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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Fuchs, Georg: Carl Max Rebel - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0266
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254

Georg Fuchs: Carl Max Rebel—Berlin.

sie selbst Kunst ausüben. Und doch wäre
erst dann von einem tieferen Ergriffensein
durch die seelischen Mächte eines beginnenden
Zeitalters der Schönheit zu sprechen, wenn
die Jugend von bevorzugter Geistes-Art das
einmal vollempfände und sich mit Unerbitt-
lichkeit allgegenwärtig hielte das Eine und
Grosse: dass es gilt, das Leben selbst zu
bemeistern und möglichst wenig von seinem
Rohstoffe unbewältigt zu lassen, von jenem
Rohstoffe, der allen gemeinsam und somit
dem Stolze befreiten und verfeinerten Em-
pfindens nur dann erträglich ist, wenn er
von ihm bezwungen und zum erschöpfenden
Ausdrucke seelischen Adels erhoben und
durchläutert ward. Die »Kunst der Kunst-
werke«, welche neben und über dem Leben
im Gebilde ein anderes Leben auf errichtet:
im Erdenlaufe wie vieler Menschen ist sie
denn wirklich eine Notwendigkeit, eine Not,
die, gleich einer Schlange Dem am Herzen
nagt, der sie zu Segen oder Fluch empfing
und ihrem lodernden Triebe nicht gehorcht?
Wie viele sind, denen das Leben selbst nicht
genug darreicht zur thätigen Auswirkung
ihrer gestaltenden Kraft und die eine eigene
Welt darüber auferrichten müssen, um die
schöpferischen Gewalten, die »im Labyrinth
der Brust wandeln durch die Nacht«, zu er-
sättigen in der goldenen Frucht der Träume?
Vielleicht gebiert ein glücklichstes Jahr-
hundert nicht mehr solcher schöpferischer
Geister, die dergestalt aus innerlichster Not
über sich und das Leben hinaus schaffen
müssen, als man an den Fingern abzuzählen
vermag und alles übrige, alle »Kunst« ist
nur »abgeleitet«, sei sie das zauberische Spiel
vielbegabter, reicher Geister, sei sie das
schwere Werk fleissiger, biederer, lohn-
heischender Hände. Dass diese Künstler
der zweiten Art — und es ist mehr wie
einer unter ihnen, dessen Ruhm Jahrhunderten
Trotz geboten hat — überhaupt ihre Thätig-
keit über die kecken, selbstüberschätzenden,
unklaren Jugend - Jahre hinaus ausüben,
hat seine Ursache nicht in ihnen, sondern
ausser ihnen. Das Bedürfnis nach künst-
lerischen Dingen, vorzugsweise nach solchen
schmückender (dekorativer) und festlicher
(musikalisch-dramatischer) Art, war stets aus-

gebreiteter und somit auch flacher, als das
im engsten Bette von verborgensten Höhen
steil zu unergründlichsten Tiefen einher-
flutende und alle Kreise des Lebens durch-
laufende Schaffen der grossen Meister. Wir
wissen kaum von einem Zeitalter — das
der hellenischen und vielleicht auch der
gotischen Blüte einzig ausgenommen — wo
man unmittelbar aus dieser heiligsten Quelle
geschöpft hätte — selbst wenn sie sprang,
offen vor aller Augen. Gepriesen eine Zeit,
die den Zweitgeborenen sich hingab, glück-
lich immer noch diejenige, welche zeit-
genössischen Künstlern, etwa auch geringerer
Grade, Vertrauen entgegenbrachte und nicht
in barbarischer Un- und Miss-Kunst, wüsten
Stil-Mischungen und unfruchtbarem Histo-
risieren ihr jämmerliches Schein-Genüge fand.
Allein das ist überall ersichtlich, dass die
Mehrzahl der künstlerisch sich bethätigenden
Menschen durch das Bedürfnis der Gesell-
schaft, der Besitzenden und Befehlenden
ihrer Zeit zu solcher Bethätigung verlockt
wurden und dass sie sich den Bedürfnissen
und dem Geschmack dieser ihrer auftrag-
gebenden Herren mehr oder minder angepasst,
sich unterworfen haben. Auch diejenigen,
in welchen die Werke dieser Meister noch
so grosse Begeisterung erwecken, werden
kaum umhin können, zuzustimmen, wenn
man ihnen entgegenhält, dass diese Meister
nicht wohl als Vertreter einer sehr hoch-
gesinnten, stolzen, herrischen Art gelten
können und selbst sie werden am Ende zu-
geben müssen, dass Männer von edelstem,
selbstbewusstestem Wesen lieber nicht
Künstler sein mochten, als solche, die es
um Lohn waren und auf Befehl, dass sie
selbst den begehrtesten Ruhmes-Titel gering-
schätzig ausschlugen, wenn sie nicht zugleich
durch ihre Werke als geistige Machthaber
ihre Hand auf die Jahrhunderte und Jahr-
tausende legen konnten: Alkibiades wollte
nicht die Flöte spielen. — Je höher eine
verfeinerte Rasse in ihrer triumphierenden,
vollen Kraft heraufgestiegen ist in die
blühenden Gärten vergeistigten Menschen-
tum's, je mehr wird ihr das Schönheits-
Problem zu einem Macht-Problem; ja es ist
ihr vielleicht nächst dem religiösen das ge-
 
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