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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Darmstadt, Stuttgart und München als Heim-Stätten moderner Gewerbe-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0260
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Darmsladt, Stuttgart und München

geber dieser Zeitschrift bereits in dem Vor-
worte zu dem "Werke »Grossherzog Ernst
Ludwig und die Ausstellung der Darm-
slädter Künstler-Kolonie« dargelegt, dass
das wirklich noch die schlimmsten Erwar-
tungen weit überflügelnde Defizit der Aus-
stellung nicht in künstlerischen, prinzipiellen
und organisatorischen Umständen seinen
Grund hat, sondern einzig und allein in der
nicht ganz korrekten Durchführung des
ursprünglichen Programmes und der merk-
würdigen Art der Geschäftsführung, welche
wohl in den Annalen des Ausstellungs-Wesens
einzig dastehen wird und die, wenn einmal
die sehr bitteren unmittelbaren Folgen
pekuniärer Art verwunden sind, sich mehr und
mehr eines etwas humoristischen Andenkens
erfreuen dürfte. Der Besuch aus der Stadt,
aus nah und fern war so stark, und das
Interesse des Publikums war so erfreulich,
dass, von der Architektur und Einzelheiten
abgesehen, ein grosser, durchschlagender Er-
folg auf künstlerischem und kunstgewerb-
lichem Gebiete nicht bestritten werden darf.
Leider konnten aber weder der gute Besuch,
noch die ideellen Erfolge einzelner Mitglieder
das finanzielle Resultat günstig beeinflussen,
denn das Defizit bestand gewissermaassen
schon am Tage der Eröffnung. Es bestand in
dem System, welches fast bis zu diesem Tage
der Eröffnung alleinherrschend gewesen war.
Wenn daher bei den jüngsten Vorgängen
etwas erstaunlich und bedauerlich ist, so ist
es der Umstand, dass gerade Patriz Huber
seine Kündigung erhalten hat. Denn Huber
hatte sich trotz seiner jungen Jahre auf der
Ausstellung so glänzend bewährt, er hatte
dadurch, dass viele seiner Innen-Räume nicht
nur den zum Äussersten gesteigerten und
verfeinerten Wünschen der geistigen »Oberen
Zehntausend«, sondern auch dem naiveren,
einfacheren Empfinden des gebildeten Durch-
schnitts-Publikums voll entsprachen, so
manches wieder gut gemacht, was anderer-
seits auf der Mathilden - Höhe gesündigt
wurde, dass gerade er als derjenige er-
scheinen musste, welcher gute und fruchtbare
Beziehungen zum heimischen Gewerbe, vor-
nehmlich zu der in Hessen so hoch ent-
wickelten »Möbel-Industrie« anbahnen und

aufrecht erhalten konnte. Huber geht ohne
Zweifel einer bedeutenden Zukunft entgegen
und die Früchte seiner Darmstädter Erfolge
reifen ihm anderwärts vielleicht noch üppiger
und schneller, für Hessen aber bedeutet sein
Gehen einen schweren Verlust, der um
so schmerzlicher empfunden wird, als sich
nach keiner Richtung hin ein Grund findet,
warum gerade dieser in Hessen direkt not-
wendige, durch sein ernstes und beschei-
denes Auftreten allgemein beliebte Künstler
entbehrlich erscheinen konnte. Man wird
es eher begreifen, wenn es Christiansen
vorzieht zu seiner erfolgreichen, weitver-
zweigten Produktion in dem ihn so stark
anregenden Paris zurückzukehren, statt in
Darmstadt, wo ihn die Auf träge nicht so
bequem erreichen, Unterricht zu erteilen,
denn er ist seinem ganzen Schaffen nach
auf das farbendröhnende Milieu einer Welt-
stadt hingewiesen; man wird es auch be-
greifen, wenn Bürck, der als phantastischer
Maler und Zeichner relativ nur spärliche
Beziehungen zum Gewerbe pflegen kann und,
sei es in Paris, sei es in Italien, vielleicht
noch manches lernen will, von dannen zieht,
so sehr hoch man auch deren Begabung an
sich stellen mag —: aber Huber's Weggang
bleibt bis auf weiteres unerklärlich. Hatte
Behrens vorzugsweise nach aussen hin, vor
dem Forum der internationalen Geistes-
Aristokratie den vollen Beweis erbracht, dass
die mit der Begründung der Kolonie zum
ersten Male in That umgesetzten Ideen zu
dem grossen Ziele führen, das in der Gegen-
wart allerorten die schaffenden Geister zu
erringen trachten, so war es Huber gelungen,
diese Prinzipien mit spezifisch deutschem
Empfinden und deutschem Gemütsleben zu
durchdringen und dadurch auch weitere Kreise
des Volkes zu überzeugen.

Man hätte eigentlich erwarten sollen,
dass die aus ganz äusserlich-finanziellen und
im Grunde zufälligen Anlässen erfolgten
Personal-Veränderungen innerhalb der Darm-
städter Künstler-Kolonie der auswärtigen
Presse, vornehmlich der Münchener, welche
mit ganz unzweideutig zu Tage tretender
Beklemmung der Entwickelung der Dinge
in Darmstadt gefolgt war, Anlass geben
 
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