131
lieit bei dekorativen Gegenständen und dein hohen Ernste der
heiligen Architektur ist zu aller Zeit einiger Unterschied ge-
wesen. — Es fehlt endlich nicht an Darstellung einiger be-
malten kleinen Bildwerke, an Wandmalereien, an Ornamenten
von gemalten Thongefässen und an pompejanischen Wandzier-
den, unter welchen letzteren wiederum einiges Interessante, doch
in seiner Wesenheit bisher ebenfalls nicht unberücksichtigt Ge-
bliebene sich bemerklich macht.
Die Schrift von Sem per') zerfällt in zwei verschiedene,
nur durch einen losen Faden verbundene Gegenstände. Der erste
besteht, nächst einer Einleitung über die Dinge der Polychro-
mie und die frühere Betheiligung des Verfassers an denselben,
wiederum in einer Antikritik meiner Schrift vom Jahre 1835.
Ich komme hierauf, wie auf Hittorff's Antikritik, im Folgenden
zurück. Für den Augenblick muss ich mir nur ein Wort über
den Ton, in welchem die Semper'sche Antikritik abgefasst ist,
erlauben. Er behandelt meine ganze Schrift, als sei sie eben
jetzt erschienen, als lägen über den Verfasser, der damals frei-
lich ein Anfänger war, keine weiteren Zeugnisse vor. Er ist
dadurch, dass ich ihm mehrfach entgegen getreten, unange-
nehm berührt worden, hat dies Gefühl des Missbehagens sech-
zehn Jahre hindurch stillschweigend mit sich herumgetragen
und giebt es jetzt in einer Weise von sich, zu deren Bezeich-
nung mir das rechte Wort fehlt.
Der zweite Gegenstand, den die Semper'sche Schrift be-
handelt, gewährt ein sehr eigenfhümliches, culturgeschichtlich
poetisches Interesse. Der Verf. geht auf die Urzustände der
ältesten Völker zurück und entwickelt aus diesen und aus der
verschiedenartigen geschichtlichen Stellung der Völker die Grund-
elemente der Architektur und die verschiedenartige Richtung,
welche die letztere nehmen musste. Hiebei erklärt sich der
Titel der Schrift, indem als diese Grundelemente aufgeführt
werden: Heerd, Dach, Umfriedigung und Erdaufwurf. Das Ele-
ment der Polychromie findet dabei ebenfalls seine urthümliche
Begründung. Es ist ein anziehendes Gefühl, an der Hand eines
geistvollen Mannes in jene dunkeln Regionen der Weltgeschichte
hinabzusteigen; mag die Ausdeutung der Nebelbilder auch ein
gut Theil individueller Phantasie nöthig machen, so empfangen
wir doch immer die schälzbarsten Anregungen zu eigner Ge-
dankenarbeit, Und wenn der Verfasser uns, ausser der rothen
Farbe an Architekturen und Flecht- und Webearbeiten, der Po-
sition gemäss, die er äusserlich genommen, noch weiter von
Roth unterhält, so bleibt es in unsenn Belieben, das zu über-
sehen oder uns, wenn die Stunde kommen sollte, — zu wehren.
Bei beiden Werken kommt es in der That darauf an, ob
und wieweit sie meine Gründe dafür, dass die griechische Ar-
chitektur in der Blüthezeit der Kunst in der Hauptmasse farblos
erschienen sei, widerlegt haben. Beide beginnen, Hittorff aus-
führlicher, Semper in kürzerer Uebersicht, mit der Reihenfolge
minder erheblicher Anführungen aus alten Schriftstellern, mit
denen ich meine Schrift eingeleitet hatte. Ich will sehr gern
gestehen, dass ich gesammelt hatte, was mir damals in Bezug
auf den Gegenstand eben aufgefallen' war, dass darunter man-
ches Unerhebliche ist und dass die von mir angeführten Stellen
der alten Autoren manches Mal eine Auffassung von verschie-
denen Standpunkten gestatten. Ich gebe zu, dass ich Hittorff,
was er mir zum Vorwurf macht, in seiner Aeusserung über
den „grünen" und den „rothen" Gerichtshof von Athen viel-
leicht eine etwas zu weite Schlussfolgerung zugeschrieben habe,
verlange aber auch, dass meine Gegner in meine Worte nicht
1) Sie ist die weitere Ausführung eines in englischer Sprache geschrie-
benen Aufsatzes von Semper, der unter dem Titel „On the study of Poly-
chromy, and its revival" im dritten Heft des „Museum of dassical anli-
quilies", 1851, enthalten war.
! mehr hineinlegen, als von mir geschehen. Ich bemerke nur,
dass ich bemüht gewesen bin, jene Ausdrücke der alten Au-
toren thunlichst naiv aufzufassen, und ich kann nicht sagen,
dass meine Gegner durchweg ebenso verführen. Ich finde z. B.
nicht, dass dies der Fall'ist, wenn Semper (S. 49) bei Bespre-
chung der bekannten Stelle des Plinius über die Goldfäden, die
im Jupitertempel zu Cyzicus fein „wie die feinsten Haare" zwi-
schen den Steinfugen „erglänzten", aus der „materia quam-
vis occulta" des alten Autors ein Durchschimmern dieser zar-
ten Fäden durch einen Farbenüberzug macht. Ich glaube, dass
es die Sache wenig fördern würde, wenn ich in einen neuen
Streit über all diese Punkte eingehen, hier etwas nachgeben,
dort mich vertheidigen, an einer dritten Stelle noch weiter über
meine damalige Schlussfolgerung hinausgehen wollte. Können
meine Gegner schlagendere Gegenbeweise beibringen, so müs-
sen diese siegen; tritt der entgegengesetzte Fall ein, so wer-
den jene Stellen immer, mehr oder weniger, für mich mit ins
Gewicht fallen '). (Schluss folgt.)
Mekrolog.
Am 13. März verschied in Darmstadt der grosshzgl. hessi-
sche Hof- und Oberbaudirektor Dr. Georg Möller, im 68sten
Jahre seines Lebens, in der allgemeinen Achtung seines red-
lichen und durchaus ehrenwerthen Charakters. Geboren den
21. Januar 1784 in Diepholz im Hannoverschen, Sohn eines
Rechtsgelehrten, widmete er sich nach vollendeten Gymnasial-
studien der Baukunst unter der Leitung des verstorbenen Ober-
baudirektors Weinbrenner zu Carlsruhe. Die Jahre von 1807
bis 1810 verbrachte er in Italien zur Vollendung seiner Stu-
dien der klassischen und mittelalterlichen Baudenkmale, vor-
nehmlich in Rom. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war
der Staat, welcher ihn als Pensionär nach Italien geschickt
hatte, in einen Theil des Königreichs Westphalen aufgegangen,
und Moller verschmähte, aus tief in seinem Charakter begrün-
deter Liebe für sein Vaterland, Staatsdienste unter einer Fremd-
herrschaft anzunehmen, und ging deshalb nicht nach Hannover
zurück. Einen Ruf in herzogl. oldenburgische Dienste hatte er
gleichfalls ausgeschlagen und trat im Jahre 1810 in grossher-
zogl. hessischen Staatsdienst.
Unter der Regierung des weisen und kunstsinnigen Gross-
herzogs Ludwig I. von Hessen war eben für den kleinen Staat
eine neue Epoche der Cultur im Erstehen, und in der Residenz
Darmstadt erblühte eine, früher daselbst ungekannte, Liebe für
Kunst. Der damalige Geheime Kabinetssecretair, nachherige
Geheimerath Schleiermacher, mehr vertrauter Freund als Die-
ner seines Fürsten, hatte dessen edlen Neigungen trefflich
beizustehen gewusst. In unglaublicher Schnelle waren die werth-
vollen Schätze des grossherzogl. Museums vereinigt worden;
das grossherzogl. Hoftheater hatte sich in einem noch kleinen
Hause zu schöner Blüthe entfaltet; die Neustadt war eben in
1) Kur ein Paar Punkte muss ich hier beiläufig berühren. Der bekannten
Stelle des Vitruv über blaugemalte hölzerne Triglyphen gebe ich gegenwär-
tig, aus verschiedenen, sie bestätigenden Umständen, die hinzu gekommen
sind, ein grösseres Gewicht als früher. — Ein aus Marmor ausgeführtes
Grabmal bei Tritäa in Acbaja, an welchem nach Pausanias (VII, 22, 4.)
Gemälde von JNieias befindlich waren, worauf Hittorff Gewicht legt und wel-
ches meinen Ansichten schon früher und mit noch grösserem Nachdruck von
Walz gegenübergestellt war, sagt gar nichts, da Gemfilde keine Architektur
oder architektonische Ausstattung sind. — Dagegen geht Semper mit Recht
auf das Ungenügende der beiläufigen Bemerkung ein, die ich in meiner
Schrift vom Jahre 1835 über die architektonischen Darstellungen auf Vasen-
bildern gemacht hatte: er giebt dabei einige Bemerkungen über abweichende
Erscheinungen der Art. In den Nachträgen zu meiner Schrift wird indess
noch bei weitem Ausführlicheres über diesen Punkt erfolgen.
lieit bei dekorativen Gegenständen und dein hohen Ernste der
heiligen Architektur ist zu aller Zeit einiger Unterschied ge-
wesen. — Es fehlt endlich nicht an Darstellung einiger be-
malten kleinen Bildwerke, an Wandmalereien, an Ornamenten
von gemalten Thongefässen und an pompejanischen Wandzier-
den, unter welchen letzteren wiederum einiges Interessante, doch
in seiner Wesenheit bisher ebenfalls nicht unberücksichtigt Ge-
bliebene sich bemerklich macht.
Die Schrift von Sem per') zerfällt in zwei verschiedene,
nur durch einen losen Faden verbundene Gegenstände. Der erste
besteht, nächst einer Einleitung über die Dinge der Polychro-
mie und die frühere Betheiligung des Verfassers an denselben,
wiederum in einer Antikritik meiner Schrift vom Jahre 1835.
Ich komme hierauf, wie auf Hittorff's Antikritik, im Folgenden
zurück. Für den Augenblick muss ich mir nur ein Wort über
den Ton, in welchem die Semper'sche Antikritik abgefasst ist,
erlauben. Er behandelt meine ganze Schrift, als sei sie eben
jetzt erschienen, als lägen über den Verfasser, der damals frei-
lich ein Anfänger war, keine weiteren Zeugnisse vor. Er ist
dadurch, dass ich ihm mehrfach entgegen getreten, unange-
nehm berührt worden, hat dies Gefühl des Missbehagens sech-
zehn Jahre hindurch stillschweigend mit sich herumgetragen
und giebt es jetzt in einer Weise von sich, zu deren Bezeich-
nung mir das rechte Wort fehlt.
Der zweite Gegenstand, den die Semper'sche Schrift be-
handelt, gewährt ein sehr eigenfhümliches, culturgeschichtlich
poetisches Interesse. Der Verf. geht auf die Urzustände der
ältesten Völker zurück und entwickelt aus diesen und aus der
verschiedenartigen geschichtlichen Stellung der Völker die Grund-
elemente der Architektur und die verschiedenartige Richtung,
welche die letztere nehmen musste. Hiebei erklärt sich der
Titel der Schrift, indem als diese Grundelemente aufgeführt
werden: Heerd, Dach, Umfriedigung und Erdaufwurf. Das Ele-
ment der Polychromie findet dabei ebenfalls seine urthümliche
Begründung. Es ist ein anziehendes Gefühl, an der Hand eines
geistvollen Mannes in jene dunkeln Regionen der Weltgeschichte
hinabzusteigen; mag die Ausdeutung der Nebelbilder auch ein
gut Theil individueller Phantasie nöthig machen, so empfangen
wir doch immer die schälzbarsten Anregungen zu eigner Ge-
dankenarbeit, Und wenn der Verfasser uns, ausser der rothen
Farbe an Architekturen und Flecht- und Webearbeiten, der Po-
sition gemäss, die er äusserlich genommen, noch weiter von
Roth unterhält, so bleibt es in unsenn Belieben, das zu über-
sehen oder uns, wenn die Stunde kommen sollte, — zu wehren.
Bei beiden Werken kommt es in der That darauf an, ob
und wieweit sie meine Gründe dafür, dass die griechische Ar-
chitektur in der Blüthezeit der Kunst in der Hauptmasse farblos
erschienen sei, widerlegt haben. Beide beginnen, Hittorff aus-
führlicher, Semper in kürzerer Uebersicht, mit der Reihenfolge
minder erheblicher Anführungen aus alten Schriftstellern, mit
denen ich meine Schrift eingeleitet hatte. Ich will sehr gern
gestehen, dass ich gesammelt hatte, was mir damals in Bezug
auf den Gegenstand eben aufgefallen' war, dass darunter man-
ches Unerhebliche ist und dass die von mir angeführten Stellen
der alten Autoren manches Mal eine Auffassung von verschie-
denen Standpunkten gestatten. Ich gebe zu, dass ich Hittorff,
was er mir zum Vorwurf macht, in seiner Aeusserung über
den „grünen" und den „rothen" Gerichtshof von Athen viel-
leicht eine etwas zu weite Schlussfolgerung zugeschrieben habe,
verlange aber auch, dass meine Gegner in meine Worte nicht
1) Sie ist die weitere Ausführung eines in englischer Sprache geschrie-
benen Aufsatzes von Semper, der unter dem Titel „On the study of Poly-
chromy, and its revival" im dritten Heft des „Museum of dassical anli-
quilies", 1851, enthalten war.
! mehr hineinlegen, als von mir geschehen. Ich bemerke nur,
dass ich bemüht gewesen bin, jene Ausdrücke der alten Au-
toren thunlichst naiv aufzufassen, und ich kann nicht sagen,
dass meine Gegner durchweg ebenso verführen. Ich finde z. B.
nicht, dass dies der Fall'ist, wenn Semper (S. 49) bei Bespre-
chung der bekannten Stelle des Plinius über die Goldfäden, die
im Jupitertempel zu Cyzicus fein „wie die feinsten Haare" zwi-
schen den Steinfugen „erglänzten", aus der „materia quam-
vis occulta" des alten Autors ein Durchschimmern dieser zar-
ten Fäden durch einen Farbenüberzug macht. Ich glaube, dass
es die Sache wenig fördern würde, wenn ich in einen neuen
Streit über all diese Punkte eingehen, hier etwas nachgeben,
dort mich vertheidigen, an einer dritten Stelle noch weiter über
meine damalige Schlussfolgerung hinausgehen wollte. Können
meine Gegner schlagendere Gegenbeweise beibringen, so müs-
sen diese siegen; tritt der entgegengesetzte Fall ein, so wer-
den jene Stellen immer, mehr oder weniger, für mich mit ins
Gewicht fallen '). (Schluss folgt.)
Mekrolog.
Am 13. März verschied in Darmstadt der grosshzgl. hessi-
sche Hof- und Oberbaudirektor Dr. Georg Möller, im 68sten
Jahre seines Lebens, in der allgemeinen Achtung seines red-
lichen und durchaus ehrenwerthen Charakters. Geboren den
21. Januar 1784 in Diepholz im Hannoverschen, Sohn eines
Rechtsgelehrten, widmete er sich nach vollendeten Gymnasial-
studien der Baukunst unter der Leitung des verstorbenen Ober-
baudirektors Weinbrenner zu Carlsruhe. Die Jahre von 1807
bis 1810 verbrachte er in Italien zur Vollendung seiner Stu-
dien der klassischen und mittelalterlichen Baudenkmale, vor-
nehmlich in Rom. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland war
der Staat, welcher ihn als Pensionär nach Italien geschickt
hatte, in einen Theil des Königreichs Westphalen aufgegangen,
und Moller verschmähte, aus tief in seinem Charakter begrün-
deter Liebe für sein Vaterland, Staatsdienste unter einer Fremd-
herrschaft anzunehmen, und ging deshalb nicht nach Hannover
zurück. Einen Ruf in herzogl. oldenburgische Dienste hatte er
gleichfalls ausgeschlagen und trat im Jahre 1810 in grossher-
zogl. hessischen Staatsdienst.
Unter der Regierung des weisen und kunstsinnigen Gross-
herzogs Ludwig I. von Hessen war eben für den kleinen Staat
eine neue Epoche der Cultur im Erstehen, und in der Residenz
Darmstadt erblühte eine, früher daselbst ungekannte, Liebe für
Kunst. Der damalige Geheime Kabinetssecretair, nachherige
Geheimerath Schleiermacher, mehr vertrauter Freund als Die-
ner seines Fürsten, hatte dessen edlen Neigungen trefflich
beizustehen gewusst. In unglaublicher Schnelle waren die werth-
vollen Schätze des grossherzogl. Museums vereinigt worden;
das grossherzogl. Hoftheater hatte sich in einem noch kleinen
Hause zu schöner Blüthe entfaltet; die Neustadt war eben in
1) Kur ein Paar Punkte muss ich hier beiläufig berühren. Der bekannten
Stelle des Vitruv über blaugemalte hölzerne Triglyphen gebe ich gegenwär-
tig, aus verschiedenen, sie bestätigenden Umständen, die hinzu gekommen
sind, ein grösseres Gewicht als früher. — Ein aus Marmor ausgeführtes
Grabmal bei Tritäa in Acbaja, an welchem nach Pausanias (VII, 22, 4.)
Gemälde von JNieias befindlich waren, worauf Hittorff Gewicht legt und wel-
ches meinen Ansichten schon früher und mit noch grösserem Nachdruck von
Walz gegenübergestellt war, sagt gar nichts, da Gemfilde keine Architektur
oder architektonische Ausstattung sind. — Dagegen geht Semper mit Recht
auf das Ungenügende der beiläufigen Bemerkung ein, die ich in meiner
Schrift vom Jahre 1835 über die architektonischen Darstellungen auf Vasen-
bildern gemacht hatte: er giebt dabei einige Bemerkungen über abweichende
Erscheinungen der Art. In den Nachträgen zu meiner Schrift wird indess
noch bei weitem Ausführlicheres über diesen Punkt erfolgen.