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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Fuchs, Georg: Das "Bunte Theater" von August Endell
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0288
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Georg Fuchs: Das -»Bunte Theater« von August Endcll.

275

AUGUST ENDELL—BERLIN. Gitter mit GLüh-Lampen über dem II. Ravg.

Das „Bunfe üheafer" uon flugutt GndelL

Ein kühner Neuerer mit herausfordernder
Geberde setzt Berlin in Aufregung;
wenigstens jenen Teil des westlichen Berlin,
der so sehr an Schmeichelei gewöhnt ist,
dass er sich selbst als das geistige und
führende bezeichnet, und zwingt es, hinaus-
zukommen in den »Osten« , in jenes andere
so tief verachtete, so sehr an Beschimpfung
gewöhnte Berlin, wo man nur arbeitet: August
Endell. — Wir enthalten uns allzubilliger
Betrachtungen, wie sie die geistreichen
Feuilletonisten über das »Bunte Theater«,
seine sozialen, artistischen u. a. Besonder-
heiten so überreichlich zum Besten gaben.
Wir schwelgen nicht in der Art gefühlvoller
Plauderer in sozialen Kontrasten, wir ver-
schmähen es, die fröstelnden Proletarierkinder
zu schildern, die dort an der Köpenicker
Strasse im Regen stehen und die geputzten
Herrschaften vorfahren sehen an dem Hause
mit der Bogen-Lampe. Wir sind cynisch
genug, selbst über den grenzenlosen Jammer

Derer zu lächeln, welche vor dem »Über-
brettl« ihre teuersten Illusionen eingebüsst
haben und zetern: so war es also doch
nichts mit der »modernen Litteratur«! Ihre
»Führer« und »Meister« konnten nicht warten,
wohl weil sie des späten Erfolges doch nicht
sicher waren, und sind, fiebernd nach Applaus
und Geld, auf die Bretter der Schaubuden
gesprungen, sie sind zu Hanswürsten ge-
worden, sie gaben alles, alles preis, was sie
hatten und uns so heilig schien und haben
nicht einmal vermocht, die verlästerten Tingel-
tangel in Schatten zu stellen. Sie brüsteten
sich als die Hüter und Prediger einer neuen
Schönheit und Sittlichkeit — und doch war
ihnen das Heiligste und das Vermächtnis
eines Grössten, den sie für den »Ihren« aus-
gaben, nur gerade gut genug, ein freches Aus-
hänge-Schild damit zugkräftig zu machen.
Und wenn wir, die Profanen, ihnen auch
das alles verzeihen wollten — aber sie sind
auch langweilig, sie sind ja nicht einmal

1902. vi. i.
 
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