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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0286
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270

In der Malerei ist die Kunst des Helldunkels eine neuere
Erfindung. Den Alten scheint sie in dieser Anwendung fremd
gewesen zu sein, wenigstens finden wir in dem, was auf uns
gekommen ist, keine Ahnung derselben. Erst die Oelmalerei
scheint die Ausbildung derselben möglich gemacht zu haben,
da die früheren Galtungen der Technik nicht wohl gestatteten,
die Farben des vollendeten Gemäldes durch Retouchen in eine
Harmonie zu bringen, welche sich bei der Vollendung einzelner
Theile noch nicht übersehen liess. Die Harmonie der antiken
Gemälde beschränkte sich daher auf die harmonische Zusam-
menordnung der Farben, und der grosse Schritt zu der weit
wirksameren Harmonie von Licht und Schatten wurde erst
kurz vor der Periode gethan, als die Malerei in Italien ihre
höchste Stufe erreichte.

Lionardo da Vinci scheint der erste zu sein, der diese
Seite der Vollendung in die Malerei eingeführt hat. Aber am
meisten leistete darin Correggio, dessen berühmte Nacht um
der Wirkung ihrer eigenthürnlichen Lichtvertheilung willen all-
gemein bewundert wurde. Mit ihm trat eine ganz neue Aera
in der Malerei ein, man machte von jetzt an eine ganz neue
Anforderung an dieselbe. Aber später sind Viele in eine ma-
nierirte Anwendung des Helldunkels, in eine leere Effektha-
scherei verfallen. Guercino, und noch mehr Spagnoletto,
suchte durch grelle Lichter und Schatten zu wirken. Die Nie-
derländer Ho nthorst und Rembrandt erhöhten diese Wir-
kung noch durch die meisterhafte Darstellung der beleuchteten
Schatten. Namentlich Honthorst, der Gerardo delle Notte, wurde
ein Liebling der Italiener, und man gewöhnte sich immer mehr
an die helle Färbung der Schatten. Man fing nun auch an, die
doppelten Beleuchtungen zu benutzen, und Keiner hat es darin
so weit gebracht, wie Maes, dessen reizende Figuren eine
Zeitlang erstaunliches Aufsehen machten. So kam es dahin,
dass es gegenwärtig ein sehr verbreitetes Bestreben ist, die
Harmonie des Helldunkels durch den Reiz künstlicher und dop-
pelter Beleuchtungen zu erzielen. Aber eben dieses Streben
weckt auch schon die Besorgniss, dass dasselbe in eine üppige
und übermässig sinnliche Auffassungsweise führt, und wir müs-
sen wünschen, dass die Künstler zu einer gewissen Nüchtern-
heit zurückkehren, welche die Schönheit des Helldunkels ohne
Künsteleien zu gewinnen weiss.

Das halbe Licht, welches in geschlossenen Räumen und
bei bedecktem Himmel herrscht, ist allerdings ein vorzügliches
Mittel, um die Licht- und Schattenmassen einerseits zu son-
dern, andererseits aber auch die untergeordneten Massen zu
vereinigen. Die bedeckte Beleuchtung giebt dem Ganzen einen
grösseren Zusammenhang, weil sie nicht so helle -Lichter und
nicht so dunkle Schatten erzeugt. Kann man aber einen Theil
des Bildes durch direktes und einen anderen durch zerstreutes
Licht beleuchten, so wird hierdurch ein Gegensatz hervorge-
bracht, der beide Massen vollkommen von einander trennt und
dennoch jede für sich vollkommen deutlich dastehen lässt. Eine
solche Beleuchtung wird auf die natürlichste Weise durch zer-
rissene Wolken, durch den Schatten eines Baumes, oder durch
Oeffnungen in Gebäuden hervorgebracht. Seltener hat sie in
besonderen Reflexlichtern ihre Begründung. Der Künstler.muss
sich aber wohl hüten, diese Mittel da anzuwenden, wo sie nicht
mit dem Gegenstande des Bildes in Uebereinstimmung sein wür-
den. Es giebt auch noch ein anderes Mittel, diejenige Abwech-
selung des Hellen und Dunkeln zu erreichen, welche das Hell-
dunkel fordert, ohne eine Verschiedenheit der Beleuchtung an-
zunehmen. Dieses Mittel liegt in der verschiedenen Dunkelheit
der Farben, welche von der Sättigung, von der Reinheit, von
dem Glänze und von der Höhe oder Tiefe derselben abhängt.
Hierdurch wird es möglich, das Licht zu dämpfen und den

Schatten zu erhellen, oder umgekehrt das Licht zu erhellen und
den Schatten zu verdunkeln, ohne einen Unterschied in der Be-
leuchtung herbeizuführen, sobald man es in der Gewalt hat, die
Lokalfarben frei zu wählen, während jene doppellen Beleuch-
tungen nicht immer auf eine natürliche und der Sache ange-
messene Weise eingeführt werden können. Daher ist in histo-
rischen Gemälden die Lokalfarbe ein wichtigeres Mittel des
Helldunkels, als die Beleuchtung, deren zauberische Wirkung
mehr zu dem sinnlichen Eindrucke von Landschaften und Genre-
bildern passt.

Diese Benutzung der Lokalfarben ist den grossen Malern
des 16. Jahrhunderts nicht unbekannt gewesen. Tizian war
darin ausgezeichnet, obgleich er weit weniger deshalb gerühmt
wird, als Correggio. Es ist daher mit gutem Grunde, dass
die Kupferstecher nicht blos Schatten und Licht, sondern auch
Helligkeit und Dunkelheit der Lokalfarben wiederzugeben su-
chen. Nur auf diesem Wege können sie die Wirkung errei-
chen, welche das Helldunkel hervorbringt. Rubens, unter
dessen Leitung Vostermann, Paul Pontius Soutmann,
der Lehrer des Cornelis Vischer, und Schelte a Boll-
wert gebildet wurden, hat sich für die Ausbildung dieser Me-
thode ein unsterbliches Verdienst erworben.

Allein die Behandlung der Farben hat grosse Schwierigkeit
dadurch, dass die relative Helligkeit derselben bei verschiede-
ner Beleuchtung wechselt. Bei schwachem Lichte werden näm-
lich die tiefen Farben dunkler und die hohen Farben') heller,
so dass z. B. eine Orange auf ultramarinblauem Grunde bei
Dämmerlicht völlig dunkelbraun erscheint. In einem Klima, wel-
ches, wie das mitteleuropäische, an einer sehr veränderlichen
Beleuchtung leidet, kann daher das Aufgeben der Farbenhar-
monie nicht überraschen, sobald die Richtung auf das Hell-
dunkel hervortritt. Jene Niederländer, die nach Rembrandt's
Vorgange in dem Helldunkel die grössten Wirkungen erreichten,
haben fast gänzlich auf die bunten Farben verzichtet und las-
sen aus der allgemeinen bräunlichen Färbung ihrer Bilder kaum
trübe Anklänge an die natürlichen Farben durchblicken.

Die Grundregel für die Anordnung des Helldunkels ist nun,
wie für die Gruppirung, dass sie nach einfachen Raumverhält-
nissen2) erfolge. Licht und Schalten müssen also in Gruppen,
oder wie man zum Unterschiede von der Gruppirung der For-
men zu sagen pflegt, in Massen vertheilt sein. Durch Licht
und Schatten treten, wie gesagt, hauptsächlich die untergeord-
neten Gruppen hinter den Hauptgruppen zurück. Daher müssen
der hervortretenden Licht- und Schattenmassen wenige sein. Die
Zahl derselben richtet sich natürlich nach dem Gegenstand und
der Art der Gruppirung, und es ist willkürlich, wenn z. B. Or-
sini die Regel giebt, dass man nicht weniger als zwei, und
nicht mehr als vier Lichtmassen auf einem Bilde anbringen solle.
Die vorzüglichste 'Lichtgruppe wird in der Regel dazu dienen,
den wichtigsten Gegenstand der Darstellung durch das hellere
Licht vor den übrigen herauszuheben und die untergeordneten
Gegenstände in den Schatten zu stellen. Doch ist es falsch,
hieraus eine unverbrüchliche Regel zu machen. Man findet zu-
weilen, dass gerade, der Zauber des farbigen Schattens zu dem-
selben Zwecke benutzt wird, und man hat nicht selten auf diese
Weise eine vortreffliche Wirkung herbeigeführt.

. Die einzelnen Gruppen lassen sich auf verschiedene Weise
ausfüllen. Abgesehen davon, dass sie in untergeordnete Grup-
pen zerfallen können, ist es nicht nothwendig, dass durch die

1) Die Begriffe hoch und tief werden hier im streng physikalischen
Sinne genommen. Roth ist danach tiefer als gelb, gelb liefer als grün,
blau höher als grün, und violett höher als blau.

2) Wegen der räumlichen Anordnung der Gruppen muss ich auf die
Ausführung in dem grösseren Werke verweisen.
 
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