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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Commichau, Felix: Rudolf Bosselt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0105
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Rudolf Bosselt.

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handlung und jenes sichere Fernhalten des
Kleinlichen, Minutiösen in der Darstellung,
zugleich das Streben, neben wirklicher Natur-
Treue gewisse Zufälligkeiten dem »Stil«
des Ganzen zu opfern. Mit dieser Arbeit
eröffnete sich ihm selbst zuerst eine höhere
Perspektive. Wenn er vorher noch immer
daran gedacht hatte, nach Vollendung seines
Studiums wieder in einem Etablissement wie
dem Schulze'schen, wenn auch in leitender
Stellung, thätig zu sein, so erfasste er jetzt
energisch den Gedanken, als selbständiger,
ungebundener Künstler sein Glück zu ver-
suchen. In diesem Plane bestärkt wurde er
durch die günstige Beurteilung, die ihm eine
kleine Ausstellung im Jahre 1896 in München,
in der er mehrere seiner besten Schüler-
Arbeiten sowie mehrere vollständig selb-
ständige Schöpfungen zeigte, eintrug.

Wie viel ihm zur wirklichen Künstler-
schaft jedoch noch fehlte, erkannte er selbst,
mit einer guten Dosis Selbst-Kritik begabt,
sehr scharf und zugleich, dass einige Semester
akademischen Studiums wohl am geeignetsten
seien, die noch fehlenden Lücken seiner
Künstlerschaft auszumerzen. Die »academie
Julian« in Paris, die den wohlbegründeten
Ruf hat, eine gute Pflege-Stätte der plastischen
Kunst zu sein, ward ihm empfohlen. Zu-

gleich war es die Bedeutung der französischen
Bildhauer-Kunst im allgemeinen, die in ihm
den Wunsch erregte, ihr näher zu treten.
Und bald stand sein Entschluss fest: »Nach
Paris, so schnell wie möglich«. Aber ach,
eine grosse, grosse Frage war zur Ermög-
lichung dieses lockenden Planes zu über-
winden, die pekuniäre. Er entschloss sich,
da er voll zäher Energie diesen Wunsch
aufzugeben keineswegs geneigt war, koste
was es wolle, sich das Geld zu leihen, da
er weder von zu Hause noch vom Staate
einen Zuschuss zu erwarten hatte. Doch
einem jungen Künstler, der weiter noch
nichts besitzt als »eine Zukunft«, strecken
sich bekannterweise nicht allzu lebhaft dar-
lehenbereite Hände entgegen, und wer weiss,
vielleicht wäre ihm sein Plan nie gelungen,
wenn ihm nicht in der Person eines wackeren
Menschen, des Kaufmanns Franz Ziegler,
ein Helfer erstanden wäre. Diesen, der
nicht viel älter als Bosselt war, und der
damals soeben eine deutsche Agentur in Paris
gegründet, hatte er in Frankfurt kennen und
schätzen gelernt. Es bedurfte nur des
leisesten Appels des Künstlers an Ziegler,
um diesen zur bereitwilligsten, weitgehendsten
Hilfe zu veranlassen. Er stellte ihm Geld
und Wohnung, sowie seine ganzen Er-
 
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