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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 9.1901-1902

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Fuchs, Georg: Das "Bunte Theater" von August Endell
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https://doi.org/10.11588/diglit.6454#0293
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280 Georg Fuchs: Das »Bunte Theater« von August Endeil.

AUGUST KNDEr.I.—BERLIN.

Bühne des »Bunten Theaters^ mit geschlossenem Vorhange.

»beschriebene« Farben und »beschriebene«
Formen sind dem, welcher sie nicht sah,
doch nichts als ein »erzähltes Mittags-Essen«
— und wer sie gesehen hat, der kann sie
sich verbitten. Aber ein Wort ist gut, wenn
es einen Irrtum zerstreuen kann. — Ja, man
irrt, wenn man allzu wohlmeinend unseren
Künstlern kompromissliche Diplomatie predigt,
ja, man irrt, wenn man sie auffordert zur
Halbheit und zur Heuchelei, man irrt, indem
man ihnen blinzelnd rät, sich einzuschleichen
wie die Wölfe im Schafspelze. Die »schlechten
Erfahrungen«, welche manche unserer
Fabrikanten mit guten Künstlern gemacht
haben, sind nicht selten gerade darauf zurück-
zuführen, dass der Auftraggeber den Künstler
sich nicht aussprechen Hess, dass er ihm in
den Arm fiel, als er voll auszog zu einem
wuchtigen Hiebe. So kommen jene Gebilde
zustande, die weder neu noch alt, weder
gehauen noch gestochen, weder Fisch noch
Fleisch sind, die weder den Verständigen
noch den Dummen, weder den Vornehmen
noch den Geringen gefallen — man hat
einen Miss-Erfolg, man verflucht die Künstler,
man verflucht die Kunst. Wir sehen die

architektonische und kunstgewerbliche Ent-
wickelung eines ganzen Volkes ersticken in
solchen unfruchtbaren Kompromissen: die
Kunst Frankreichs. Man will in Paris
modern sein und doch nicht gerade »modern«
scheinen. Man weiss, dass das französische
Publikum zähe festhält an den überkommenen
Formen seines Hausrates, und so will man
diese Formen im Grossen nicht auflösen.
Man hofft, es genüge, »modern« zu sein,
wenn man im Kleinen etwas Neues gibt.
Darum ist Frankreich auf diesem Gebiete so
in das Hintertreffen geraten, denn im Grunde
sind dort eigentlich nur Plumet und Seimers-
heim , welche diesen Kompromiss unter
Wahrung eines gewissen Karakters erfolg-
reich durchführen konnten. Welch ein Bild
des Reichtumes bietet dagegen das radikale
Belgien, welch einen Erfolg neuer Kultur
bedeutet hiergegen van de Velde selbst in
den Augen dessen, der seine Manier ablehnt!
— Freilich, es bleibt ein Wagnis, auf die
Hilfe aller überkommenen, gewohnten
Formeln zu verzichten, aber nur, indem man
darauf verzichtet, zeigt man, dass man selbst
überzeugt ist, und nur dann kann man über-
 
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