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Isariiis: Darmstadt, die -»werdende Kunst-Stadt«.
HAUS CHRISTIANSEN-
nach; man schimpft ein wenig über die
Modernen im allgemeinen und damit gut.
Während seiner Zeit bei dem Sezessions-
Kriege der erste ernste Lock-Ruf aus der
Reichs-Hauptstadt genügte, um plötzlich eine
kleine Panik der »leitenden Kreise« ein-
treten zu lassen, während man damals, als
die Sezessionisten offen mit dem »Auszuge«
drohten, sofort einlenkte, und alles Schöne
und Gute versprach und gewährte, weint
man keinem modernen »Kunstgewerbler«,
der sein Ränzel schnürt und anderwärts
sein Fortkommen sucht, eine Thräne nach.
Die daheim bleiben, erfreuen sich einer un-
ausgesetzt schlechten Behandlung; die von
ihnen ausgehenden Ansätze, aus München
auch eine Zentrale im modern-gewerblichen
Sinne zu machen, sowohl als Ausstellungs-
wie als Produktions-Ort
sind unauffällig hinter-
trieben und schmählich
unterdrückt worden, kurz-
um man liess gar nicht
die Möglichkeit eines
Zweifels, dass man Mün-
chen, insofern es als die
grossmächtige Bier-Stadt
überhaupt auf Kunst an-
gewiesen ist, als möglichst
reine »Maler-Stadt« zu er-
halten wünsche. »Wag-
ner-Opern« und »Büldln«:
damit, so dachte man,
Hesse sich eine durch-
aus zugkräftige Fremden-
Saison ausstatten, zumal
wenn das heimische Kunst-
gewerbe seine Leistungs-
fähigkeit auf dem Gebiete
»stilechter Souveniers«, als
da sind altdeutsche Bier-
krüge , papierene Radi,
Zinn und Aschen-Becher
mit den Frauen-Türmen
und dem Hofbräuhaus
darauf und dgl. mehr be-
wahrt. Ohne Scherz und
ohne Übertreibung ge-
sprochen: die »maass-
gebenden Kreise« Mün-
chens scheinen in der That von der Uber-
zeugung durchdrungen, dass man mit den
Ausstellungen im Glaspalaste und mit
den Wagner-Vorstellungen vollauf genug
offizielle Kunst biete, denn nur so lässt es
sich erklären, dass man bisher der wirklich
ernst zu nehmenden bildenden Kunst ausser
der Malerei so wenig freundliche Gesinnung
gezeigt hat. Und das in einer Zeit, wo das
Werk Wagners totgehetzt wird durch das
wahnwitzige Treiben der Theater und Kon-
zert-Direktionen und da man das Ende der
»Wagner-Mode« rapid näherkommen sieht;
das in einer Zeit, wo es Leute gibt, die sich
vollkommen klar darüber sind, dass man mit
dem »blossen Malen« keinen Hund mehr
vom Ofen locken kann — Leute, die sich
obendrein hierbei auf das Zeugnis der ganzen
Bett im Kinder-Zimmer.
Isariiis: Darmstadt, die -»werdende Kunst-Stadt«.
HAUS CHRISTIANSEN-
nach; man schimpft ein wenig über die
Modernen im allgemeinen und damit gut.
Während seiner Zeit bei dem Sezessions-
Kriege der erste ernste Lock-Ruf aus der
Reichs-Hauptstadt genügte, um plötzlich eine
kleine Panik der »leitenden Kreise« ein-
treten zu lassen, während man damals, als
die Sezessionisten offen mit dem »Auszuge«
drohten, sofort einlenkte, und alles Schöne
und Gute versprach und gewährte, weint
man keinem modernen »Kunstgewerbler«,
der sein Ränzel schnürt und anderwärts
sein Fortkommen sucht, eine Thräne nach.
Die daheim bleiben, erfreuen sich einer un-
ausgesetzt schlechten Behandlung; die von
ihnen ausgehenden Ansätze, aus München
auch eine Zentrale im modern-gewerblichen
Sinne zu machen, sowohl als Ausstellungs-
wie als Produktions-Ort
sind unauffällig hinter-
trieben und schmählich
unterdrückt worden, kurz-
um man liess gar nicht
die Möglichkeit eines
Zweifels, dass man Mün-
chen, insofern es als die
grossmächtige Bier-Stadt
überhaupt auf Kunst an-
gewiesen ist, als möglichst
reine »Maler-Stadt« zu er-
halten wünsche. »Wag-
ner-Opern« und »Büldln«:
damit, so dachte man,
Hesse sich eine durch-
aus zugkräftige Fremden-
Saison ausstatten, zumal
wenn das heimische Kunst-
gewerbe seine Leistungs-
fähigkeit auf dem Gebiete
»stilechter Souveniers«, als
da sind altdeutsche Bier-
krüge , papierene Radi,
Zinn und Aschen-Becher
mit den Frauen-Türmen
und dem Hofbräuhaus
darauf und dgl. mehr be-
wahrt. Ohne Scherz und
ohne Übertreibung ge-
sprochen: die »maass-
gebenden Kreise« Mün-
chens scheinen in der That von der Uber-
zeugung durchdrungen, dass man mit den
Ausstellungen im Glaspalaste und mit
den Wagner-Vorstellungen vollauf genug
offizielle Kunst biete, denn nur so lässt es
sich erklären, dass man bisher der wirklich
ernst zu nehmenden bildenden Kunst ausser
der Malerei so wenig freundliche Gesinnung
gezeigt hat. Und das in einer Zeit, wo das
Werk Wagners totgehetzt wird durch das
wahnwitzige Treiben der Theater und Kon-
zert-Direktionen und da man das Ende der
»Wagner-Mode« rapid näherkommen sieht;
das in einer Zeit, wo es Leute gibt, die sich
vollkommen klar darüber sind, dass man mit
dem »blossen Malen« keinen Hund mehr
vom Ofen locken kann — Leute, die sich
obendrein hierbei auf das Zeugnis der ganzen
Bett im Kinder-Zimmer.