Moderne Städle-Bilder.
sucht — allerdings ein vergebliches Be-
ginnen — die Stil-Einheit herzustellen. Die
vollständige Disziplinlosigkeit, der Mangel
eines gross angelegten Bebauungs- Planes
lässt sich, nachdem die im Mittelpunkt von
Berlin begonnene Neubebauung fast voll-
zogen ist, nicht wieder wett machen. Bei
der Niederlegung und dem Wiederaufbau der
älteren Stadt-Teile konnte demnach, selbst
wenn der Wille hierzu vorhanden war, den
ästhetischen Gesichtspunkten garnicht Rech-
nung getragen werden. Es gibt, mit Aus-
nahme der Strasse »Unter den Linden« kaum
eine zweite Strassen - Anlage, die auf eine
grosse perspektivische Wirkung berechnet
wäre. Wohin wir uns in Berlin auch wenden
mögen, überall empfangen wir den Eindruck
der grösstmöglichen Raum-Ausnutzung unter
HintansetzungderästhetischenGesichtspunkte.
Für die ästhetische Unreife Berlin's zeugt
ferner der grosse Luxus-Aufwand an Staats-
und Privat-Bauten. Man trifft in Berlin selten
ein Gebäude an, in dessen Fassade seine Be-
stimmung ausgedrückt wäre. Dasselbe gilt
auch von den meisten Privat-Bauten. Die
trostloseste Miets-Kaserne ist mit einer prunk-
vollen Schein - Architektur bedeckt, die der
Bestimmung des Gebäudes garnicht entspricht.
Es fehlt dem Berliner Strassen - Bilde das
individuelle Gepräge, und wo Ansätze dazu
vorhanden sind, werden diese durch den
Wust der Dutzend - Fassaden, die alle nach
einer Schablone konstruiert sind, erdrückt.
Berlin will mehr erscheinen, als es ist. Da
es keine ästhetische Kultur besitzt, will es
durch ein ostentatives Schau-Gepränge diesen
Mangel aufheben, eine Erscheinung, die wir
auch bei dem fashionablen Viertel einer
amerikanischen Stadt beobachten können.
Ein gutes Stück des protzenhaften Geistes,
welcher der Profan - Architektur eigen ist,
atmet auch die Architektur der dem Handel
und dem Verkehr dienenden Baulichkeiten.
In Amerika hat man die dekorative Aus-
gestaltung der Verkehrs-Institute in der
praktischen Erkenntnis, dass damit keine
CAKL MAX HEBEL — BERLIN.
»Sapphoi.. (i8g7.)
sucht — allerdings ein vergebliches Be-
ginnen — die Stil-Einheit herzustellen. Die
vollständige Disziplinlosigkeit, der Mangel
eines gross angelegten Bebauungs- Planes
lässt sich, nachdem die im Mittelpunkt von
Berlin begonnene Neubebauung fast voll-
zogen ist, nicht wieder wett machen. Bei
der Niederlegung und dem Wiederaufbau der
älteren Stadt-Teile konnte demnach, selbst
wenn der Wille hierzu vorhanden war, den
ästhetischen Gesichtspunkten garnicht Rech-
nung getragen werden. Es gibt, mit Aus-
nahme der Strasse »Unter den Linden« kaum
eine zweite Strassen - Anlage, die auf eine
grosse perspektivische Wirkung berechnet
wäre. Wohin wir uns in Berlin auch wenden
mögen, überall empfangen wir den Eindruck
der grösstmöglichen Raum-Ausnutzung unter
HintansetzungderästhetischenGesichtspunkte.
Für die ästhetische Unreife Berlin's zeugt
ferner der grosse Luxus-Aufwand an Staats-
und Privat-Bauten. Man trifft in Berlin selten
ein Gebäude an, in dessen Fassade seine Be-
stimmung ausgedrückt wäre. Dasselbe gilt
auch von den meisten Privat-Bauten. Die
trostloseste Miets-Kaserne ist mit einer prunk-
vollen Schein - Architektur bedeckt, die der
Bestimmung des Gebäudes garnicht entspricht.
Es fehlt dem Berliner Strassen - Bilde das
individuelle Gepräge, und wo Ansätze dazu
vorhanden sind, werden diese durch den
Wust der Dutzend - Fassaden, die alle nach
einer Schablone konstruiert sind, erdrückt.
Berlin will mehr erscheinen, als es ist. Da
es keine ästhetische Kultur besitzt, will es
durch ein ostentatives Schau-Gepränge diesen
Mangel aufheben, eine Erscheinung, die wir
auch bei dem fashionablen Viertel einer
amerikanischen Stadt beobachten können.
Ein gutes Stück des protzenhaften Geistes,
welcher der Profan - Architektur eigen ist,
atmet auch die Architektur der dem Handel
und dem Verkehr dienenden Baulichkeiten.
In Amerika hat man die dekorative Aus-
gestaltung der Verkehrs-Institute in der
praktischen Erkenntnis, dass damit keine
CAKL MAX HEBEL — BERLIN.
»Sapphoi.. (i8g7.)