aquarell vom 4. 3.1984 (Abb. 3): Ein türkis-
grünes, quer über die Bildfläche sich er-
streckendes Kreisband will reißen und gibt
an seiner dünnsten Stelle den Blickfrei auf
einen fernen roten Punkt, auf ein anderes,
»göttliches« Universum. Ein olivbraun-
rötlich gesprenkelter Grund umfaßt das
Kreisband. Unbestimmbar bleiben die
räumlichen Distanzen: senden die grünen
»Sterne« ihr kühles Licht aus unermeßli-
cher Ferne oder leuchten sie aus der Nähe
auf?

Schneiders Aquarelle entstehen in
höchster Sorgfalt, angespanntester Kon-
zentration. Alles Flüchtige, Ungefähre ist
ihnen fremd. Auf spiegelglattes Papier
wird eine Vielzahl von Aquarell-Lasuren

aufgetragen, in kühlen Farben von eige-
nem Klang: in Türkisgrün, Weinrot, Hellro-
sa, Blaugrau, Graubraun, kühlem Gelb. Ei-
ne abschließende Wachsschicht schützt
die Aquarell-Lagen und verleiht ihnen zu-
gleich ein nach innen gewandtes Licht,
nicht unähnlich der Politur von Steinen.
Dünne Linien in geometrischer Reinheit,
jedoch nie mit dem Lineal gezogen, tragen
auf ihre Weise zur Entrückung der Bild-
erscheinung bei. Mehrere Räume folgen
einander: ein rahmender Vorraum, ein
Hauptraum und der»innerste« Raum. Sol-
che Grundrißformationen sind zugleich Di-
mensionen kosmischer Räume von der
Maßstablosigkeit des »Kleinen«, das
»Größtes« in sich bergen kann.

So sind Schneiders Aquarelle Träger
kosmischer und existenzieller Ideen, spre-
chen in ihrer Stille, ihrem Schweigen, von
den Geheimnissen der Welt.
 
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