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Johannes Gaulkc—Berlin :
CARL MAX REBFL—BERLIN.
»Ein Traum*. fi8gy.J
moderne Städte-Bilder.
(Fortsetzung und Schluss.)
in dem Strassen-Bild von Paris
hatten wir den Niederschlag
einer alten Schönheits-Welt
erkannt. In Chicago konnten
wir die Entstehung neuer
stilistischer Bildungen beobachten. Berlin
nimmt zwischen dem Kultur-Zentrum der
alten und der neuen Welt die Mitte ein.
Wenn wir das Wirtschaftsleben allein in's
Auge fassen, dann hat es allerdings stärkere
Berührungs-Punkte mit der amerikanischen
Welt - Stadt aufzuweisen. Schon in der
äusseren Erscheinung reflektiert sich ein
gewisser Amerikanismus. In der architek-
tonischen Entwickelung Berlin's spielen, wie
in der einer amerikanischen Stadt, zwei
Momente eine hervorragende Rolle: die
Imitation alter Stile und die Anlage neuer
Verkehrs- und Betriebs-Mittel.
Wenn wir von den wenigen Bauten
der Barock-Zeit absehen, so hat Berlin in
der Architektur- und Stil-Geschichte sich nie
selbständig bethätigt, noch eine führende
Rolle eingenommen. Dagegen hat es im
vorigen Jahrhundert alle Stile, von der An-
tike bis zum Rokoko, der Reihe nach bei
sich einzubürgern gesucht. Es ist nicht ab-
zuleugnen, dass Kerlin zahlreiche Gebäude
von höchster Stil-Einheit besitzt; dagegen
weist das Gesamt-Bild nichts weniger als
eine stilistische Einheit auf. Wie in Amerika,
so platzten auch in Berlin die Gegensätze
auf einander. Es gibt Plätze, die uns wie
ein historisches Raritäten-Kabinet anmuten,
wo alle Bau-Formen sorgfältig neben : ein-
ander aufgcschachtelt sind. In dieser Hin-
sicht ist der den Lustgarten umfassende
Gebäude-Komplex besonders karakteristisch.
Jedes einzelne Gebäude ist in seiner Art eine
hervorragende architektonische Leistung, da-
gegen ist die Gesamt-Wirkung nichts weniger
als schön. Ein neues Gebäude ist selten
dem allgemeinen Stil - Karakter seiner Um-
gebung angepasst worden. Erst in neuester
Zeit scheint man sich dieser Unterlassungs-
Sünde etwas bewusst geworden zu sein und
Johannes Gaulkc—Berlin :
CARL MAX REBFL—BERLIN.
»Ein Traum*. fi8gy.J
moderne Städte-Bilder.
(Fortsetzung und Schluss.)
in dem Strassen-Bild von Paris
hatten wir den Niederschlag
einer alten Schönheits-Welt
erkannt. In Chicago konnten
wir die Entstehung neuer
stilistischer Bildungen beobachten. Berlin
nimmt zwischen dem Kultur-Zentrum der
alten und der neuen Welt die Mitte ein.
Wenn wir das Wirtschaftsleben allein in's
Auge fassen, dann hat es allerdings stärkere
Berührungs-Punkte mit der amerikanischen
Welt - Stadt aufzuweisen. Schon in der
äusseren Erscheinung reflektiert sich ein
gewisser Amerikanismus. In der architek-
tonischen Entwickelung Berlin's spielen, wie
in der einer amerikanischen Stadt, zwei
Momente eine hervorragende Rolle: die
Imitation alter Stile und die Anlage neuer
Verkehrs- und Betriebs-Mittel.
Wenn wir von den wenigen Bauten
der Barock-Zeit absehen, so hat Berlin in
der Architektur- und Stil-Geschichte sich nie
selbständig bethätigt, noch eine führende
Rolle eingenommen. Dagegen hat es im
vorigen Jahrhundert alle Stile, von der An-
tike bis zum Rokoko, der Reihe nach bei
sich einzubürgern gesucht. Es ist nicht ab-
zuleugnen, dass Kerlin zahlreiche Gebäude
von höchster Stil-Einheit besitzt; dagegen
weist das Gesamt-Bild nichts weniger als
eine stilistische Einheit auf. Wie in Amerika,
so platzten auch in Berlin die Gegensätze
auf einander. Es gibt Plätze, die uns wie
ein historisches Raritäten-Kabinet anmuten,
wo alle Bau-Formen sorgfältig neben : ein-
ander aufgcschachtelt sind. In dieser Hin-
sicht ist der den Lustgarten umfassende
Gebäude-Komplex besonders karakteristisch.
Jedes einzelne Gebäude ist in seiner Art eine
hervorragende architektonische Leistung, da-
gegen ist die Gesamt-Wirkung nichts weniger
als schön. Ein neues Gebäude ist selten
dem allgemeinen Stil - Karakter seiner Um-
gebung angepasst worden. Erst in neuester
Zeit scheint man sich dieser Unterlassungs-
Sünde etwas bewusst geworden zu sein und