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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Darmstadt - die "werdende Kunst-Stadt"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0094
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Isarius: Darmstadt, die »werdende Kunst-Stadt«.

HAUS CHRISTIANSEN. Wand-Schirm im Fremden-Zimmer,

Stickerei ausgeführt von Pauline Braun—Darmstadt.

Einrichtung ganzer Wohn-Häuser bis zur
flatterhaften Kaprize des im Alltag schnell
vorbeihuschenden Plakates, Theater und
Konzert, Kleidung, Gastwirtschaft und Feuer-
werk und tausend andere Dinge, kurz alles,
was unsere Zivilisation der Kunst zur Ver-
edelung darreicht, war hier thatsächlich ein-
mal zur künstlerischen Aufgabe geworden,
und das ist das Epochemachende daran, nicht
die Art, wie die Ausführung gelang, ob gut
oder schlecht, ob sie total missverstanden
wurde oder voll erfasst und tief erschöpft.
Vielleicht wird man nach 30 oder 50 Jahren,
von einigen ausserordentlichen Einzel-
Leistungen abgesehen, nichts mehr gelten
lassen wollen von dem, was heute diese
Ausstellung an neuer Kunst zeigt, als eben

nur die Aufgabe, die
geschichtliche Thatsache,
dass hier der erste, öffent-
liche Schritt geschah zu
einer organischen Ver-
schmelzung von Kunst
und Leben. — Merk-
würdig: der Versuch ge-
lang auch nach der an-
deren Seite hin! Nicht
nur den Gebenden, den
Schaffenden hatte der
Grossherzog eine Aufgabe
gestellt: auch den Em-
pfangenden ; und auch
diese entsprachen seinen
Erwartungen, ja sie haben
die Erwartungen weit
übertroffen. Wir wollen
nicht den überaus regen
Besuch der Ausstellung
in Betracht ziehen, einen
äusserlichen Faktor, der
aber immerhin nebenbei
mitzählt, sondern wir
wollen mehr Wert darauf
legen, dass sich in der
Bevölkerung durch alle
gebildeteren Schichten ein
überaus lebhaftes, nicht
blos residenzlerisch - ser-
viles u. lokalpatriotisches
Interesse an der Gründung
des Grossherzoges einstellte. Während vor
der Eröffnung der Ausstellung noch ein
scharf ausgesprochenes Misstrauen zu kon-
statieren war, das wohl in dem Verhalten
des einen oder anderen Mitgliedes und den
auf dieses zu beziehenden journalistischen
Zwischenfällen seinen Grund hatte, so
machte sich schon am Eröffnurrgs -Tag
selber, unmittelbar unter dem Eindrucke des
Festspieles ein vollständiger Umschwung
der Stimmung bemerkbar und von da ab
hat das Interesse der Darmstädter, sowie
aller gebildeten Volks - Kreise des Landes
und der Umgebung, sich fortgesetzt ge-
steigert, sodass das eigentliche Fremden-
Publikum internationaler Zusammensetzung,
so zahlreich es auch vertreten war, nicht
 
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