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Schneider, Paul [Hrsg.]; Dittmann, Lorenz <Prof. Dr.> [Bearb.]
Paul Schneider: [Bildhauer] ; [anläßlich der Ausstellung im April 1985 in Lebach] — Lebach, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.29726#0032
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Prinzipien der Steinskulptur
Paul Schneiders

Eserscheintalssinnvoll, daßSchneiders
künstlerisches Werk in Steinskulpturen sei-
ne Krönung findet — wiewohl, um dies zu
wiederholen, wichtige Gestaltungsele-
mente der Metallplastiken in den Steinwer-
kenfortgeführt werden: Konsequenzistein
zentrales Charakteristikum des Schneider-
schen Schaffens — im Stein aber kommt
das Grundthema dieser Kunst erst zu sich
selbst: die Begegnung von Kunst und
Natur 23>.

Diese Begegnung von Kunst und Natur
vollzieht sich in mehreren Dimensionen.
Eine erste ist die Unterscheidung bearbei-
teter und unbearbeiteter Teile in Schnei-
ders Steinskulpturen.

Mit Bedacht läßt Schneider an wesentli-
chen Stellen die natürliche Gestalt des
Steines, den Stein als Rohling, in die Er-
scheinung treten, und so die Schönheit
und Besonderheit, die diesem schon als
Naturgebilde eigen ist. Und hier ist daran
zu erinnern, daß schon die Wahl des oft
von weit herangeholten Steines, des Gen-
fer Marmors, des schwedischen, afrikani-
schen oder indischen Granits, desschwar-
zen Basalts, zunehmend auch des grauen
Granits aus dem Fichtelgebirge oder des
rötlichen aus dem Schwarzwald, einen
künstlerischen Akt wie auch eine Geste
dertiefen Naturverbundenheit des Künst-
lers darstellt.

Die Unterscheidung unbearbeiteter und
bearbeiteter Teile geht zusammen mit der
Unterscheidung des «Äußeren« und des
»Inneren« im Steine— einmal der Farbe
nach: durch das Glätten und Polieren
kommt eine andere, »innere«, oft edelstein-
haft aufglänzende Farbe zur Erscheinung
als die oft rauhe Kruste des »Außen«; —
zum anderen der Form nach: die bearbei-
tete und dadurch als »Inneres« definierte
Partie des Steines gewinnt Gestalt in ste-
reometrischer Form, als Kubus, Würfel, Zy-
linder, Viertelkugel etc. Das ist keineswegs
selbstverständlich, kann auch nicht bloß
stilistisch, d.h. durch Verbindung dieser
Skulptur mit der »konstruktivistischen«
Richtung in der Kunst des 20. Jahrhun-
derts erklärt werden.

Es bezeugt sich hierin vielmehr wieder-
um eine Einsicht in das Wesen der Natur
Die schon in der griechischen Antike, von
Pythagoras, formulierte Theorie, daß das
Wesen der Natur sich in »Zahlen« aus-
drücke, ist für die moderne Naturwissen-
schaftvon ungebrochenerGültigkeit. »Das
>Wesen< der anorganischen Natur, der in-
nere Grund, warum sie so ist, wie sie ist,
und nicht anders, liegt darin, daß sie nur so
das ihr eigene große, ja vielleicht das über-
haupt denkbar größte Ausmaß an Symme-
trie besitzen kann. 24>«

Nun ist die mathematische Erfassung
der Natur auch ein Prinzip der »neuzeitli-
chen Weltausrechnung« und steht —wie
an der modernen Technik immer deutli-
cher wird —in der Gefahr des Naturmiß-
brauchs, der Vernutzung, der Ausbeutung
der Natur. Die Kunst antwortet dieser
technisch-industriellen Naturverachtung
mit Bildern der in sich ruhenden, zu einem
Kosmos geschlossenen Natur, vor deren
Würde und Größe der Mensch staunend
steht.
 
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