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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0107
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das Bild des sieggekrönten Adlers an der andern Querseile.
Auf dieser, der Vorderseite, lesen wir:

1. Ihrem Könige Friedrich Wilhelm III. die dankbaren Preus-

sen. 18dl.
Die Inschriften der anderen Seiten sind:

2. Sein Beispiel, Seine Gesetze machten uns stark

3. zur Befreiung des Vaterlandes.

d. Ihm danken wir des Friedens Segnungen.

Das Geschichtliche erhält einen umfassenden Sinn durch
sechs weibliche allegorische Figuren von lebensgrosser Bildung.
An den Ecken des Postaments stehen der Glaube, die Gerech-
tigkeit, die Liebe und die Weisheit. Will man den Glauben
für die Glaubenstärke annehmen, für jene Kraft, die die Be-
freiung uns erringen Hess, so können wir in ihr, neben der
Weisheit und Gerechtigkeit, eine der Cardinal lügenden erken-
nen, deren vierte, die Massigkeit, um ihrer Nüchternheit willen
von der Liebe zurückgeschoben wird. Der Künstler sah offen-
bar von den Cardinaltugenden ab, indem er der Weisheit die
Eule der Pallas gab und dem Glauben und der Gerechtigkeit
Kelch und Waage vorenthielt. Die Mitte der Längenseiten nimmt
die gerüstete Borussia ein — sie haben wir als die eigentliche
Kraft, die Thatkraft anzusehen — und die Abundantia (Se-
gensfülle).

Der Künstler selbst nannte die vier ersten Figuren Glau-
bensstärke, Gerechtigkeit, Liebe (Vaterlandsliebe) und Weisheit,
die beiden letzteren Tapferkeit und Friede. Sie sind nicht von
gleichem Werthe. Die schönste ist die Gerechtigkeit, die in
grandioser Haltung, den Fuss auf ein Felsstück gesetzt, mit
dem Gesetzbuch in der Linken in ungetrübtem Bewusstsein sich
auf das hohe Schwert stützt. Vielleicht hätte man ihr um so,
viel -mehr Strenge, als der Abundantia Freundlichkeit gewünscht.
Wenn Schönheit und Strenge das Gepräge dieser Beiden, so ist
der Ausdruck der Weisheit das Edle. Die beiden Knaben der
gegenüber stehenden Figur, der Liebe, erklären, dass die Liebe
zur Befreiung des Vaterlands gemeint sei. Der ältere stürmt
mit wildem Blick und aufwärts strebenden Haaren hinaus, wäh-
rend der kleinere auf dem Mutterarm nach dem Zahn sucht. —
Die Figuren sind so gestellt, dass ihre Beziehung "zu den ge-
schichtlichen Darstellungen nirgend verkannt werken kann.

Die Denkmals-Commission wählte als Schmuck der Kö-
nigs-Statue den Purpurmantel. Dadurch, ohne es zu wollen,
bestimmte sie eine allegorische Auffassung, obgleich sie sich
gegen Allegorien aussprach, da sie mehr oder minder eines
Commenlars bedürfen. Der Purpurmantel und nicht minder der
krönende Kranz verstösst wider die Wahrheit, aber er bedingt
auch ein Abweichen von der Wahrheit in soweit, als der Künstler
sich gedrungen sah, den Eindruck des Prächtigen im Ganzen
festzuhalten bei ihm, für den das Einfache und Glanzlose be-
zeichnend war.

Bei Beurtheilung eines Kunstwerkes möge man bei dem,
was gegehen ist, nicht vergessen, was gegeben werden sollte1).

1) Der Schreiber dieses übergab bei Gelegenheit der vom Prof. Kiss ein-
gelieferten kleinen Gypsmodelle eine Vorlesung: „Ueber Reiterstatuen in Be-
zug auf das in Königsberg zu setzende Denkmal Friedrich Wilhelms III." 1844
dem Druck. Er sprach sich liier gegen die Wahl des im Fürstenmantel pran-
genden Helden aus, nachdem bereits die Denkmals-Commission mit einer
Stimmenmehrheit von sieben gegen drei sich für Lorbeerkranz und Purpur-
mantel entschieden hatte. So zeigte den König das eine Gypsmodell, das
andere von allem Prunkhaften fern mit dem Feldmantel und dem Federhut.
Bei einem Figürchen in der Kleinheit des Modells ist eine solche genre-
mässige Auffassung ganz am Ort, die aber aufgegeben werden muss, wenn
sie nicht geradezu die Persönlichkeit fordert. Der welthistorische Hut und
Ueberrock kann bei einer Portraitslatue Kapoleons eben so wenig vermieden
werden, als bei der des alten Fritz die charakteristische Tracht. In der ge-
nannten Schrift S. 15 heisst es: „Wenn wir den Hut hinweg denken, den

Schadow nennt bei Gelegenheit seiner Feldherrnstatuen
die Reliefs des Untersatzes die Prosa der Arbeit, und bezeich-
net dadurch den grellen Gegensatz des eigentlichen Werkes zu
dem Theil, der ihm nur als Stütze und notwendiges Uebel un-
tergeschoben wird. Thorwaldsen's bayrischer Kurfürst zu
Ross entbehrt aller Zierde auf dem Postament, das in einem
polirten Granitwürfel besteht. Unserm Künstler war die Auf-
gabe gestellt, ein Denkmal zu schafFen, bei dem die Königs-
statue den hervorragenden Abschluss bilden, bei dem aber der
angeordnete Bau zu einem, bedeutsamen Ganzen sich erheben
sollte. Architektur und Skulptur mussten sich innigst durch-
dringen, Geschichte und Symbol mit einander verschmelzen.

Sonst vermisst man das Ineinanderwirken der Künstler, in-
dem der Architekt den Sitz bereitet, auf den das Werk des
Bildhauers aufgestellt wird, sonst ist in dem Bildwerk, wenn
nicht eine bestimmte Handlung, so doch eine bestimmte Rich-
tung in dem Wirken des Gefeierten veranschaulicht. Hier sollte
zugleich Held, Gesetzgeber und Landesvater vor Augen gestellt
werden und das Umfassende erlitt nur in so weit eine Be-
schränkung, als die Provinz Preussen durch das Denkmal die
Zeit der glorreichen Regierung versinnlicht sehen wollte, da
Friedrich Wilhelm der Gerechte in ihrer Hauptstadt residirte
und unter dem Druck äusserer Demüthigung, im Vertrauen auf
die geistige Macht des Staates, einer bessern Zukunft entge-
genschritt, da von hier aus, nach dem Bruch graugewordener
Verfassungsformen, der Bruch mit der Fremdherrschaft erfolgte
und reicher Segen den Freiheitskriegen entblühte. Dies ist der

der grosse König stets, selbst in der Todesstunde trug, so heben wir seine
merkwürdige, äusserliche Erscheinung auf. Mit dem liagern Bildniss, dass
überall spitze Ecken zeigt, ist der Dreimast und der Krückstock so ver-
wachsen, dass man neuerlichst durchaus angemessen sich dafür entschieden
hat, ihn, wie er war, auf die Nachwelt zu bringen. In der Statue Fried-
rich Wilhelms!., die in Gumbinnen aufgestellt ist, wagte es Bauch nicht,
mit dem Hermelinmantel den langen Haarzopf zu verdecken, der steif und
unbeugsam wie der gerade. Blick des Herrschers sein Wesen bezeichnet".
Friedrich Wilhelm III. wechselte wie in den Uniformen der Soldaten, so
auch oft in der eignen Kleidung. Der Federhut, jeder Lieutenant konnte
einen ähnlichen tragen, war für ihn durchaus keine besondere Zierde. Der
nur zu schlichte Hut mag sich erträglich auf gemalten Povtraits ausnehmen,
man denke — um die S. 18 befindlichen Worte zu wiederholen — sich aber
einen Hut von Erz, der nach Verhältniss der kolossalen Statue 2-| Fuss hoch
wäre. Wenn Aermel und Stiefel den einzelnen Bewegungen des Arms und
des Fusses folgt und dadurch Ausdruck gewinnt, so bleibt der Hut unver-
änderlich derselbe und dient hier nur dazu, um mit Verdeckung einer schö-
nen Stirne Schatten über ein Antlitz zu werfen, das uns hehr entgegen-
leuchten soll. Gerade das Streben, sich gewissenhaft der Wahrheit anzu-
schliessen, entrückt uns das kenntlich Wiibre. Wie viele sahen den Gefei-
erten nicht mit entblüsstem oder leicht bedecktem Haupt, wie wenige mit
dem Federhut, Unter allen aufgezahlten Beiterstatuen kommen nur zwei be-
helmte vor und eine mit dem Hut, nämlich die Friedrichs IL von Rauch.
So ist die Begel schon bcachtungswerth, nach der die Helden barhäuptig
ohne Kranz und Hut dargestellt wurden. Wenn der engere Ausschuss der
Denkmals-Commission 31. Mai 1844 anzeigte, dass man den Federhut mit
darum weggelassen habe, weil sich „mechanische Schwierigkeiten der Be-
festigung'einer so grossen Masse Metalls" entgegenstellten, so kann die An-
gabc nur auf einem der Scherze beruhn, die die Künstler den Kichtkünst-
lern gegenüber zu machen nicht müde werden. „Verzichten wir auf den
Hut, heisst es weiter in der Schrift, der auf steifem Haupt balancirt sein
will, so wird der Künstler eine etwas geneigte Stellung wählen, damit wir
in des Allverehrten theuern Zügen die heilige Berufswänne, ruhige Klarheit
und unerschütterliche Festigkeit, was er durchlebt und durchkämpft, sein
Vertrauen im Unglück, seine Mässigung im Glück lesen und uns am Anblick
wahrhaft erbauen können". Ueber das Unpassende des Kranzes enthält die
Schrift S- 20 folgendes: „Der Kranz nimmt sich gut nur auf einem jugend-
lichen Haupte aus, es gehört ein freudetrunkenes, begeistertes Auge zu dem
Schmuck, der mit dem ei gen thü ml ich stillen, ja trüben Blick des Königs gar
nicht übereinstimmt". Es werde hier noch angeführt, dass der Künstler er-
sucht ist, von dem Modell mit dem Federhut, wie der Reiter so hat auch
das Ross hier eine etwas freiercBewegung, Bronze-Abgüsse zu besorgen.

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