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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Ebe, Gustav: Versuche in moderner Bau-Ornamentik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0287
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Gustav Ebe: Versuche in moderner Bau-Ornamentik.

zu einer das Leben umfassenden, bemalten
Wachs - Figur. Ebenso wie die Plastik hat
sich die Malerei eine eigene Sprache erfinden
müssen, um das körperlich Runde und die
Raum - Verhältnisse mittelst Linien und
Pigmenten auf die Fläche zu bannen; sie
tritt schon wegen dieser Abstraktion in einen
bewussten tiefen Gegensatz zur Natur-Er-
scheinung, abgesehen von dem Ideen- und
Stimmungs - Gehalt. Um den Unterschied
einer künstlerischen Darstellung von der
Nachahmung des realen Lebens, und die
Vorzüge jener vor dieser zu begreifen, ist
allerdings ein feinerer Sinn erforderlich, der
nicht immer vorhanden ist, und schon im
Altertume gelegentlich gefehlt zu haben
scheint, wie es einerseits die altägyptischen
bemalten Kalkstein - Figuren mit den ein-
gesetzten Krystall - Augen und bronzenen
Wimpern und andererseits manche von den
Schriftstellern der Antike überlieferte Historien
beweisen, u. a. die von der Belebung einer
Marmorstatue durch ihren Bildner, Pygmalion.

Kommen wir nun zu der modernen
Richtung in der Bau - Ornamentik, welche
hier eigentlich zur Erörterung steht, so kann
man zunächst die Bemerkung nicht unter-
drücken, dass es eine Art von Armuts-
Zeugnis für die abendländische Erfindungs-
Kraft bedeutet, wenn der Umschwung zum
Neuen nur durch Anlehnung an ostasiatische,
speziell japanische Formen erreicht werden
konnte, wie das thatsächlich der Fall gewesen

ist. Man war wohl im Rechte, wenn man
die ewigen Wiederholungen der rollenden
Akanthus-Ranke sowie der Palmen-Schau-
häuser müde geworden war und ebenso
gerne auf den weiteren Gebrauch der für
das moderne Verständnis nichts bedeutenden
antiken Fabel-Tiere, der Greifen, Sphinxe
und Meerwesen, auch der so oft an unrechter
Stelle angewendeten Satyr-Fratzen, Löwen-
Masken u. a. verzichten wollte. —

Was jedoch ein Bedenken gegen die
allgemeine Richtung der neuen Ornamen-
tierungsweise hervorrief, war der allzu
häufige Verzicht auf den Ausdruck statischen
Lebens in den stützenden und getragenen
Bau-Gliedern, der sich stets in den antiken
und den von diesen abgeleiteten späteren Bau-
Stilen findet. Die diesem Zwecke vorzugs-
weise dienenden Lotus- und Akanthus-
Formen an den Kapitellen, Hals-, Bogen-
und Architrav - Gliederungen, sowie an den
gürtenden und bekrönenden Gesimsen fanden
keinen genügenden Ersatz durch die von
der »Moderne« eingeführten Formen. Ein
Serpentin-Tanz bizarrer Linien, ein Anheften
naturalistisch gebildeter Baumzweige an will-
kürlich gewählten Stellen oder die Wieder-
gabe der aus dem altnordischen Formen-
schatze hervorgesuchten, für uns ebenfalls
bedeutungslosen, fantastischen Band- und
Tier-Geschlinge, kann nicht für die verloren
gegangene monumentale Ausgestaltung der
Schmuck-Formen entschädigen. (Schiuss folgt.)

CARL MAX REBEL —BERLIN : »Schifte in der Abend-Sonne«.
 
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