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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Rüttenauer, Benno: Hans Christiansen und sein Haus
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0058
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B. Rüttcnauer—Mannheim: Hans Christiansen und sein Haus.

HAUS CHRISTIANSEN. Süd-Ansicht vom Alexandra-Weg. ARCH. J. M. OLBRICH.

von ihm erweckte immer einen Jubel. Ein
Jubel selber war das, was er brachte. Seine
Sachen waren aus Paris datiert, aber sie
verrieten mehr deutsches Naturgefühl als
andere. Sie waren vor allem weniger, als
die Eckmann's, von japanischem Einfluss
berührt. Und eine grosse Naivität sprach
sich in ihnen aus. Aber nur wenige ver-
mochten das damals herauszufühlen. Man
hielt den Künstler lieber für raffiniert. Man
übersah, dass gewisse Pariser Accente, die
ihm in der Seinestadt angeflogen waren,
den Kern seines Wesens nicht berührten
und dass seine entzückenden Wirkungen in
Farben-Akkorden ein durchaus naives und
ursprüngliches Natur - Gefühl verkündeten.
Gewiss, er hatte von den Pariser Plakat-
Künstlern gelernt. Seine eigenen Hervor-
bringungen dieser und ähnlicher Art be-

zeugten dies offen. Aber
in seinen, ich möchte sagen
zweckloseren Gebilden,
in seinen dekorativ stili-
sierten Landschafts- und
Blumen - Motiven stand er
durchaus auf eigenen
Füssen. Eher dass ihm hier
altdeutsche Bauern - Kunst
gelegentlich über die Schul-
tern guckte. Christiansen
würde vielleicht auch ein
anderer geworden sein,
wenn er durch die natura-
listisch - impressionistische
Malerei in Öltechnik hin-
durchgegangen wäre. Aber
sein Ausgangspunkt war
schon die simple Deko-
rations - Malerei; so war
sein Weg gerader und
kürzer als der vieler an-
derer. — Zwei Bedürfnisse
seiner Seele bedingen den
Karakter seiner Schöpf-
ungen: sein starkes deko-
ratives Farben-Gefühl und
seine echt germanische
Liebe für die Schönheit
und Fülle der lebendigen
Natur-Formen, die ihn in
einen wahren Rausch des Entzückens ver-
setzen. Diese beiden Fähigkeiten treten
gleich stark hervor in all seinem Schaffen
und halten sich in schönem Gleichgewicht,
während die Linie als solche wenig mit-
spricht. Eigentlich drückt er alles mit Farbe
aus. Die Linie ist dabei nur ein schwacher
Accent. Die Farbe ist seine natürliche
Sprache. Und wenn ich vorhin vom schönen
Gleichgewicht sprach: sein starkes Gefühl
für die dekorative und symbolisierende Kraft
der Farbe an sich gibt ihm gegenüber der
Natur die nötige Freiheit in der Verein-
fachung und in der Auswahl; sein kindliches
Entzücken an den natürlichen Formen da-
gegen bewahrt ihn davor, in der Verein-
fachung und Stilisierung zu weit zu gehen,
sich von der lebendigen Natur zu sehr zu
entfernen, sich weiter zu entfernen, als es
 
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