Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kanntmachung an Strassonecken und öffentlichen Plätzen, in je-
dem Schauspiel,' jeder Oper werden diese Einflüsse täglich,
stündlich wiederholt; was Wunder, wenn sie zuletzt mit der
Macht des den Stein aushöhlenden Tropfens wirken und das ger-
manische Wesen vollständig verdrängen! Und nicht blos etwa
zufällig wirken diese Elemente, im Gegentheil, die französische
Politik kämpft mit Bewusstsein für ihren Einfluss in diesen Re-
gionen. Das französische Gouvernement subventionirt, wie man
uns versicherte, mit bedeutenden Summen seine Organe in der
Presse, ganz abgesehen von der unglaublichen Thatsache, dass
alle Redakteure der belgischen Journale Franzosen sind, die
schon in ihrem eignen und nationalen Interesse, alles was fran-
zösisch, systematisch stützen und heben, und alles was deutsch,
mehr oder minder ungünstig behandeln. Von welcher Art aber
die Redaktionen der Tagespresse mit wenig Ausnahmen seien,
darüber lauteten die Aussprüche der ehrenwerthesten Belgier,
die wir zu hören Gelegenheil hatten, nicht sehr erbaulich, ja
man behauptete ohne Rückhalt, es würde unmöglich sein, einen
Belgier zu finden, welcher eine Redaktion übernähme, weil von
dem Augenblicke an sein unbescholtener Ruf gefährdet sein
würde! Die ausgezeichnetsten belgischen Künstler beklagten
sich bitter, dass man ihrem belgischen Publikum und ihren Ama-
teurs unablässig durch die Journale die mittelmässigsten fran-
zösischen Bilder, die in Paris keine Bewunderer und Käufer
finden, als die genialsten Erzeugnisse der Gegenwart anzuprei-
sen und aufzudrängen bemüht sei. Wie konsequent diese Rich-
tung verfolgt werde, davon hatten wir oft genug Gelegenheit
uns beim Lesen der Journalberichte zu überzeugen, die immer
nur mit Berücksichtigung ihrer speziellen mehr oder minder
französischen Färbung vorsichtig aufgenommen werden dürfen.
In dieser Hinsicht besonders interessant waren die Berichte
über ein Bild eines gewissen Courbet, Chausseearbeiter vor-
stellend, welche Steine klopfen,1) und das von der Seite der
begeisterten Franzosenfreunde und besonders von den jungen
Künstlern dieser Färbung, als ein Ideal der zukünftigen Kunst
betrachtet, von der entgegengesetzten Partei vielleicht zu ge-
ring angeschlagen, seinem wahren Werthc nach sich auf eine
talentvolle, coquett farblose Darstellung von ein paar wirklichen
Chausseearbeitern beschränkt. Denkt man sich dieselben mit
all dem Schmutz und all der Hässlichkeit, die diesem harten
Handwerk gewöhnlich anhängt, zu einem Genrebilde in Lcbens-
grösse verarbeitet, mit absichtlicher oder unabsichtlicher Ver-
meidung jeder Spur eines Gedankens in Situation oder Zusam-
menstellung der Figuren, die im realsten Sinne des Wortes
eben nichts als Steine klopfen, so wird man der Wahrheit am
nächsten kommen. Dass dabei die confusen Ideen von Socia-
lismus und Gleichberechtigung, die heutzutage in keinem noch
so fernliegenden Bereiche fehlen dürfen, eine grosse Rolle
spielten, versteht sich von selbst, ja man versicherte, der junge
Maler nenne sich selbst den ersten socialistischen Maler!
Wenn die Kritik der Journale, die allgemein die Feuille-
tons einnimmt, zuweilen ziemlich leichtfertig erschien, so musste
man sich das immerhin gefallen lassen, am wunderlichsten aber
gebehrdete sie sich unzweifelhaft bei dem ungewohnten Ver-
suche, sich je zuweilen über die deutschen Arbeiten mit
einer Art von ungewohnter wissenschaftlicher Tiefe zu ergehen.
Mit grossem Ergötzen erinnere ich mich in dieser Beziehung
eines Artikels in dem Journal de la Belgique; wenn ich nicht
irre, der mir zufällig in einem Cafe von Löwen in die Hände
fiel, und der mit so wunderbaren philosophischen Betrachtungen
über die deutsche Kunst gespickt war und sich so unbeschreib-

i) Man vergleiche die Beurtheiiung des Künstlers und des angeführten
Gemäldes von Seiten unseres geschätzten Pariser Mitarbeiters in ?fo. 13 des
Holhein - Jahrgangs.

lieh abmühte, die Nation der Denker und Träumer in ihren
Bestrebungen nach Idee zu charakterisiren, dass man aus der
heitersten Stimmung über diese sletsamen Anschauungen gar
nicht herauskommen konnte; — dass das Ende vom Liede denn
doch nur eine tüchtige Abkanzelung der deutschen Leistungen
auf der Brüsseler Ausstellung war, versteht sich von selbst.

Gegenüber dieser an sich schon so bevorzugten Stellung
der französisch belgischen Presse ist es um so mehr zu be-
dauern, wenn ein Mann wie Conscience in Antwerpen, der
dem deutschen Elemente innig zugethan, bei seinen Bestre-
bungen, das vaterländisch flämische Element zu heben, wenn
diese auch im Allgemeinen anerkannt werden, doch, wie man
uns versichert, bei weitem nicht die nöthige Unterstützung hierin
bei den deutschen und namentlich der preussischen Regierung,
die jedenfalls die nächslbetheiligte wäre, findet.

Leider drängt sich in dieser Beziehung dem Deutschen auch
in Belgien mit jedem Schritt mehr als je die trübe Betrachtung
auf, dass die deutsche Nationalität und ihre Interessen aller
Vertretung und alles fördernden Schlitzes entbehrt, den die
französische und englische überall geniesst. Alles wird dem-
nach für die Geltung deutscher Kunst auf die konsequente Durch-
führung des Antheils ankommen, den die deutschen Künstler
selber an dem Wettkampfe der Nationalitäten auf belgischen
Ausstellungen nehmen. Möchten auch diese Zeilen dazu
beitragen, allen denen unserer Kunstnotabilitäten,
welche, obgleich Alle aufgefordert, diesmal fehlten,
Neigung für künftige Fälle einzuflössen, nicht etwa
blos den bereits begründeten und verdienten Ruf,
sondern die deutsche Kunst in einem befreundeten
Lande wirksam zu repräsentiren. Schon bei der zu-
nächst erfolgenden Ausstellung in Antwerpen in diesem Jahre
dürfte die Gelegenheit dazu nicht versäumt werden, um so
mehr, als Antwerpen reicher noch an deutschen Sympalhieen,
dem französischen Einfluss immer ferner und daher viel weniger
französirt ist, als Brüssel. Hier ist es mit Conscience, der
als Schriftsteller in deutschem Sinne wirkt, zunächst Wap-
pers selbst, der die deutsche Kunst liebt und sie der franzö-
sischen gegenüber gestellt wissen will. Er selbst, eine echte
Künstlerpersönlichkeit, äusserlich sogar an die alten Flamlän-
der, besonders an Rembrandt erinnernd, von genialer Jovialität,
der leider in neuester Zeit etwas zu wenig producirt hat, ist
jedenfalls der bedeutendste unter den belgischen Künstlern,
welche die rein nationale Richtung repräsentiren. An natür-
licher Befähigung, echtem Schwung und dabei einer tiefen und
richtigen Würdigung der alten niederländischen Kunst, wie sie
bei wenigen seiner Landsleute gefunden wird, von Keinem über-
troffen, hat er vielleicht zu wenig von dem rastlos strebenden
Ehrgeiz und der berechneten Taktik moderner Künstler, die oft
das Genie ersetzen muss. Sein grösstes Verdienst, und das
darf selbst um mancher schwächeren Kunstleistung willen nicht
vergessen werden, besieht darin, seiner Zeit die von David
überlieferte und in der Nachahmung der Antike erstarrte Ma-
nier, durch seine ersten Werke, insbesondere durch seinen
Bürgermeister von Leyden, entschieden gestürzt und eine neue
lebensvollere- Richtung auf Natur und Charakteristik begründet
zu haben. Leider war das angeführte Bild uns unzugänglich,
indessen in dein grossen Bilde im ehemaligen Temple des Au-
gustins, Scene aus der* Brüsseler Revolution, olfenbart sich
ebenso jene frische, kühne und rücksichtslos natürliche Rich-
tung, die immer ein Zeichen wahrer Genialität ist, besonders
aber, wenn sie sich inmitten eines verkünstelten und falschen
Zeitgeschmacks mit urkräftiger Macht Bahn bricht. In demsel-
ben Räume, ihm gegenüber, hängt das bekannte Bild seines
bedeutendsten Schülers, deKeyzer, die Schlacht von Worrin-
 
Annotationen