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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0247
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231

Gliedern eines großen Baues eine Ebenbürtigkeit unter sich zu geben I
und überall edle räumliche und statische Verhältnisse zu erreichen —
dieß gelingt nicht einer bloß kalten Reflexion und äußerlichen Com-
binationögabe, sondern es erheischt einen Genius von wärmerer und
höherer Natur, als das freilich auch nicht zu verachtende feine
Talent des Geschmacks ist, der die zweite formale, hauptsächlich die
decorative Seite der Architectur umfaßt.

Die einander entgegengestellteu zwei Pole der vollständigen
Schönheit zeigen sich denn auch bei der subjectiven Begabung ein-
zelner Künstler selten in gleichem Maaße ausgetheilt. Diejenigen
Künstler, die vorzugsweise in der geistigen Sphäre des Kunstwerks
leben, haben gewöhnlich zu kämpfen, um nicht in der Gefälligkeit
des Vortrags und der Decoration zurückzubleiben; und diejenigen,
welche vorzugsweise in der formalen Sphäre, in Schönheit leben,
und also besonders das Talent des Geschmacks besitzen, sind nicht
selten arm an architectonischen Hauptgedanken, und stellen dann,
namentlich heut zu Tage, leicht unwahre und manierirte Werke hin.
Wenn aber einem Bauwerke die characteristische Wahrheit, der con-
sequente innere Organismus und die harmonischen Verhältnisse
fehlen', so wird es bei der ohnehin mehr schematischen Weise der
architectonischen Decoration trotz der brillantesten Ornamente bei
wiederholter Betrachtung zu einem langweiligen leeren Machwerk.
Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß wohl die meisten ästheti-
schen Verirrungen und schiefen Urtheile in der Architectur dadurch
veranlaßt- werden, daß man die zwecklichen Hauptformen unter dem
einseitigen Gesichtspunkte des gefälligen Formalismus betrachtet, wo
alsdann die characteristischen Härten keineswegs der Anforderung
einer geschmeidigen formalen Regelmäßigkeit genügen können; oder
daß man umgekehrt den rein formalen ungebundenen Zierlichkeits-
formen eine constructive Natur aufzwingen wollte und dadurch ihre

freie Grazie und Mannigfaltigkeit beschränkte.

(Schluß folgt.)

Kanlbach's „Schlacht bei Salamis."

Als König Max vor einigen Jahren den Künstlern verschiedene
historische Stoffe zur Bearbeitung für eine Sammlung historischer
Gemälde vorlegte, wählte sich Kaulbach die Schlacht bei Salamis,
und jetzt ist er mit der Darstellung dieses großartigen Weltereig-
nisses wenigstens im Carton bereits so weit gediehen, daß man nicht
bloß von der allgemeinen Anlage des Bildes, sondern auch von der
Ausführung seiner einzelnen Partien eine bestimmte und ziemlich
vollständige Vorstellung zu gewinnen vermag. So weit nun jetzt
schon über dieses noch im Werden begriffene Werk ein Urtheil ab-
zugeben gestattet ist, glauben wir nicht zu viel zu sagen, wenn wir
bekennen, daß dasselbe unter allen bis jetzt von ihm gelieferten gleich-
artigen Gemälden das großartigste und vollendetste zu werden ver-
spricht. Ich werde sonst durch historische Gemälde sehr schwer be-
friedigt. In der Regel merkt man ihnen an, daß der Künstler
mehr auf äußere Veranlassung, als aus innerem Impuls au den
Stoff herangetreten und daß es ihm nicht gelungen ist, sich mit
voller Seele in das eigentliche Leben und die bewegenden Mächte
der darzustellenden Handlung zu versenken. Er faßt in der Regel
nur das Typische der Zeit auf, in welcher die Handlung spielt, und
glaubt genug gethan zu haben, wenn er Alles diesem Typus gemäß
gestaltet. Darüber versäumter aber, auch dem wirklch Persönlichen,
Individuellen einerseits, und andererseits dem allgemein Menschlichen,
zu allen Zeiten gleich sehr Gültigen in demselben Maaße gerecht
zu werden; es gelangt seine Phantasie nicht bis zu demjenigen Grade
der Begeisterung und der Ekstase, daß von ihm aus wirklich

ein belebender elektrischer Strom in die starren, der Vergangenheit
uachgebildeten Formen seines Werkes hinüberzuckte. Die meisten
historischen Gemälde erringen sich daher selten mehr als eine kühle
Bewunderung, und wenn sich die Kaulbach'schen Schöpfungen einer
wärmeren Aufnahme zu erfreuen gehabt haben, so liegt eben der
Grund hauptsächlich darin, daß er sich nie mit der bloßen Dar-
stellung des Zeitgemäßen begnügt, sondern das Zeitgemäße gleich-
zeitig zu individualisiren und zu idealisiren, mit dem Reiz der Ei-
genthümlichkeit und der Befriedigung der Allgemeinheit auszustatten
gewußt hat. In demselben Geiste hat er nun auch seine jüngste
Composition angelegt, und zwar nach unserem Gefühl mit einem
Erfolg, wie in keinem seiner früheren: denn während seine „Hun-
nenschlacht," seine „Zerstörung Jerusalem's," seine „Kreuzfahrer" im-
mer noch Elemente in sich tragen, in welchen das bloß Typische
oder das wirklich der Vergangenheit Verfallene nicht ganz überwun-
den ist, stellt sich das gegenwärtige Bild als eine so vollkommene
Versinnlichung und Jdealisirung des großen welthistorischen Kampfes
dar, daß die Vergangenheit wirklich für uns zur lebendigen Gegen-
wart wird, und wir inmitten der ausgeprägtesten griechischen und
persischen Gestalten auch nicht die Spur eines uns fremdartig
anschauenden Geistes empfinden, wie es sonst so häufig bei male-
rischen, wie bei poetischen Darstellungen antiker Stoffe der Fall ist.

Die Anlage und Gliederung des Bildes, so weit sie sich in
Worten und aus dem Gedächtniß heraus reconstruiren läßt, ist fol-
gende. Es zerfällt der Breite nach in drei Hauptmassen. Die
rechte Seite — vom Beschauer aus gerechnet — ist den Griechen,
die linke den Persern, die mittlere Partie dem Kamps zwischen bei-
den gewidmet. Die Schlacht geht in einer Bucht des Meeres zwi-
schen zwei vorspringenden Landzungen vor sich und befindet sich eben
auf dem Punkte, wo an dem vollständigen Siege der Griechen und
der Niederlage der Perser nicht inehr gezweifelt werden kann. Das
Admiralschiff der Athener, in der Nähe der rechts vörspringenden
Landzunge, bohrt eben ein persisches Fahrzeug in den Grund.
Inmitten siegreich kämpfender Griechen ragt in erhabner, gebiete-
rischer Haltung die Gestalt des Themistokles hervor, mit Ruhe und
Siegesgewißheit seine Befehle austheilend. Unter den. Kämpfern
befindet sich auch Aeschylos, der bekanntlich in dieser Schlacht mit-
focht und sie späterhin durch seine Tragödie verherrlichte. Er ist
dargestellt, wie er eben gegen einen Perser, der ein geraubtes Göt-
terbild entführen will, den Speer schwingt, und ist an der tragischen
Maske, die seinen Schild schmückt, sowie an den seiner Büste nach-
gebildeten Zügen erkennbar. Mehr im Hintergründe des Meerbu-
sens sieht man persische Schiffe theils in Verzweiflung kämpfend,
theils unthätig zwischen Klippen sich abmühend oder auf der Flucht
begriffen. Das vollkommenste Bild von der Niederlage der Perser
gewährt aber ein links im Vordergründe an einer Klippe gescheiter-
tes Prachtschiff derselben, unter welchem sich der Künstler wahr-
scheinlich das vorzugsweise für die den Zug der Perser begleitenden
Frauen bestimmte Fahrzeug gedacht hat. Das Hintertheil ist bereits
im Untersinken begriffen; das Vordertheil ragt nach rechts in die
Höhe und zeigt eine Gruppe theils schon todter, theils in Todes-
angst sich flüchtender Frauengestalten, entsprechend der Schilderung
des Aeschylos, wenn er den Chor singen läßt:

Auf umirrendem Schiffsgebälk

Treiben, ein Spiet der Salzflut,

Unsre Lieben, dahingestreckt

Leblos, modernde Leiber! —

nur daß der Künstler, eingedenk der Gränzen, welche nach Lessing
zwischen der Poesie und Malerei innezuhalten sind, dem Auge nicht
bietet, was nur das Ohr zu ertragen vermag, sondern umgekehrt
den Jammer gerade dadurch zu steigern sucht, daß er die Frauen,
die hier ihren Untergang erleiden, noch im Besitz der üppigsten
 
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